Jazz mit Schlachtenbummlern: Harri Stojka will wieder nach Indien

Harri Stojka
Harri Stojka(c) imago stock&people (imago stock&people)
  • Drucken

Harri Stojka, als Jazz- und Gipsy-Gitarrist Stargast der Austria-Gala, hat ein neues Album, eine neue Fotoaktion – und sucht Begleiter für seine Indienreise.

Eine Küche in Ottakring. An der Wand ein Bild von Walter Schmögner, hinter der Glastür ein grüner Balkon für die Rauchpausen. In der Ecke eine Schallplattensammlung, im CD-Player Harri Stojkas neues Album, dem er nebenbei immer wieder kritisch lauscht. Stojka, seit Jahrzehnten Wiener Kulturinventar – und als solches für die gestrige Austria-Gala der „Presse“ engagiert –, hat soeben ein neues Werk vollendet.

Wenn er wollte, sagt Stojka, könnte er „jeden Tag etwas aufnehmen“: Vor zwei Jahren hat er sich von einigen schönen Stücken (Verstärker, Gitarren) getrennt und sich dafür ein Studio geleistet. Es liegt im gleichen Haus ein Stockwerk tiefer. Nach fünf Gipsy-Swing-Platten sei es nun „Zeit für etwas Neues“ gewesen. Wobei, zwischen den Stilen springe er ja immer hin und her, „aber das, wo ich mich grad wohlfühle, ist im Moment Modern Jazz“.

Daneben bereiten er und Valerie, Ehefrau und Managerin in Personalunion, eine Indienreise vor. 2010 begab sich Stojka zum ersten Mal auf Spurensuche nach Rajasthan, getrieben von der Neugier: Wo kommen die Roma her? Wie ist das Leben dort, wie die Mentalität, die Musik? Das Dorfleben in Rajasthan habe ihn dabei sehr an seine Großmutter erinnert. Sie bewohnte zeit ihres Lebens einen Wohnwagen in Floridsdorf, jede Woche gab es ein großes Fest mit allen Verwandten. „Da wurde getanzt, getrunken und gefeiert“, erinnert sich Stojka. Genau dasselbe sei in Indien passiert, „nur dass sie uns dort mit süßem Tee betrunken gemacht haben“.

„Alle Energien geben“

Das gemeinsame Musizieren sei so gut gelaufen, dass fünf Österreicher und fünf Inder spontan zu einer Band fusionierten. Im ausverkauften Gasometer habe das ein „Hexengebräu“ ergeben, Percussions wie jene der indischen Kollegen „hat man bei uns so noch nicht gesehen oder gehört“. Im November geht die Truppe nun in Indien auf Tour (Details sind noch offen, dort werde alles etwas kurzfristiger geplant). „Mal schauen, wie die Inder reagieren“, meint Stojka. „Sie lieben es jedenfalls, wenn jemand schnell spielt, an seine Grenzen geht, alle Energien gibt, die er hat.“

Er jedenfalls freut sich schon. „Ich hab schon wieder totales Fernweh. Wenn ich ein Flugzeug seh, schau ich hinauf und denk mir: ,Nehmt's mich mit!‘“ Mitnehmen will er diesmal auch Fans: am liebsten an die 40, die die Musiker „wie Schlachtenbummler“ begleiten.

Überhaupt staunt der 58-Jährige, wie jazzuntypisch breit sein Publikum sei, „vom Teenager bis zum 90-Jährigen, sogar Heavy-Metal-Fans“. Er selbst hat ja auch mit Rock begonnen. Als er 14 war, brachte ihn die Gruppendynamik zum Jazz. Erst vor Kurzem hat er wieder einmal zwei Metal-Konzerte gegeben. „Aber ich habe das Gefühl, dass die Leute lieber Jazz oder Roma-Musik von mir hören.“ So bleibt Rock sein Hobby, wie auch das Mundartdichten „über die Wiener Seele“ – für das er kürzlich einen Verlag gefunden hat.

Ab Ende nächster Woche gibt es am Hauptbahnhof auch eine Fortsetzung seiner Fotoaktion „Ich bin gegen das Wort Zigeuner“. Diese trat Stojka los, als er ein Bild von sich mit diesem Spruch auf Facebook stellte. Lang, sagt er, habe er ja nur Musik im Kopf gehabt. „Aber irgendwann fängt man an nachzudenken. Wie hat das passieren können?“ Alle aus seiner Familie waren im KZ. „Was haben die Leute gegen Roma, gegen Minderheiten? Warum ist es so schwer, sich kennenzulernen? Ist es die Hautfarbe, die finanzielle Situation? Bis heute bin ich nicht draufgekommen, um was es geht.“

Was er weiß, ist, dass er das Wort Zigeuner nicht mag. „Ich bin schon als Kind als Zigeuner beschimpft worden. Ich habe das Wort nie in positivem Zusammenhang gehört.“ Die Aktion schlug doppelt Wellen, mündete in einem Shitstorm, aber auch in internationaler Fortsetzung. Stojka sieht die Sache gelassen. Er hält sich an den Rat seines Vaters, Teppichhändler, Clanchef und Lebemann. „Man darf die Geschichte nicht vergessen, aber man muss sein Leben selbst gestalten.“

ZUR PERSON

Harri Stojka wurde 1957 in Wien geboren und ist einer der wichtigsten Jazz-Musiker Österreichs. In der Doku „Gipsy Spirit“ erkundete er 2010 die Wurzeln der Roma in Indien. Mit der Band India Express geht er nun in Indien auf Tour; Fans sind eingeladen, ihn zu begleiten. Am 3. November wird die neue CD „98 86“ im Musikvereinssaal präsentiert. Am 10. Dezember lädt er zu einer Gipsy-Swing-Session ins Café Korb. Ab nächster Woche werden auf dem Hauptbahnhof Fotos von Sabine Hauswirth der Aktion „Ich bin gegen das Wort Zigeuner“ gezeigt.

Web:www.harristojka.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.