Lech: Tanzen in den Discogondeln

(C) Fantastic Gondolas
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Fantastic Gondolas findet zum fünften Mal in Lech am Arlberg statt. Die Hamburgerin Andrea Junker bringt nicht nur Seilbahnen zum Schwingen.

Die dunklen Zeiten, als der DJ zur Kellerexistenz und einem damit verbundenen Vitamin-D-Mangel verdammt war, sind glücklicherweise vorbei. Längst ist auch diese Berufsgruppe an Licht und Luft gekommen. Die schicke Poolparty findet längst nicht nur bei Playboy-Boss Hugh Hefner statt. Auch Phänomene wie Technoparaden und Snow Raves sind gut für den Teint der Plattenreiter. Dass diese neuerdings auch in Gondeln mixen, dafür ist die Hamburgerin Andrea Junker verantwortlich.

Seit fünf Jahren bucht sie die Acts für eine vom Zürser Bergdoktor Christof Murr ersonnene Veranstaltung, die als Cineastic Gondolas begonnen hat. Lag, wie der Name sagt, der Fokus zunächst auf der Projektion von Filmen, so verschob sich dieser nun Richtung Musik. Wird tanzen, nun unter dem neuen Signet Fantastic Gondolas, zum gefährlichen Drahtseilakt? „Nein, keineswegs“, beruhigt Junker, „einzig Seitenwind wäre gefährlich. Unsere Discogondeln sind wahnsinnig populär. Viele Besucher fahren gleich mehrmals bergan und -ab. Durchs Tanzen schaukeln sie zwar ein wenig, aber Angst muss niemand haben.“ Bei diesem logistisch höchst anspruchsvollen Ein-Tages-Festival kommt die gebürtige Flachländerin so richtig auf Betriebstemperatur.

Sie hat das Business von der Pike auf gelernt. Die Eltern hatten eine Diskothek in Hamburg. Erste Meriten verdiente sie sich als DJane in der Hansestadt Lübeck, wo sie maturierte. Einen konkreten Plan fürs Leben hatte sie danach nicht. Wie denn auch? War sie doch damals Punk. An die Zukunft zu denken, galt als spießig. Lieber legte sie im Lübecker Hüx auf und machte sich einen Namen mit Hardcore.

Bald versuchte sie sich als Musikjournalistin, als Radiomacherin und selbst als Plattenverkäuferin. Letzteres machte sie, „um mir zu beweisen, dass ich jeden Tag zur selben Zeit wohin gehen kann. Es war so langweilig, dass ich fast gestorben wäre. Nach der ersten Inventur hab ich gekündigt“, ächzt sie heute noch. Den ersten wirklich guten Job in der Musikindustrie übernahm sie in Frankfurt: A&R bei Phonogramm. Einziger Wermutstropfen: Sie hatte hauptsächlich mit Heavy-Metal-Bands zu tun.

Aufregender waren die aufkommenden neuen Musikgenres Electronic Body Music (EBM) und Acid House. An den Wochenenden reiste sie nach Hamburg und verätzte den Teens damit die Gehörgänge. Aus Underground wurde bald Mainstream. Mitte der Neunzigerjahre übernahm Junker auf VIVA die Redaktion des Musikmagazins „Housefrau“. Die heuer für Fantastic Gondolas gebuchten Stars wie DJ Hell und Patrick Pulsinger kennt sie von damals.

Besonders gern erinnert sich Junker an ihre Zeit bei einem Musicalgroßveranstalter, wo sie ihre autodidaktisch erworbenen Kenntnisse auf Techo-Großevents wie Sensation White auf Schalke anwenden konnte. „Großveranstaltungen und Events, wo die Logistik schwierig ist, sind mein Spezialgebiet.“ Ins Chaos Struktur zu bringen, ist ihre Leidenschaft. Bei der Programmgestaltung ist ihr Vielfalt ein Anliegen. „Das Publikum in Lech ist sehr heterogen. Dem trage ich Rechnung. Megatrends gibt es ja schon lange keine mehr. Heute läuft alles parallel“, befindet sie und bucht Disco und Funk, Jazz und Klassik und natürlich Techno und House. Manche Künstler kommen in Doppelfunktion.

Das Motto dieses Jahres? Liebe!

Die Fotografin Katja Ruge präsentiert sich in ihrem Programm „Kann denn Liebe Synthie sein“ auch als witzig agierende Electro-Pop-DJane, und der berühmte Berliner Pop-Art-Maler Jim Avignon wird als Ein-Mann-Kombo Neoangin antreten.

Projektionen auf Schnee und interaktive Kunstinstallationen runden das Programm ab. Gerade weil das Motto heuer „Liebe“ lautet, setzen einige Künstler sozialkritische Akzente. Junker, die jüngst ein Benefizevent für Syrien-Flüchtlinge in der Pratersauna ausrichtete, sieht den alpinen Hedonismus positiv: „Unsere Gesellschaft ist gar nicht so selbstbezogen. Wichtig ist, nicht nur Materielles zu teilen, sondern vor allem die Lebensfreude.“

AUF EINEN BLICK

Fantastic Gondolas, The Love Edition

Am 12. Dezember, Rüfikopfbahn, Lech am Arlberg. Sound: DJ Hell, Patrick Pulsinger, Daniel Miller, Katja Ruge u.v.m.

Liveacts: Ski-Schuh-Tennis Orchestra, Neoangin, Dapayk & Padberg.

Kunst: Jim Avignon, Katja Ruge, Marco Manzoni u.v.m. Visual Art: Starsky, Neon Golden, Emanuel Andel. www.fantasticgondolas.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2015)

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