Europas rechte Rechtfertigungen

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Wiener Politologen analysierten Argumentationsmuster europäischer Rechtspopulisten: Sie entdeckten Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

Politische Parteien entwickeln polarisierende Argumente. Das ist ein wesentlicher Bestandteil jeder politischen Bewegung: Es gilt einen Zustand aufzugreifen oder zu kreieren, den es zu verändern gilt. Dabei ist es egal, ob es um die Umwelt, den Verkehr, die Migration oder sonstige Themen geht. Verbesserungsvorschläge entstehen aus echten oder gedachten Missständen. Parteien legen sich Argumentationsmuster – in der Forschung als „Rahmen“ bezeichnet – zurecht, mit denen sie auf für sie wichtige Zeiterscheinungen hinweisen. Kurz: Sie entwickeln polarisierende Kommunikationsstrategien.

„Rechtspopulistische Parteien und Bewegungen machen es aber etwas anders“ sagt Birgit Sauer, Politikwissenschaftlerin an der Uni Wien. Sauer betont: „Rechtspopulisten projizieren Missstände immer auf bestimmte Personen- und Personengruppen.“ Diese „Anderen“ werden zu Schuldigen und stehen dem vermeintlich unbescholtenen Eigenen – dem „Wir“ – gegenüber.

Sauer und ihr Team analysierten und verglichen in zwei von der EU geförderten Projekten diese personenbezogenen Kommunikationsstrategien rechter Bewegungen. Ihre Forschungsgrundlage waren europaweite Interviews mit rechtspopulistischen Parteimitgliedern, in Österreich etwa mit FPÖ-Funktionären oder Repräsentanten der „Bürgerinitiative gegen Moscheen“. Gleichzeitig sichtete ihr Team offizielle Websites und Facebook-Postings.

Gemeinsame europäische Rahmungen

Dabei fanden die Forscher länderübergreifende Argumentationsmuster. Eine Personengruppe ist für Rechtspopulisten zurzeit das Feindbild per se: Muslime. „Wir nennen das antimuslimischen Rassismus, um deutlich zu machen, dass es mehr ist als nur eine Phobie“, sagt Sauer. Es geht darum, Muslime in Europa ausnahmslos auszugrenzen.

Eine weitere Gemeinsamkeit ist der Antifeminismus. Es gibt den rechtspopulistischen Rahmen, dass „Gendern“ – über die sprachliche Diskussion von Weiblichkeitsformen hinaus – eine künstliche Umpolung von biologischen Geschlechtern sei. Sauer dazu: „Da wird überhaupt nicht gesehen, dass es bei Gender Mainstreaming eigentlich um die Geschlechtergleichstellung geht.“

Solche und ähnliche Rahmungen entstehen nicht aus dem Nichts. Sie knüpfen an alltägliche und traditionell existierende Feindbilder an. Das können antisemitische Bilder sein oder Ressentiments gegenüber „denen da Oben“. Wobei es keine Rolle spielt, ob es sich bei der Obrigkeit um Fürsten, Königshäuser, eine autoritäre Führung oder die Bürokratie in Brüssel handelt.

Derlei Argumente verschwinden nicht. Konkret heißt das, dass neue Ideologien die Alten nicht ablösen. Der Antiislamismus steht etwa neben dem Antisemitismus. Rechtspopulisten bedienen sich dieser vorhandenen Begrifflichkeit nach Belieben: „Auch der Antiislamismus ist nicht neu. Er kann an die Türkenbelagerung 1683 argumentatorisch anschließen“, sagt Sauer.

Rechtspopulisten haben keine Ideologie

Argumente werden wie in einem Krämerladen der Ideologien herausgenommen, wenn sie gebraucht werden, und je nach Bedarf ausgetauscht. Daher gibt es oft widersprüchliche Aussagen und Kommunikationsstrategien, weil sie für unterschiedliche Zwecke und Ziele herangezogen werden: „Rechtspopulisten zeichnen sich eigentlich gerade dadurch aus, dass sie keine konsistente Ideologie haben“, sagt Sauer. Wenn man keine Ideologie hat, kann man sehr erfolgreich auf alle denkbaren Strömungen aufspringen.

In Europa treten aber auch Unterschiede auf. Nationale Minderheiten werden etwa dort stigmatisiert, wo es sie noch gibt. Daher wettern Rechtspopulisten in Bulgarien gegen Roma, wohingegen sie im Vergleich dazu in Österreich eher vernachlässigt werden.
Auch beim Thema Homosexualität finden Europas Rechte keinen Konsens. So gab es in Frankreich und Slowenien riesige Protestbewegungen gegen die Homoehe, in Österreich nur kleinere und in Großbritannien spielte das so gut wie gar keine Rolle.

Der Zorn auf die „Lügenpresse“

Was die europäischen Rechten aber wieder eint, ist ihre Skepsis gegenüber der Presse. „Überall haben rechte Bewegungen das Gefühl, dass sie in den Medien falsch dargestellt werden“, sagt Sauer. Ein Interviewpartner der Politologen benutzte auch den nationalsozialistischen Begriff „Lügenpresse“.

Die Verwendung dieser Bezeichnung nahm in den letzten Jahren wieder zu. Die europäischen Qualitätsmedien stehen feindlichen Bewegungen gegenüber Migranten, Homosexuellen, Frauen oder der EU meist kritisch gegenüber. Rechtspopulisten fühlen sich daher oft falsch verstanden oder gar nicht gehört. Sie bedienen sich verstärkt dem Argumentationsmuster, die Presse als „Lügenpresse“ zu bezeichnen. Das wird „sicher noch zunehmen“, sagt Sauer. Ein Ausweg für Rechtspopulisten ist die Onlinepräsenz. Sie entdeckten das Internet früh für sich. H.-C. Strache hat von allen Politikern Österreichs die meisten Likes auf Facebook.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2015)

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