Moretti über Trenker: „Phänomen mit Fragwürdigkeiten“

Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit
Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit(c) ORF (Christian Hartmann)
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Tobias Moretti über seine Rolle als Luis Trenker in „Der schmale Grat der Wahrheit“, Hitlers Verehrung für Trenker und die Idealisierung der Berge.

Die Presse: Haben Sie Luis Trenker je getroffen bzw., was haben Sie mit ihm verbunden?

Tobias Moretti: Gesehen habe ich ihn nur einmal in Bozen, zufällig. Ich war damals Student, ein stattlicher älterer Herr ging an mir vorbei. Er hat mich nicht wirklich interessiert. Als Kind hatte ich natürlich seine Bergfilme gesehen, und später bin ich auch über seine Fernsehg'schichtln gestolpert, die fand ich etwas absurd. Aber diese Bergfilmdramatik, die man mit ihm verband, gehörte einfach zu den verregneten Fernsehsonntagen der Kindheit.

Um welche Wahrheit(en) geht es beim „Schmalen Grat der Wahrheit“?

Erstens um den schmalen Grat der subjektiven Interpretation seiner eigenen Geschichte. Trenker hat sich seine Wahrheit immer selber zurechtgezimmert, indem er mit einer ungeheuren Emphase alles ins Positive blendete und alles, was ihm nicht ins Bild passte, konsequent ausblendete. Mit der historischen Wahrheit, wenn man das so nennen will, hatte das nur in Umrissen zu tun. Um diese Diskrepanz geht es, unter anderem.

Wie wahr ist das Trenker-Bild, das man in Österreich und Südtirol bisher hatte?

In Südtirol ist sein Bild wohl immer schon zwiespältig gewesen, unter den Bergsteigern sowieso. In Deutschland ist seine Selbst- und Heimatinszenierung vielleicht sogar unkritischer aufgenommen worden als daheim. Erst später, nach seiner Fernsehreihe „Luis Trenker erzählt“, die für die Südtiroler und Tiroler einen enormen touristischen Aufschwung mit sich brachte, hat man ihn neu geehrt und etabliert.

Was war Ihnen selbst neu?

Wie sehr er politisch taktiert hat, also abwechselnd Goebbels und Mussolini umworben hat, wusste ich nicht. Auch dass er optiert hat, war mir nicht bekannt, er hat ja selbst das Gegenteil behauptet. Und die Geschichte mit den Tagebüchern, die unglaublich ist (die auch seinen schmalen Grat der Wahrheit repräsentiert). Von der Affäre mit Leni Riefenstahl wusste ich, aber nicht, wie verflochten die beiden waren.

Was für ein Mensch ist Trenker für Sie?

Ein Emphatischer, von seiner Arbeit und seinem Ehrgeiz Besessener, ein Opportunist – dabei aber durchaus faszinierend, zum einen als Filmpionier, zum anderen ein Phänomen mit seinen Fragwürdigkeiten. Ein Geschichtenerzähler, bei dem man sich gar nicht mehr fragt, wie viele seiner Geschichten er selbst geglaubt hat, weil man sie ihm als Zuhörer selber glaubte, auch wenn man das Gegenteil wusste.

Hatten Sie Bedenken, jemanden zu spielen, über den es immer wieder neue Enthüllungen geben kann?

Das ist ja kein Kriterium. Ich hatte zunächst andere Bedenken, etwa dass man aus dem Film ein Heldenepos vor imposantem Bergpanorama machen könnte. Nach vielem Hin und Her wurde es schließlich das, was es jetzt ist. Und dass es Murnberger gelungen ist, diese ironische Distanz in die Figur und in die Geschichte zu bringen, macht den Film besonders. Er ist ja nicht unkomisch, trotz seines Themas.

Hitler soll Trenker verehrt haben, ehe er in Ungnade fiel. Können Sie beides nachvollziehen?

Ja, aber da muss man genauer sein. Hitler hat Trenkers Film „Der Rebell“ in den 20ern geliebt, und dieser Film hatte eine ganz eigene dramatische Freiheitsromantik, obgleich er mit den damals modernsten Stil- und Filmmitteln gemacht war, ja fast mit opernhaftem Expressionismus gespielt hat. Trenker verkörperte ein sehr traditionelles Männerbild: maskulin, dominant, kraftvoll, aber sensibel, im Jargon der Zeit hätte man „schneidig“ gesagt. Das passte gut in die Ideologie. Sogar seine Kapitalismus-Kritik im „Verlorenen Sohn“ kam den Nazis sehr gelegen. Später hat man gemerkt, dass man diese Menschenmischung aus Naivität, Kalkül und Tiroler Eigensinn nicht dauerhaft domestizieren kann, deswegen hat ihn Goebbels abserviert.

Wie schmal ist der Grat zwischen Liebe zur Bergwelt und ihrer falschen Idealisierung?

Nur für den Blick von außen kommt es zur Idealisierung. Die Berge haben ihre eigene Kraft, ihre eigene Mystik, ihre eigene Welt und ihre eigene Ungnädigkeit. Nur weil man in einem medienurbanen Zeitalter manche Dinge nicht versteht, heißt das nicht, dass es eine falsche Idealisierung nach sich ziehen muss.

ZUR PERSON

Luis Trenker (*4. Oktober 1892 in St. Ulrich; † 12. April 1990 in Bozen) war Bergsteiger, Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller. Bekannt geworden ist er für seine Filme über die Alpen – sie faszinierten Adolf Hitler und Benito Mussolini. Sein Filmschaffen in Italien erfüllte die ideologischen Erwartungen Mussolinis. Nach dem Zweiten Weltkrieg positionierte sich Trenker als Regimegegner. Tobias Moretti deckt in der Rolle alle Facetten Trenkers auf – auch das Verhältnis zu Leni Riefenstahl. Wolfgang Murnberger führte Regie. 18. 11., 20.15 Uhr, ORF 2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2015)

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