Wiens bescheidenster Szenewirt

Konstantin Filippou
Konstantin Filippou(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Das Szenelokal Motto präsentiert sich mit neuem Design – und (gar nicht so) neuem Besitzer. Konstantin Filippou ist Gault Millaus Koch des Jahres.

Ein paar schwarze Babys sind noch da: Als Zitat der Sixtinischen Kapelle gedacht, sorgten die schwarz lackierten Puppen einst vor allem unter Frauen für Proteste. Sie flogen wie die gesamte Einrichtung des Motto erst einmal hinaus – um jetzt an ausgewählter Stelle über der Bar doch wieder an die lange Geschichte des Szenelokals zu erinnern.

1973 hatte Franz Thell, Pionier der Wiener Schwulenszene, das Lokal in der Rüdigergasse eröffnet, mit Marianne Kohn und Helmut Lang im Personal. 1991 kaufte es Szenewirt Bernd Schlacher, formte rundherum die heutige Motto-Group. Als Szenewirt muss nun wohl auch Tom Sampl gelten. Allein, es dürfte in der Gastronomie größere Egos geben als ihn: Schon seit zwei Jahren gehört ihm das Lokal. Lob, Dank und Grüße lassen die Gäste immer noch an Schlacher ausrichten. Nun hat Sampl allerdings das Motto neu gestaltet – weshalb man ihm nahelegte, den Wechsel endlich publik zu machen.

Tatsächlich hatte Schlacher selbst, auf Verkaufsgerüchte damals angesprochen, unwirsch reagiert. Etwaige Sorgen, wie sich ein Eigentümerwechsel auswirken könnte, hat man nun jedenfalls gekonnt umschifft: Es ist jahrelang niemandem aufgefallen. Wohl auch deshalb, weil sich Schlacher seinen Nachfolger selbst aufgebaut hat. Seit 2003 arbeitete Tom Sampl bei ihm im Service. Eigentlich wollte der redselige Radstädter Jus- und Wirtschaftsstudent ja in die Diplomatie. Man riet ihm ab, weil „zu politisch“. 2007 übernahm Sampl mit seiner Familie drei Gastronomieprojekte in Schladming und Salzburg. Irgendwann entschloss er sich zu einer Auszeit, gab seine Wohnung auf, packte seinen Rucksack und sattelte die Vespa – als Schlachers Angebot kam. Er fuhr trotzdem weg, und sagte dann zu. Zwei Jahre war er Geschäftsführer, seit 2013 gehört ihm das Lokal.

Viel habe er noch vor dessen Tod 2013, mit Franz Thell gesprochen, viel über die alten Zeiten erfragt, als man die verborgene Geborgenheit nur mit Karte betreten konnte, und Stars wie Tina Turner die egalitäre, diskrete Atmosphäre zu schätzen wussten. Bis heute muss man wissen, wo das Motto liegt. Nachbarn sind es gewohnt, Unkundigen Auskunft zu geben. Dass das Lokal hinter der heruntergekommenen Holzbogenfassade früher einmal die Retzer Windmühle war, hat Sampl erst jetzt bei den Umbauarbeiten herausgefunden, als über dem Eingang ein altes Holzschild aufgetaucht ist.

Apropos Umbau: Die Vorschläge dreier Architekturbüros hat Sampl alle verworfen. Am Ende hat er mit Designerin Laura Karasinski und Planer Gerd Zehetner das vierte Facelift in 42 Jahren umgesetzt, das Elemente aus allen Epochen vereint: schwarze Tische und Thonet-Stühle, grüne Samtbezüge, der Luster ist Original, der große Spiegel (im Garten) auch, jener im Inneren eine Kopie. Die Materialien (Marmor, Messing, Leder) sind „wertig“, anderes schräg (verpixelte Teletext-Pornos am WC). An die Geschichte knüpft auch die Karte, Klassiker der nächtlichen Stärkung sind geblieben (gebackener Emmentaler, Schinkenfleckerl, Filetsteak mit Schoko-Chilisauce).

Während das Motto dabei auf einen klingenden Küchenchef-Namen bewusst verzichtet, ist im Restaurant Konstantin Filippou – nomen est omen – das Gegenteil der Fall. Filippou hatte nach seinem Abgang aus dem Novelli und einer Kreativitätspause 2013 sein eigenes Restaurant eröffnet, in einer etwas abgelegenen Ecke des ersten Bezirks, der Dominikanerbastei. Ein mutiger Schritt, der von vielen bewundert wurde. Schon im ersten Jahr erhielt er vom Gault Millau drei Hauben – das war zwar irgendwie zu erwarten gewesen, aber als Einstiegsnote doch bemerkenswert. Es folgten ein fixes Engagement in der ORF-Sendung „Frisch gekocht“ und ein zweites Lokal – ein Kraftakt, im Februar dieses Jahres spontan entschieden: Im Juni eröffneten Konstantin und Manuela Filippou die Weinbar O boufés, direkt neben dem Fine-Dining-Restaurant.

Filippous Kraftakt honoriert

Hier setzt der Gastronom und Koch seine Vorstellung von lässigem „Yummy-Essen“ um, dazu werden ausschließlich Natural Wines serviert, „ich trinke selber seit Jahren nichts anderes“. Mit dem O boufés wollte sich der als etwas jähzornig geltende Koch – er selbst nennt es emotional – auch „eine Art Ventil“ schaffen, „ich wollte ein Lokal, das mich ein bisschen entspannt, wo egal ist, wenn einmal ein Glas umfällt oder einmal etwas länger dauert“. Der Gault Millau hat Konstantin Filippou nun zum Koch des Jahres ausgerufen – die Wettquote war heuer sehr gering.

AUF EINEN BLICK

Tom Sampl (31) ist gebürtiger Radstädter, während des Studiums begann er im Motto zu kellnern. 2011 wurde er Geschäftsführer, 2013 Eigentümer. Nun hat er es mit Designerin Laura Karasinski und Gerd Zehetner neu eingerichtet. Viele Designelemente stammen aus der 42-jährigen Geschichte des Lokals. 1973 war das Motto von Franz Thell als erstes Schwulenlokal Wiens gegründet worden. Thells Partner Helmut Lang stand hinter der Bar. In den Neunzigern übernahm Bernd Schlacher. Er hat bis heute die Rechte, das Motto firmiert weiter als Teil der Motto-Group.

Web:motto.wien

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

AGRANA und GaultMillau verleihen Titel 'Koch des Jahres 2016' an Konstantin Alexander Filippou
Gourmet

Konstantin Alexander Filippou ist Koch des Jahres

Das im Jahr 2013 eröffnete Restaurant Konstantin Filippou befindet sich in der Dominikanerbastei 17 in der Inneren Stadt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.