Gestrickter Erfolg: Ein Geschäft voller Hauben

Dörte Kaufmann
Dörte Kaufmann(C) Dörte Kaufmann/ Rudolf Strobl
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Dörte Kaufmann verkauft in Margareten vor allem eines: Mützen. Produziert werden sie von Damen ab 60 in der Strickwerkstatt Fadenwerk.

Sie heißen Alma oder Hertha, Milli oder Flörchen, sind nach ihrer Großmutter benannt oder aber nach jener Strickerin, die auf das jeweilige Modell spezialisiert ist: Bei Dörte Kaufmann in der Kettenbrückengasse gibt es vor allem eines: Hauben. Und Schals, Dreieckstücher, Krägen und Handschuhe, alles gestrickt, aus natürlichen Fasern, fair gehandelt oder, wie die Schurwolle, von kleinen Familienbetrieben bezogen. Stücke, die sie immer wieder auch auf Modenschauen zeigt. Wie heuer auf der Vienna Fashion Week.

Seit fünf Jahren lebt die gebürtige Darmstädterin mit ihrem Label in Wien, seit September führt sie ihr neues Geschäft. Als Quereinsteigerin in die Branche. Eigentlich hatte sich Kaufmann ja nur durch die Abschlussarbeit ihres Studiums (in Kunstgeschichte und Niederlandistik) „durchgestrickt“. Weil es so schön viele kleine Erfolgserlebnisse bringt. „Man sagt, es ist wie Yoga – und das stimmt auch.“

Dass sie die Arbeit damals über Abbildungen von Textilien schrieb, war vielleicht schon ein Zeichen in die spätere Richtung. Tatsächlich begann sie erst einmal in Galerien zu arbeiten (etwa auch bei Heike Curtze in Berlin). Doch die Kunst, sagt sie heute, „ist nicht meine Welt“. Dafür war inzwischen in einem Traum die erste Haube aufgetaucht. „Ich habe sie gestrickt. Ab da habe ich immer öfter von Hauben geträumt und sie umgesetzt.“ Und dann fand sie in einem Siebzigerjahre-Strickbuch noch die „Teufelsmütze“. Eine Freundin beantragte ein Exemplar mit dicker Wolle ohne Spitze – das immer mehr Menschen haben wollten.

Seit 2002 verkauft Kaufmann ihre Hauben online – allerdings langsamer als gedacht. Man müsse sie, angesichts von Preisen ab 65 Euro, einfach probieren. Massenware seien die Mützen keine. „Dazu war mein Anspruch immer zu hoch. Bei mir fließt sehr viel Zeit in jedes Stück.“ Ihre Kundinnen seien urbane Frauen mit Sehnsucht „nach etwas Wertigem, bei dem man spürt, dass es nicht auf einem Baum gewachsen ist.“ Und viele hätten es gern warm, an den Nieren oder am Handgelenk.

2006 hat sie auf dem Weihnachtsmarkt in der elterlichen Heimatgemeinde die erste Mitarbeiterin rekrutiert, die etwas strenge Norddeutsche gehöre seither „zu den Grundfesten“ ihres Unternehmens. Es sei „schön zu sehen, wie die Frauen aufblühen, wenn sie in etwas involviert werden. Das Gefühl, gebraucht zu werden, ist ein wichtiger Lebensmotor.“ Soeben hat sie den Verein Fadenwerk Wien gegründet, mit dem sie ihre Produktion auch anderen Auftraggebern zugänglich macht. Strickerinnen „zwischen Mitte 50 und Mitte 80“ verdienen sich hier ein Zubrot – eine moderne Variante der altbekannten Heimarbeit.

Wohlfühlen als oberstes Ziel

Nach Österreich war Kaufmann ihrer Intuition gefolgt. „Ich wollte aus Berlin weg, wo man alles und gar nichts hat. Diese Hipster-Geschichte hat mich nicht mehr interessiert.“ In Wien seien Beziehungen beständiger. Hier macht sie nun „Dinge, die man nutzen kann. Mit Aspekten, die vielleicht nicht Teil der aktuellen Fashion sind, die aber bewirken, dass die Trägerin sich wohlfühlt.“ Das mit der Fashion, habe sie festgestellt, sei für viele Frauen „gar nicht relevant“.

Unter dem Titel „Schön ist schön“ hat sie außerdem Workshops gestartet, bei denen es um Selbst- und Fremdwahrnehmung geht. Und auch wenn sie nun erstmals ganz allein ein Geschäft betreibt: Kooperiert wird weiterhin. Der Vintage-Laden Bananas ist ihr Nachbar, ihr Geschäft ist mit seinen Möbeln eingerichtet, die man (erkennbar an einer gehäkelten Banane) auch kaufen kann. „Dinge zusammenbringen“, sagt sie, „das mach ich sehr gern.“

ZUR PERSON

Dörte Kaufmann wurde in Darmstadt geboren und führt seit 2009 das nach ihr benannte Stricklabel, seit Kurzem in der Kettenbrückengasse 17. Produziert wird von Strickerinnen, die großteils aus dem ersten Arbeitsmarkt ausgeschieden sind. Über den Verein Fadenwerk können nun auch andere Modedesigner Aufträge an sie vergeben. Der Verein trifft sich in der Drascheestraße 93–95, 1230 Wien. Jeden Dienstag, 10–12 Uhr, findet dort eine offene Strickrunde statt. Am 4. November wird um 19 Uhr in der Kettenbrückengasse der Auftakt gefeiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2015)

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