Tschibuk und Klabriaspartie: Vom alten Leben im Kaffeehaus

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Elisabeth Seethaler lädt wieder zu „Tinte & Kaffee“ ins Landtmann. Erstmals stehen heuer fünf Programme gleichzeitig zur Wahl.

„Es ist verwunderlich“, sagt Elisabeth Seethaler, „aber es funktioniert.“ Dass nämlich die Menschen sommers nicht nur vor die Freiluftbühnen und Outdoor-Kinos pilgern. Sondern auch ins vergleichweise dunkle, plüschige (kühle) Kaffeehaus.

Dort, im Landtmann, startet heute wieder die Reihe „Tinte & Kaffee“, die Seethaler seit 16 Jahren mit dem Schauspieler Christoph Prückner organisiert – und die sich offenbar zu einem sommerlichen Fixpunkt entwickelt hat. „Es verkauft sich gut“, sagt Seethaler, die am Vormittag auf dem Weg zur Probe im Landtmann Station gemacht hat. „Manche kaufen sogar Karten für vier verschiedene Abende.“

Insgesamt werden heuer erstmals fünf der Programme, die über die Jahre entstanden sind, gezeigt. Nur einmal, im August, wird dabei das „Urprogramm“ gespielt: Mit „Tinte und Kaffee“, einer „Entdeckungsreise durch die Welt der Wiener Kaffeehausliteratur“ von Nestroy über Schnitzler bis Altenberg, hat im Jahr 2000 alles angefangen.

Die Idee dazu stammt aus Irland. In Dublin, erzählt Seethaler, habe sie eine Pub-Tour mitgemacht, bei der man von Lokal zu Lokal zog, Joyce oder Shaw vorgetragen bekam und dann, natürlich, das Bier verkostete. Seethaler gefiel das Konzept so gut, dass sie es für die Wiener Kaffeehäuser adaptierte: nicht als Tour, sondern als sesshaftes Angebot. Anfangs im Café Prückel, seit gut einem Jahrzehnt im Landtmann.

Dabei wechseln Spielszenen und Hintergrundinformation. „Dalles und Dowidl“ etwa erzählt aus dem jüdischen Wien der Jahrhundertwende, wo man Kaffee mit viel Haut trank (nahrhaft!) und ins berühmte Varieté Budapester Orpheum ging. 35 Jahre lang, bis 1925, stand dort auch die jiddisch-wienerische „Klabriaspartie“ (eigentlich ein Kartenspiel) auf dem Spielplan – seit immerhin acht im Landtmann.

Emotional, sagt Seethaler, werde das Publikum bei „Tobak & Mokka“, das entstand, als die neue Rauchergesetzgebung Einzug hielt. Die Diskussion um das Rauchverbot, lernt man da, hat eine lange Geschichte. So wurde das Laster einmal nach einem Brand verboten, später wegen der Steuern wieder erlaubt. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das türkische Tschibuk-Rauchen modern. Als „schwebendes Dahindämmern ohne jede Dumpfheit“ beschrieb es Heimito von Doderer.

Dunkle Bänke und Gelassenheit

Doch nicht nur Künstler und Denker leben auf. „Sünde & Kaffee“ erzählt auch von den „Kaffeehausmenscha“, mittellosen Frauen, die auf einen guten Fang spitzten. Einen ernsthaften Platz im Kaffeehaus begannen sich die Frauen erst im frühen 20. Jahrhundert zu erobern. „Melange Fatale“ erinnert an sie – und liegt Seethaler „besonders am Herzen“. Über den Weg der Emanzipation spricht sie gern. Über Lina Loos, die sich jung scheiden ließ, oder Veza Canetti, deren literarisches Schaffen ihr Mann zeitlebens verschwieg. „Sehr mutig“ seien Frauen von Gina Kaus bis Berta Zuckerkandl gewesen. „Sie haben uns sehr weitergebracht.“

Seethaler selbst wurde einst als Kind von ihrer Mutter („einer Kaffeehaussitzerin“) ins Ritual eingeführt. Gegenüber dem Bayrischen Hof in der Leopoldstadt lernte sie „die unheimlich spannende und entspannende“ Atmosphäre kennen. „Den Jugendstilofen“ hat sie bis heute vor Augen. „Und die dunkelroten Bänke, die Gelassenheit.“

AUF EINEN BLICK

Elisabeth Seethaler arbeitet im Brotberuf in der Akquisition und beschäftigt sich seit Jahren mit Literatur und Schauspiel. Gemeinsam mit dem Schauspieler Christoph Prückner organisiert sie seit 16 Jahren „Tinte & Kaffee“ im Café Landtmann. Heuer werden fünf Programme gleichzeitig gezeigt: Einmalig das „Urprogramm“, außerdem „Dalles & Dowidl“ (einige Male mit Günter Tolar als Dalles), „Sünde & Kaffee“, „Melange Fatale“, „Tobak & Mokka“. Tickets kosten 17Euro, Reservierungen unter 0676/3167302. Termine: www.tinteundkaffee.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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