Neubau: Hotel und Fluchtort der Kreativen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Seit fünf Jahren führt Marvin Mangalino das Hotel am Brillantengrund. Mit Ausstellungen, philippinischer Küche von der Mama und Radrennteam.

Es ist eine Gasse, die man kennen muss. Rein zufällig kommt hier niemand vorbei, geschweige denn, dass es einen unter dem alten, gelben Hotelschild in den Innenhof verschlägt. Am 1. September 2010 stand Marvin Mangalino, ein knapp dreißigjähriger Cutter mit Sinnkrise, hier in der Bandgasse 4 und hielt den Schlüssel zum Hotel am Brillantengrund in Händen. Frau Andrea, seit gut 25 Jahren an der Rezeption, konstatierte: „Also du bist jetzt mein neuer Chef.“

Mangalino hatte damals die HAK absolviert, war an Filmakademie und Angewandter knapp nicht genommen worden und schnitt, wenn es gut ging, Filme, öfter aber „für blöde Leute mit blöden Produkten für blöde Werbung“. Ein Freund hatte den Traum eines Hotels, mit Mangalino, der es führen sollte. Er trottete zu den Besichtigungen mit, ohne wirklich daran zu glauben. Bis die beiden eines Tages am Brillantengrund standen. „Man spürt“, sagt Mangalino, „wenn etwas anders ist.“

Er nahm sich ein Sabbatical („hart, aber wichtig“) und begann zu zittern. Auch Hotelketten hatten sich um das versteckte Biedermeierhaus irgendwo seitlich hinter der Mariahilfer Straße beworben. Am Ende bekamen die jungen Quereinsteiger ohne Erfahrung den Zuschlag. „Surreal“, sagt Mangalino, wenn er heute zurückdenkt.

Nichtsdestoweniger ging dann alles ziemlich schnell. „Weil wir in den Kreativberufen ja ganz gut vernetzt sind“, sagt Mangalino, „und am Abend viel weg waren, dadurch kennt man die Veranstalter.“ Der allererste Lieblingsflohmarkt fand hier statt, beim zweiten wanderten 4500 Leute durch die Zimmer. In der schräg möblierten Garage finden Unplugged-Konzerte statt, dazu kommen neuerdings „Master Classes am Brillantengrund“, bei der sich Kreative hier einquartieren und gemeinsam an einem Projekt arbeiten (im Vorjahr Typografie, heuer Illustration).

Optisch hat sich das Hotel kaum gewandelt. Eröffnet hatte es vor mehr als 30 Jahren der jetzige Verpächter. Mit ihm steht Mangalino bis heute in Fax-Kontakt und muss um jede Anpassung ringen. Rückblickend ist er froh darüber. Wer weiß, in welches Designkonzept er sonst investiert hätte. So durchstöbert er (eine seiner Lieblingsaufgaben) Fünfzigermöbel und überlegt sich kleine Akzente. Bis Ende Oktober sollen alle 32 Zimmer so bestückt sein, dass sie zur Gesamtatmosphäre beitragen.

Bekannt ist das Hotel auch für seine weihnachtliche Fotoausstellung. Die erste entstand 2013 nach dem Taifun auf den Philippinen und finanzierte dort 150 Häuser, zwei Fischerboote und eine Schweinezucht. Seit vergangenem Jahr ist auch das Restaurant einschlägig ausgerichtet. Mit „philippinischer Küche von der Mama“, sagt Mangalino, „da brauchen wir uns nicht zu verbiegen. Auch das lernt man in fünf Jahren: Man muss aufhören, Dinge zu machen, die man nicht ist.“ Seither geht es mit dem Restaurant deutlich bergauf.

Radmodelinie geplant

Organisch gewachsen ist auch die Sache mit dem Fahrrad. Irgendwann im Regen hatten Rennradler hier Zuflucht gesucht, man begann, von hier aus gemeinsam zu Fahrten etwa in den Wienerwald zu starten. Daraus wurde das „hauseigene“ Rennteam. Brillibrilliant/Unicorn Racing Dream nennt man sich in ironischer Anspielung auf die Namen der Großen. Die eigenen Shirts postete man auf Instagram. Worauf Anfragen aus aller Welt eintrafen, ob man die Klamotten kaufen könne. Man kann – und mit Helga Ruthner von Wendy und Jim plane man inzwischen den Launch „einer fahrradbezogenen Modekollektion“.

Vor Kurzem sind Mangalino beim Aufräumen der Festplatte seine alten Konzepte in die Hände gefallen. „Kitschig formuliert“, und doch so ziemlich das, was das Hotel am Brillantengrund heute sei: ein „Fluchtort für Kreative, an dem Dinge entstehen“. Und wo „vom Rockstar bis zur Oma“ verschiedene Leute wohnen, „und im besten Fall zu quatschen beginnen“. Zu den Stammgästen zählt auch Designerin Susanne Biskovsky. Sie pfeift heuer übrigens auf die Fashion Week – und macht ihre Modenschau heute Abend einfach hier.

Zur Person

Marvin Mangalino (34) wurde als Sohn philippinischer Eltern in Wien geboren. Er wuchs in Ottakring und Breitenlee auf, wurde aber von seiner Mutter im ersten Bezirk in die Privatschule geschickt. Er arbeitete als Cutter, seit 2010 führt er das Hotel am Brillantengrund. www.brillantengrund.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2015)

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