Marina Hoermanseder: Karriere mit Lack und Blümchen

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Sie macht den Auftakt zur Wiener Fashion Week: Marina Hoermanseder über ihre Orthopädie-Ästhetik und zwei Jahre pure "Reaktion auf das Feedback".

Der Flug aus Berlin hat eine halbe Stunde Verspätung. Aber das macht nichts, Marina Hoermanseder macht die Zeit wieder wett. Sie spricht einfach doppelt so schnell. Und schafft es, zwischendurch auch noch auf das Handy zu schauen, ohne ihre Antwort zu unterbrechen. Mittlerweile, sagt sie, habe sie sich das Multitasking „schon ganz gut antrainiert“.

Es dürfte nötig gewesen sein. Weniger als zwei Jahre ist es her, dass die Wienerin ihr Modelabel gegründet hat, das seither sprichwörtlich durch die Decke gegangen ist. Zuvor hatte sie, frisch von der Berliner Esmod-Modeschule kommend, im Familienurlaub einen Anruf bekommen – mit der Einladung zur Berliner Fashion Week. „Da hab' ich nur gesagt: ,Ich muss zurückrufen, ich muss meine Eltern fragen.‘“ Die Mutter, französische Übersetzerin, der Vater, Manager in einem Kartonagenkonzern, hatten ohnehin schon ein Wirtschaftsstudium zur Sicherheit durchgesetzt und nickten das Projekt ab.

Alles, was dann gekommen ist, seien „Reaktionen auf Feedback und Presse“ gewesen, sagt Hoermanseder. „Die letzten zwei Jahre hatten wir kaum Zeit, eigene Schritte zu setzen. Die Welle kam immer von hinten auf uns zu. Und wir halten noch ganz gut stand.“

Die Frau, die mit Röcken aus Lederriemen und teilweise verstörenden Orthopädie- und Fetisch-Elementen bekannt geworden ist, trägt an diesem Vormittag in der Lobby des Méridien Overknee-Stiefel, Helly-Kitty-Armband und einen blauen Sweater mit Logo (dem eigenen). Auch das ein Beispiel für das Phänomen „mh“. Bei der Diplomkollektion war plötzlich ein Logo gefordert gewesen. Hoermanseder hatte keins – und jagte kurzerhand das Kürzel von ihren Zeichnungen durch ein Vektorisierungsprogramm im Internet. „Viele glückliche Zufälle, die richtigen Menschen und mein Bauchgefühl“ hätten immer zusammengespielt. „Den Masterplan gab es nie.“

Das Interesse am Material dafür schon früh. Gebastelt habe sie immer, und mit zwölf an der alten Nähmaschine ihrer Mutter mit Burdaschnitten nähen gelernt. „Sie hat immer für uns die Faschingskostüme genäht und ihre eigenen Ballkleider.“ Später, während der WU, verbrachte sie die Sommer am Central Saint Martins College in London, um sich vorzubereiten. An der Modeschule in Berlin habe sie dann versucht, so viel wie möglich zu lernen. „Ich war ein ziemlich asozialer, eingebunkerter Mensch. Den meisten Kontakt hab' ich mit meinem Hund gehabt.“

„Bearbeitung der rohen Haut“

Es hat sich ausgezahlt. „Über Marina Hoermanseder kann man spätestens jetzt sagen, dass sie die spannendste Designerin ist, die Berlin hat“, urteilte die „FAZ“ kürzlich online: „Eine Art junger Alexander McQueen, nur weiblicher.“ Der Vergleich kommt nicht zufällig. Vier Monate Praktikum hat Hoermanseder bei McQueen absolviert. Dort habe sie gelernt, „18 Stunden am Tag zu arbeiten, ohne mit der Wimper zu zucken.“ Und es war nach diesem Praktikum, dass sie begann, sich mehr mit dem weiblichen Körper auseinanderzusetzen. „Eigentlich wollte ich Schnürkorsagen lernen, aber bei der Recherche habe ich dieses orthopädische Korsett gefunden und wollte es dann unbedingt nachbauen.“ Leder hat sie ohnehin immer fasziniert. „Die Bearbeitung dieser rohen Haut, schneiden, die Kanten ziehen, polieren, lackieren, wieder schleifen. Allein die Nietenmaschine zu bedienen ist etwas, das mein Herz höherschlagen lässt.“

Mittlerweile wird das, was sie produziert, auch zunehmend tragbar. „Es gibt den künstlerischen Aspekt, aber ich will, dass man sich auch mit dem einen oder anderen Teil identifizieren kann. Irgendwann muss ich ja auch schwarze Zahlen schreiben.“ Zu sehen sind ihre Entwürfe heute Abend bei der Eröffnung der Modewoche im Museumsquartier in Wien. Man müsse auch zu seinen Wurzeln zurück, sagt Hoermanseder. Hier zu starten sei indes nie ein Thema gewesen. „Für mich war klar, dass ich die Karriere im Ausland beginnen muss. In Österreich hätte das nicht funktioniert.“

Inzwischen hat sie Termine in Paris (Installation und Verkaufsshowroom im September) und New York (Show im Oktober). Doch fürs Erste freue sie sich, „einfach mal der Heimat zu zeigen, was man so macht, seitdem man weg ist“. Neuerdings etwa: Blümchen. „Eine klassische Marina-Hoermanseder-Kollektion, verfeinert mit Blumen, Keksen und Eisfarben.“ Was ist da passiert? „Gute Frage“, sagt Hoermanseder. „Ich bin immer noch dem harten Leder treu geblieben, aber es war eine Herausforderung, mit meinem Lieblingsmaterial einmal etwas unglaublich Romantisches zu machen. Immer mit dem Mantra, nicht trutschig zu werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2015)

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