Extremismus: Israel trauert um Terroropfer

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Tausende Menschen demonstrierten am Wochenende gegen den Brandanschlag auf eine Palästinenser-Familie und die Messerattacke bei der Homosexuellen-Parade.

Jerusalem. Drei Tage nach der Messerattacke während der Jerusalemer Homosexuellen-Parade erlag die 16 Jahre alte Schira Banki ihren Verletzungen. Die junge Frau ist Opfer des ultraorthodoxen jüdischen Fanatikers Ischai Schissel, der am Donnerstagabend innerhalb von Sekunden sechs Menschen verletzte. Tausende Israelis demonstrierten am Wochenende in mehreren Städten gegen das Attentat während der Pride-Parade und den Brandanschlag in dem palästinensischen Dorf Dura, südlich von Nablus, bei dem Freitag früh der eineinhalb Jahre alte Ali Dawabsche starb. In Tel Aviv sprach ein Onkel des Jungen während der Kundgebung über die Familie seines Bruders. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas, der am Sonntag eine Delegation der linken israelischen Liste Meretz im Präsidentensitz in Ramallah empfing, machte Israels Premier für die Gewalt verantwortlich. Benjamin „Netanjahu wünscht sich eine neue Intifada“, meinte Abbas, warum sonst würde er behaupten, „es gäbe keinen Partner für den Frieden?“.

Hinter beiden Gewaltverbrechen stehen fromme jüdische Fanatiker, aber sie gehören völlig unterschiedlichen Lagern an. Zwar wohnt auch Schissel in einer israelischen Siedlung im Westjordanland, dorthin trieben ihn aber keine ideologischen Motive. Mode'in Elit ist eine Siedlung, die Ultraorthodoxen billigen Wohnraum bieten soll. Schissel ging es bei dem Attentat um die religiösen Gebote, die Homosexualität verbieten. Die Angreifer in Duma stammen aus dem national-religiösen Siedlerlager, die für „Eretz-Israel“ kämpfen, vom Mittelmeer bis zum Jordan.

Handschuhe und rote Farbe

Für die Demonstranten in Tel Aviv, die vor allem aus dem weltlichen, linken Bildungsbürgertum kommen, dürfte es keinen Unterschied machen, ob die Opfer homosexuell waren oder Palästinenser. Viele trugen Handschuhe, die sie aus Protest gegen die Messerattacke in Jerusalem mit roter Farbe beschmierten. In Jerusalem galt die Kundgebung in erster Linie den Homosexuellen. Die orthodoxen Rabbiner, die an der Versammlung am Tatort teilnahmen, richteten ihre Botschaft an die eigenen Gemeinden.

In beiden Fällen hätten die Angriffe für den Sicherheitsapparat absehbar sein müssen. Vor allem die Wiederholungstat Schissels, der erst vor einigen Wochen aus der Haft entlassen worden war, die er für einen ähnlichen Messerüberfall während der Pride-Parade in Jerusalem vor zehn Jahren absaß, wirft ein trauriges Licht auf die Polizei. Schissel hat seine Tat nie bedauert, er hetzte nach seiner Entlassung weiter gegen Homosexuelle.

Im Westjordanland sind die führenden Köpfe der radikalen Gruppe Preisschild, die palästinensischen Zivilisten immer dann ihre grausame „Quittung“ präsentieren, wenn die eigene Regierung für Siedler unbequeme Entscheidungen trifft, längst bekannt. Unter den jüdischen Extremisten kursieren schriftliche Anleitungen zur Brandstiftung, in denen offen davon die Rede ist, dass „Sachschaden manchmal einfach nicht reicht“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2015)

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