Lohmann: Suche nach der Emotion des Augenblicks

(c) Alexander Maria Lohmann
  • Drucken

Alexander Maria Lohmann zeigt im Hangar 7 in Salzburg seinen Fotozyklus „Humanplayground“, eine Verschmelzung gegensätzlicher Bilderwelten.

Das Fotografieren wurde Alexander Maria Lohmann praktisch in die Wiege gelegt. Schon der Vater und der Großvater waren Fotografen. Dass der Sohn das Geschäft in Obergurgl übernimmt, war so gut wie selbstverständlich. Doch nach der Fotografenlehre ging der junge Tiroler einen anderen Weg. Er entwickelte das Fotogeschäft weiter, managte ein Hotel, eine Bar, ein Sport- und Modegeschäft – und hängte den Geschäftsführerjob im Familienunternehmen vor fünf Jahren von einem Tag auf den anderen an den Nagel.

Nicht der erste und nicht der einzige Bruch in seinem Leben. „Ich habe bei null angefangen. Mit einer Lebensversicherung habe ich mir eine Kamera gekauft und Online-Fotokurse besucht“, erzählt Lohmann. Freunde vermittelten ihm Aufträge, damit sich der Familienvater finanziell über Wasser halten konnte. Nach sechs Wochen rief der erste „richtige“ Kunde an, ein Unternehmer aus dem Pitztal. Da wusste Lohmann, dass er auf dem richtigen Weg war. Die Auftragsarbeiten – Lohmann fotografiert vor allem Hotels – waren ihm zu wenig.

„Die Welt ist nicht nur rosarot und voller Thermenanlagen“, erzählt der 42-Jährige, der die Kontraste liebt. Er bereist immer wieder Äthiopien, das er über Karlheinz Böhm und Menschen für Menschen kennengelernt hat. „Andere zieht es auf die Malediven, mich nach Äthiopien.“ Er ist meist allein unterwegs, geht in Gebiete, in denen bisher kaum Europäer waren, und wartet einfach, was der Augenblick bringt. „Manchmal sitze ich eine Stunde, manchmal eine ganze Woche“, erzählt er.

Und wird immer wieder davon überrascht, was sich aus dem Nichts des Wartens ergibt. Wie eine ganz freundschaftliche Begegnung mit Angehörigen des Stammes Afar, die eigentlich als sehr kriegerisches Volk bekannt sind.

Auf diesen Reisen sind viele Bilder für den Zyklus „Humanplayground“ entstanden, der derzeit im Hangar 7 in Salzburg erstmals zu sehen ist. Lohmann lässt dabei Fotos von Millionenstädten wie New York oder Dubai mit Menschen, Landschaften und Szenen aus Äthiopien verschmelzen. Die Fotos sind ineinander verwoben, als ob sie eins wären – sie verstärken und verdichten sich. Dem Tiroler geht es dabei nicht um die Gegensätze zwischen Arm und Reich. Er will eher die Grenzen im Kopf überwinden. Die Bilder sollen die Emotion des Augenblicks – eigentlich mehrerer Augenblicke – einfangen und neue Emotion schaffen.

Wie wichtig es ist, im Hier und Jetzt zu leben und dankbar für den Augenblick zu sein, das hat ihn seine Tochter Kristiane gelehrt. Das Mädchen kam mit einer seltenen Genkrankheit zu Welt und ist im Februar mit nur 16 Jahren gestorben. In „Humanplayground“ lebt für Lohmann viel von dem Mädchen, das das Reisen liebte, weiter. Die Bilder sind ein bisschen auch ihr Blick auf die Welt.

Wie schnell das Leben vorbei sein kann, das hat der Tiroler schon früh am eigenen Leib erfahren. Als Kleinkind wäre er einmal fast in einem Schwimmbecken ertrunken, mit sieben Jahren sei er von einem Auto niedergefahren worden, erzählt er. Als 21-Jähriger überlebte er mehr als zwei Stunden im Inneren eines Lawinenkegels. „Ich lag 6,5 Meter tief unter dem Schnee, konnte nicht einmal einen Finger rühren, aber ich war seelenruhig“, so Lohmann.

Diese Ruhe hat ihm das Leben gerettet, davon ist er heute noch überzeugt. Ein Suchhund ortete ihn, so konnte er lebend befreit werden. Sein bester Freund Kristian überlebte das Unglück damals nicht.

„Humanplayground“ soll nicht das letzte Projekt des Tirolers sein. Die Ausstellung wandert im November von Salzburg in die neue Kunsthalle Arlberg1800 nach St. Christoph.

Der Fotograf denkt auch schon an einen neuen Zyklus. Er teilt dazu die Welt in 18 Sektoren zu je zehn Breitengraden und will in jedem Abschnitt von einem zufällig gewählten Punkt aus Fotos machen. Auch dabei wird er einfach warten, was der Augenblick bereithält.

AUF EINEN BLICK

Die Ausstellung„Humanplayground“ ist bis 26. Oktober im Hangar 7 in Salzburg zu sehen. Der Tiroler Alexander Maria Lohmann zeigt auf 40 Laufmetern großformatige Szenen, bei denen mehrere Fotos zu einem einzigen Bild verschmelzen.

Alexander Maria Lohmann stammt aus Obergurgl in Tirol. Vater und Großvater waren ebenfalls Fotografen. Nach der Fotografenlehre gab er zunächst das Familiengeschäft auf, ehe er sich wieder mit der Fotografie beschäftigte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.