Repair Café: Reparieren statt wegwerfen

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Im Repair Café von Exmanager Peter Erlebach kann man nicht nur den kaputten Staubsauger reparieren - sondern auch Nachbarn kennenlernen.

Durchs Reparieren kommen die Leut' z'samm, könnte man sagen. Jedenfalls gilt das für Othmar Kerschbaumer (77) und seine Frau, Edith (72): Sie lernten sich vor inzwischen 55 Jahren kennen, als er das Radio ihrer Mutter reparierte. „Ich bin immer dabeigestanden, damit er ja nichts übersieht“, sagt sie. „Und ich bin dann immer wieder nachschauen gekommen, ob es eh funktioniert“, erzählt er auf der abgewetzten Couch im neuen Repair Café in Wien Landstraße.

Nun, dass sich neue Liebespaare finden, ist sicher nicht das primäre Ziel des Repair Café, das Exmanager Peter Erlebach (58) jüngst in der Löwengasse aufgesperrt hat. Dass sich die Menschen – vor allem: die Nachbarn – wieder ein bisschen näherkommen, aber sehr wohl: „Zusammen etwas zu reparieren kann zu ganz tollen Kontakten in der Nachbarschaft führen“, sagt Erlebach. „Hier kommen Leute aller möglichen Gesellschaftsschichten zusammen, ältere Herrschaften wie Othmar da drüben und junge Nachbarn.“

Jeden Donnerstagnachmittag können alle, die wollen, in dem Gassenlokal vorbeischauen und – mithilfe von Erlebach und anderen Fachleuten – ihre kaputten Sachen reparieren: vom wackelnden Sessel bis zur Mikroskoplampe. „Wir machen die Arbeit, die kein anderer macht“, sagt Erlebach, der gerade einen neuen Kontakt an die Steuerung eines Staubsaugerroboters anlötet, der laut seinem Besitzer seit einiger Zeit orientierungslos durch die Gegend fährt. „Viele denken gar nicht mehr daran, ob sie etwas reparieren lassen, weil es sich nicht auszahlt.“

Idee kommt aus den Niederlanden

Erlebach, der vor 15 Jahren das Onlineportal wohnnet.at gründete, war vor seiner Managerkarriere Nachrichtentechniker. „Ich repariere seit Jahren alles“, sagt er. „Das habe ich immer gemacht.“ Und seitdem er seine Anteile an wohnnet.at verkauft hat, kann er – als Sozialunternehmer, wie es auf dem Schild steht, das er auf seine Brust gepinnt hat – „die Dinge tun, die Freude machen“. Der Grundgedanke ist natürlich: Nicht so viel wegzuwerfen; Reparatur spart Geld und wertvolle Rohstoffe. „Mit jedem Teil, das man repariert, tut man der Umwelt etwas Gutes.“

Ursprünglich kommt die Idee aus den Niederlanden, wo die Journalistin Martine Postma vor sechs Jahren das erste Repair Café gründete. Inzwischen ist der Ansatz auch international verbreitet: In Wien etwa gibt es auch das Projekt Schraube14 in der Lützowgasse in Penzing, das zum Reparaturzentrum Rusz gehört. „Langsam kommt das Thema ,Reparieren‘ auch – vor allem bei den Jüngeren – in der Gesellschaft an“, sagt Peter Erlebach. In der Löwengasse soll das auch Spaß machen. Man liefert die Sachen nicht ab, sondern repariert gemeinsam und gibt eine freiwillige Spende. Repariert wurden schon die unterschiedlichsten Sachen: von der Mikroskoplampe über den Mixer bis zu den Thonetstockerln, die Othmar Kerschbaumer und seine Frau in der Woche davor neu zu verleimen geholfen haben. Wo die Möglichkeiten der Reparatur enden? „Je mehr Elektronik, desto schwieriger“, sagt Erlebach. Drucker etwa seien sehr kompliziert. Während der Repair-Café-Gründer den Lötkolben aus der Hand legt und den Sensor dem Besitzer mitgibt – ob es geklappt hat, weiß man kommende Woche, der Rest des Staubsaugers ist nämlich zu Hause –, diagnostiziert Othmar Kerschbaumer ein Problem beim Kontakt eines Ladegeräts, das ein anderer Gast mitgebracht hat. Was die handwerkliche Spezialität des pensionierten Kapsch-Technikers ist? „Das kann man nicht aufzählen“, sagt Edith Kerschbaumer. „Wir haben in der Wohnung alles selbst gemacht, von Elektrik über Holz bis Glasarbeit.“

Und natürlich packt ihn da auch manchmal der Ehrgeiz: Einen kaputten Toaster, den eine Frau vergangene Woche mitgebracht hat, hat er mit nach Hause genommen, um ihn dort auseinanderzunehmen. Den Fehler hat er gefunden. Leider aber nicht behoben: „Der Toaster ist leider irreparabel.“ Nun: Hauptsache, man hat es versucht.

ZUR PERSON

Peter Erlebach (58) hat die Wohn-, Bau- und Immobilienplattform wohnnet.at gegründet und vor einem Jahr seine Anteile verkauft. Nun betreibt er u.a. das Repair Café in der Löwengasse 42 in Wien Landstraße. Das Repair Café ist jeden Donnerstag ab 14 Uhr geöffnet. Unter Anleitung von Erlebach und anderen fachkundigen Helfern und gegen eine freiwillige Spende kann man dort seine kaputten Sachen reparieren: vom Föhn über den Staubsauger bis zum Thonetstockerl. Alle Informationen auf Facebook unter: /repaircafe1030wien

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.