Lucy Gordon: Cannes trägt Trauer

(c) Reuters (Lucas Jackson)
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Die Filmbranche wird ausgerechnet während ihres wichtigsten Festivals vom Suizid der britischen Schauspielerin Lucy Gordon erschüttert.

Cannes ist geschockt. Und über den in diesem Jahr ohnehin schon etwas blasser gewordenen Glanz der Filmmetropole hat sich ein dunkler Schleier gelegt. Die Branche trauert und ist verstört.

Weil sich eine aus ihrer Mitte am Mittwoch das Leben genommen hat. Schon wieder, könnte man sagen. Vor allem: wieder eine junge Schauspielhoffnung, eine, deren Karriere gerade erst so richtig begonnen hatte. Erst vor gut einem Jahr musste sich die amerikanische Branche von Heath Ledger verabschieden, der an einer Überdosis Medikamente starb.

Die Britin Lucy Gordon, frankophil und ehrgeizig, hat sich am Mittwoch in ihrer Pariser Wohnung erhängt. Das ist kein Gerücht, keine Vermutung mehr, sondern eine Tatsache. Die ihre Managerin Elizabeth Simpson bestätigte. Gordons Freund habe sie in der Wohnung gefunden und die Polizei verständigt, wenige Stunden später, im Lauf des Donnerstags, wurde die Nachricht bekannt.


Gordon war zweifelsohne noch kein Superstar des europäischen Films. Bis vor Kurzem war ihr das Los der ewigen Nebendarstellerin angehaftet. Sie spielte an der Seite von Audrey Tautou im Studentenfilm „L'Auberge Espagnole – Wiedersehen in St. Petersburg“ und 2007 in „Spiderman 3“ die Reporterin Jennifer Dugan. Keine wirklich großen Rollen zwar, die Branche war aber bereits auf sie aufmerksam geworden.

Erst kürzlich kam die Wende: sie spielte in dem noch unveröffentlichten Biopic über den französischen Chansonnier Serge Gainsbourg seine langjährige Lebensgefährtin Jane Birkin. Endlich keine Nebenrolle mehr, sondern eine der tragenden Hauptrollen. Gordon war geradezu prädestiniert dafür, ihre Landsfrau Birkin zu verkörpern, die es, wie sie, früh nach Frankreich zog. Der Film ist abgedreht, er soll erst 2010 in die Kinos kommen. Trotzdem wurden bereits während des Filmfestivals in Cannes, das gerade zum 62. Mal in der südfranzösischen Metropole stattfindet, einige Szenen gezeigt.

Offensichtliche Gründe für den Freitod Gordons gibt es keine. Auch wenn auf der Gerüchtebörse bereits um die beste Geschichte gefeilscht wird: So wollen Nachbarn in der Nacht auf Mittwoch einen lauten Streit in ihrer Wohnung gehört haben. Freunde (Freunde?) erzählen, dass die junge Frau sehr mitgenommen vom Suizid eines engen Bekannten gewesen sei. Fest steht jedenfalls: nicht einmal der bevorstehende Geburtstag konnte sie von ihrem Vorhaben abbringen. Lucy Gordon wäre gestern, Freitag, 29 Jahre alt geworden.

Dass der Vorfall an den Tod von Kollege Heath Ledger erinnert, sah man am Freitag, einen Tag nachdem die Nachricht Cannes erreichte, auch bei einer ganz besonderen Filmpremiere: Mit „The Imaginarium of Doctor Parnassus“ wurde jener Film uraufgeführt, während dessen Dreharbeiten Heath Ledger im Jänner 2008 verstorben war. In dem Terry-Gilliam-Streifen spielte Ledger einen aalglatten Mann, der sich mit einer mysteriösen Truppe einlässt, um Zugang zu einer Fantasiewelt zu bekommen. Nach dem Tod des 27-jährigen Schauspielers ließ Gilliam dessen Rolle von Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell weiterspielen. Der Abspann endet mit den Worten: „Ein Film von Heath Ledger und Freunden.“

Auch die Filmpremiere von „Serge Gainsbourg, vie héroique“ im nächsten Jahr wird von der Trauer um die Hauptdarstellerin Lucy Gordon dominiert werden.

Für jetzt muss in Cannes aber einmal alles seinen gewohnten Weg weitergehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2009)

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