Kaffeehaus, Sauna, Würstelstand: Das (nicht ganz so) wilde Österreich

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Zeichner Sebastian Lörscher ist drei Monate lang mit seinem Skizzenblock durch Österreich gestreift. Von spannenden Begegnungen und „Spatzerln“.

Mit dem Skizzenbuch durchs wilde Österreich: Der Untertitel des aktuellen Buchs von Sebastian Lörscher ist ein bisschen augenzwinkernd gemeint. „Eigentlich ist das Buch gar nicht so wild, da wird viel gesessen und Kaffee getrunken“, sagt der 30-Jährige. Einigen wilden Figuren ist er in den gut drei Monaten, in denen er durch Österreich gestreift ist, aber doch begegnet. Berni, dem Blechmann, der irgendwann ein Raumschiff bauen möchte. Dem charmanten Hermann, der den Damen auf dem Pfarrflohmarkt in Favoriten eine Sauciere und noch viel mehr andrehen will. Oder dem Saunagast im Amalienbad, der sein „Spatzerl“ in die anatomisch nicht ganz vollständige Zeichnung hineinreklamierte.

Wie die Saunaszene entstanden ist, zeigt gut, wie der Deutsche arbeitet: Auf die Idee, ins Amalienbad zu gehen, brachten ihn nämlich die Besucher von Irinas Würstelstand ums Eck von seiner damaligen Bleibe – der ebenfalls im Buch vorkommt. „Eine Zeichnung dauert zwischen fünf Minuten und einer Stunde. Man muss sich mit seinem Gegenüber auseinandersetzen. Da bleiben die Leute stehen und fragen: ,Was machst du da?‘“ Daraus entstehen die Gespräche und die Geschichten, die Lörscher dann in seinem Buch – nicht nur in Zeichnungen, auch in Worten – erzählt. Wie die von dem montenegrinischen Lkw-Fahrer, der ihn ein Stück mitgenommen hat und der dem Buch den Titel gab. „Auch wenn du im Stau stehst und nix mehr geht weiter: A bisserl weiter geht's immer“, sagt dieser da. Dass man sich nicht immer stressen müsse: Das habe ganz gut auf Österreich gepasst, sagt Lörscher. „Die Leute sind ein bisschen unaufgeregter, wird schon werden.“ Etwas, woran er sich selbst hie und da erinnern müsse: „Ich bin sehr deutsch in meiner Arbeit.“

Die mal kleineren, mal größeren Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland seien mit ein Grund gewesen, warum er nach Österreich fuhr. Nicht zuletzt die in der Sprache, die ihn immer gereizt hätten. Wörter wie sudern oder fladern, die in den Dialogen und Geschichten vorkommen, werden denn für die nicht österreichische Leserschaft auch erklärt. Ein anderer Grund war, dass Lörscher einmal in einem Land zeichnen wollte, in dem er nicht automatisch ein Exot ist wie etwa in Indien, wo er für sein voriges Buch „Making friends in Bangalore“ war.

Von Damen und Rappern

„In Indien holt man den Zeichenblock heraus, und schlagartig sind 30 Leute da“, erzählt er. In Österreich ist das – nicht ganz überraschend – ein bisschen anders. Da kann es dauern, bis man ins Gespräch kommt („Im Prückel hat der Herr am Nachbartisch ein bisschen in den Block geschaut.“) Da müsse man dann dorthin gehen, wo etwas los sei. Was in den Bergen – auch da war er eine Zeit lang, vornehmlich in Tirol und der Steiermark – klarerweise etwas schwieriger sei. Mit seinem Buch versucht er, eine Art Querschnitt der Gesellschaft zu zeigen: von der 80-jährigen Dame im Café Oberlaa über den Tiroler Bauern bis zum orientierungslosen obersteirischen Rapper.

Und auch beim aktuellen Wien-Besuch hat Lörscher wieder gezeichnet – wenn auch etwa die Skizze von Christoph Ransmayr bei der Eröffnung der Erich-Fried-Tage nicht für irgendein Projekt vorgesehen ist. „Aus dem Hobby ist ein Beruf geworden, aber das Zeichnen ist immer noch ein Hobby“, sagt er. „Es macht mich glücklich.“

Buchtipp

„A bisserl weiter geht's immer. Mit dem Skizzenbuch durch das wilde Österreich“ von Sebastian Lörscher erscheint im Verlag Büchergilde (144 Seiten, 25,70 Euro). Am Samstag spricht er bei den Erich-Fried-Tagen in Wien.

Web: www.erichfriedtage.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2015)

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