Die Filmemacherin Nina Kusturica zeigte in Alpbach Fragmente ihres neuen Films.
Alpbach.Dioma aus dem Senegal, die am Telefon in einem Callshop beim Wiener Brunnenmarkt versucht, ihren Freund zu überreden, doch wieder nach Österreich zu kommen. Samo, der nicht so recht weiß, was er sagen soll, wenn ihm seine Familie aus Syrien erzählt, dass sie alle zehn, 20 Stunden kurz Strom haben. Mike, der einem Freund am Telefon sagt, dass er seine Frau nach 47 Jahren Ehe eigentlich gar nicht vermisst, obwohl sie in der Türkei ist: Das sind nur drei der Geschichten, die Nina Kusturica in ihrem neuen Film „Ciao Chérie“ erzählt. Oder: wahrscheinlich erzählen wird. Denn fertig ist der Spielfilm noch nicht, er soll Anfang kommenden Jahres ins Kino kommen.
Beim Europäischen Forum Alpbach hat die Filmemacherin erstmals Fragmente gezeigt. „Es ist ein Reisefilm, ohne zu reisen“, sagte sie gestern. Ein Film, der Distanzen zeigen soll – aber ohne Bilder davon, sondern eigentlich nur über den blauen Telefonhörer, den die Protagonisten halten – im Senegal, in Ghana, in Syrien.
Dass Kusturicas aktuelles Projekt ein Spielfilm ist, liegt an einem ihrer vorigen Projekte. Bei „Little Alien“, einer Dokumentation über minderjährige Flüchtlinge, habe sie auch aus Respekt für die Protagonisten nicht so viel gezeigt, wie sie hätte können. „Ein Film braucht auch ein Drama. Aber es war bei ,Little Alien‘ sehr schwierig, an die Grenze zu gehen.“
Casting auf dem Brunnenmarkt
„Bei meinem nächsten Projekt wollte ich alles machen können, alles zeigen.“ Der aktuelle Film ist daher mit einem Mix aus Schauspielern und Laien besetzt – trotzdem sehr an die Realität angelehnt. Auch, wenn es ein Spielfilm ist, geht Kusturica die Recherche dokumentarisch an – auch das Casting ist nicht klassisch. „Ich bin auf dem Brunnenmarkt mitten in der Nacht Männern nachgelaufen und habe sie gefragt, ob sie für uns spielen wollen“, sagt sie. „Aber keiner spielt sich selbst.“ (beba)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2015)