Salzburg: Was es zum Singen wirklich braucht

(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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60 Jahre nach ihrem Debüt bei den Festspielen gibt Mezzosopranistin Christa Ludwig ihr Wissen immer noch in Meisterklassen weiter.

Das Vorsingen in der Felsenreitschule vor Karl Böhm und Oskar Fritz Schuh hat sie noch heute in Erinnerung: „Ich war furchtbar aufgeregt“, erzählt Christa Ludwig, die damals die Cherubino-Arie aus Mozarts „Figaro“ vorgetragen hat. Ihr Lampenfieber entging auch dem Dirigenten nicht: „Mein Kind, warum sind Sie so nervös? Sie sind sowieso engagiert“, sagte Böhm damals zu der jungen Sängerin, die aus Deutschland stammte und bei ihrer Mutter, Eugenie Besalla-Ludwig, Gesangsunterricht erhalten hatte. 1955 – vor genau 60 Jahren – trat die damals 27-jährige Mezzosopranistin erstmals bei den Salzburger Festspielen auf. Sie sang unter Georg Solti die Zweite Dame in der „Zauberflöte“. „Das war der Beginn meiner internationalen Laufbahn“, erinnert sich Ludwig im Gespräch mit der „Presse“. „Wenn Sie erst einmal in Salzburg sind, dann werden Sie überall herumgereicht“, hatte ihr Sängerkollege Hans Hotter damals prophezeit. Es sollte sich bewahrheiten. Im selben Jahr holte sie Karl Böhm an die Wiener Staatsoper, und Ludwig wurde an alle großen Opernhäuser berufen.

Trotz Engagements in aller Welt hatte Christa Ludwig Salzburg zu Ostern und im Sommer immer fix in ihrem Terminkalender. Sie feierte mit großen Dirigenten wie Karl Böhm und Herbert von Karajan Erfolge auf der Bühne und begeisterte ihr Publikum mit einfühlsamen Liederabenden. Eine ihrer schönsten Erinnerungen an Salzburg: Sie durfte beim Festakt anlässlich der Eröffnung des Großen Festspielhauses im Jahr 1960 singen. „Das war schon ein besonderer Moment“, erinnert sie sich an die ersten Töne, die in dem neuen Opernhaus erklungen sind.

„Mit dem Großen Haus sind die Salzburger Festspiele sehr vornehm geworden.“ Vorher habe es nur das kleine Festspielhaus gegeben. „Die Büros waren klein, es gab winzige Garderoben und nur jeweils eine Herren- und Damentoilette.“ Karajan habe sich geniert, dass ihn die Sänger beim Gang auf die Toilette beobachten konnten, erinnert sich die Künstlerin. Auch wenn sie sich schon vor 22 Jahren, im Jahr 1993, von der Bühne verabschiedet hat, ist Ludwig regelmäßig Gast bei den Festspielen. Auch heuer leitete sie eine Meisterklasse des Young Singers Project. „Ich will das, was ich von so vielen wunderbaren Lehrern gelernt habe, weitergeben.“ Den jungen Talenten von heute möchte sie Mut machen. „Man kann ja an den beiden Tagen ohnehin nur etwas antippen.“

Was braucht man abgesehen von einer guten Stimme, um als Sänger Karriere zu machen? „Bühnenpräsenz, Charisma, Temperament, Ausdruck, eine gute Gesundheit, Disziplin“, zählt Christa Ludwig auf. Und: „Man muss von dem, was man singt, überzeugt sein“, erklärt sie. Zu ihrer Zeit hätten es die jungen Sänger leichter gehabt, glaubt die Kammersängerin. „Es gab ja nur deutsche Sänger. Heute kommen die Talente aus aller Welt.“

Die Liebe zum Kosmos

Sie attestiert den jungen Leuten eine sehr gute technische Ausbildung. Aber manchmal fehle es an einer „gewissen Innerlichkeit“, dem Willen, etwas ausdrücken zu wollen. Erst das mache einen guten Liedsänger aus. „Zum Singen braucht es eine ruhige Seele.“ Es müsse in einer Arie die ganze Liebe zum Kosmos mitschwingen: „Der hohe Ton allein macht es nicht aus.“

Sie selbst singt nicht mehr, nicht einmal mehr unter der Dusche. „Man muss im Leben auch etwas lassen können. Das ist eine Kunst.“ Nun freut sie sich auf die Aufführung von „Fidelio“ bei den Salzburger Festspielen. „Nicht wegen Jonas Kaufmann oder Franz Welser-Möst – sondern nur wegen dieser wunderbaren Musik.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2015)

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