Kurt Razelli: Die Elizabeth Spira des Internets

Kurt Razelli will anonym bleiben - und lässt sich nur mit Maske fotografieren
Kurt Razelli will anonym bleiben - und lässt sich nur mit Maske fotografieren(c) Erich Kocina
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Mit seinen Videoclips, in denen er Sprüche von Alltagsmenschen und Politikern zu Songs verarbeitet, legt Kurt Razelli humorig Persönlichkeiten frei.

"Schokozuckerl! Schokoladezuckerl!“ Zweieinhalb Minuten lang laufen die empörten Worte des früheren BZÖ-Abgeordneten Gerald Grosz fast in Endlosschleife, während er wütend am Rednerpult steht, begleitet von elektronischen Beats – ein ÖVP-Abgeordneter hatte dort zuvor scherzhaft Steuerzuckerln zur Entnahme deponiert. Das YouTube-Video aus dem Jahr 2012 zeigt, wie Kurt Razelli die Lächerlichkeit einer Situation einfängt. Der freischaffende Komponist verdichtet die Lächerlichkeit noch durch ständige Wiederholung. Mit diesem Rezept hat er es im Internet schon zur Marke geschafft. Seine Videos aus TV-Sendungen wie den ORF-„Alltagsgeschichten“ oder „Das Geschäft mit der Liebe“ und „Wir leben im Gemeindebau“ auf ATV haben in seinen remixten Versionen schon mehr als drei Millionen Zugriffe auf YouTube gesammelt, mehr als 7300 Menschen haben seinen Kanal abonniert.

Seine Videos sind es auch, die die Menschen kennen, wenn sie den Namen Razelli hören – die Person dahinter ist nicht so leicht zu fassen. Und das durchaus mit Absicht. Denn der 28-Jährige („Kurt heiße ich schon, aber Razelli ist erfunden“) will in der Öffentlichkeit anonym bleiben. Bei seinen Auftritten ist er immer mit Maske zu sehen – derzeit ist es eine von Arnold Schwarzenegger. „Ich bin eine Kunstfigur“, meint er. Und das solle auch so bleiben. Manche seiner Freunde, meint er, würden bis heute noch nicht wissen, dass er hinter dem Internetphänomen steckt.

Die Musik hat er schon als Kind entdeckt – erst lernte er Schlagzeug, brachte sich dann selbst das Spielen am Keyboard bei. Und schließlich lernte er Tontechnik am SAE Institute. Beruflich widmet er sich heute dem Komponieren, etwa von Jingles oder für Werbespots. An den Razelli-Songs arbeitet er nebenbei, als Hobby. Begonnen hat es mit dem „Kaisermühlen Song“ – einem Remix aus dem „Schauplatz Kaisermühlen“, in dem ein älterer Herr seine Sprüche („I bin oid, oba fesch bin i no imma“) loslässt.

Alltagsgeschichten und ihre Protagonisten sind es auch, die Razelli besonders häufig aufgreift. Doch während Elizabeth T. Spira die Menschen einfach zum Reden animiert, auch den einen oder anderen Moment der Stille zulässt, komprimiert Razelli ein, zwei Aussagen. Wiederholt sie immer und immer wieder. Und bringt so die Persönlichkeit hinter der Aussage teils sehr drastisch auf den Punkt. Dass er Menschen damit vorführt, sieht er nicht so: „Diese Szenen sind schon von Haus aus lustig.“ Durch die Wiederholung entstehe lediglich ein Effekt, wie man ihn vom Slapstick kennt – dass jemand etwa immer und immer wieder auf einer Bananenschale ausrutscht.

Ob es nun ganz alltägliche Menschen sind oder solche, die in der Öffentlichkeit stehen, macht für ihn keinen Unterschied. Hauptsache, es ist lustig und lässt sich zu einem Song verarbeiten. Auch bei politischen Aussagen hält er sich zurück – „ich will unpolitisch sein“. Wenn, dann müssen alle daran glauben, etwa bei seinen Wahlsongs, in denen er vor der Nationalratswahl 2013 Ausschnitte aus der ORF-„Pressestunde“ remixte. Ein besonderer Coup gelang ihm aber, als er ein „ZiB2“-Interview mit Frank Stronach arrangierte, in dem er zu Eurofighter-Geschäften mit seiner Firma Magna Stellung nehmen musste. „Ich habe die ganzen Waffen, ich habe die ganzen Panzer, ich habe die Kampffighterjets“ und weitere Aussagen montierte er zum „General Stronach Song“. Und als Moderator Armin Wolf den Song auf Twitter verlinkte, ging die Zahl der Zugriffe rasant in die Höhe.

Das Kopfkino mit der CD

Etwa alle zwei Wochen macht Razelli nun ein neues Video – die Ideen dazu findet er im Web. Zuletzt brachte er sogar eine CD heraus. Doch der Absatz läuft eher schleppend, sagt er. Offenbar fehlt beim Zuhören das dazugehörige Bild, wie man es von YouTube kennt. Dafür geht es langsam mit Auftritten los – etwa am Samstag beim Popfest, wo er eine Stunde lang seine Songs auflegen wird. „Und ich will die Figur weiter wachsen lassen“, sagt er. Sein größtes Ziel: „Ich hätte gerne eine eigene Razelli-Show auf FM4.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2015)

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