Abbauen, durchatmen, feiern: Ein Preis für die Unermüdlichen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Train of Hope. Die Helfer vom Hauptbahnhof erhalten den Preis der Liga für Menschenrechte – und wollen ihre Flüchtlingshilfe zur fixen Einrichtung machen.

Wien. Es ist fast eine traurige Arbeit, die die Helfer vom Train of Hope dieser Tage erledigen. „Es bricht uns ein bisserl das Herz, wenn wir jetzt die Kisten packen – mir kommen die Tränen, wenn ich nur daran denke“, sagt Martina Barwitzki vom Organisationsteam. Nach dreieinhalb Monaten brechen die Helfer derzeit ihre Zelte ab, seit Wochen kommen kaum noch Flüchtlinge am Hauptbahnhof an, der Train of Hope macht quasi Winterpause. Aufhören wollen die Helfer aber nicht. Hatten sie ohnehin nie vor, aber nachdem sie heute, Freitag, mit dem Preis der Liga für Menschenrechte ausgezeichnet wird, gehe das ohnehin nicht mehr.

Der Preis ist einerseits Motivationsschub – und zugleich Verpflichtung weiterzumachen, sagt Barwitzki. „Das Interesse ist jetzt ähnlich stark wie am Anfang, die Leute lassen uns sowieso nicht aufhören.“ Und es sei ein Anlass, das, was in den vergangenen Monaten passiert ist, kurz Revue passieren zu lassen. In der akuten Phase war dafür wenig Zeit, Barwitzki spricht von einer Art „Grunderschöpfung“ unter den Helfern. Nun spricht sie von einer Art „Bewusstwerden“: „Wir waren uns selbst oft nicht im Klaren, was wir da ausgelöst haben.“ Der Train of Hope, die spontan und ohne große NGOs organisierte Hilfsbewegung, steht nun für das Phänomen der spontanen Flüchtlingshilfe in diesem Herbst. „Die Dynamik, dass in einer Notsituation so etwas wachsen kann, dass eine Art Familie entsteht aus Leuten, die sich sonst nie kennengelernt hätten. Von 16 bis 60 Jahren, aus allen Schichten, Berufen, Religionen“, beschreibt Barwitzki. „Die Eigendynamik, was die Zivilgesellschaft schnell leisten kann, wenn die Politik noch hilflos ist“, sei für ihn das Beeindruckendste, sagt Yannick Wagner.

Der Großteil der Helfer hatte mit Flüchtlingshilfe zuvor nichts zu tun. Martina Barwitzki erzählt, sie sei damals spontan zum Bahnhof gekommen, als sie auf Facebook las, es würden hunderte Flüchtlinge ankommen und es sei niemand da, der diesen weiterhelfe. Aus dem spontanen Verteilen von Wasserflaschen ist eine Struktur mit diversen Stationen – Lazarett, Kleider- und Essensausgabe oder Kinderecke – gewachsen. Und für die Helfer quasi ein Zweitjob – oder mehr.

„Krass, was du da erlebt hast“

In manchen Wochen habe er mehr als 90 Stunden am Bahnhof verbracht, erzählt Yannick Wagner. Sein Dolmetschstudium hat er dafür relativ auf Eis gelegt. Martina Barwitzki, eigentlich PR-Managerin, hat ihren Job ebenfalls sehr reduziert, in Summe wurden am Hauptbahnhof hunderttausende Arbeitsstunden geleistet. Das Potenzial soll nun weiter genutzt werden. Es gehe darum, Flüchtlingen beim Ankommen zu helfen, sagt Barwitzki. Im Oktober wurde jedenfalls ein Verein gegründet, wie genau es nun weitergeht, das diskutiert das Kernteam aus 50 bis 80 Leuten derzeit. Vorerst ist aber Zeit zum Feiern – 400 Freiwillige haben sich zur heutigen Verleihung des Menschenrechtspreises angekündigt.

„Das ist eine gute Gelegenheit, untereinander Danke zu sagen, es wird sicher sehr emotional. Aber es ist auch einmal wichtig fürs Verarbeiten zu sagen: Das ist schon krass, was du da alles erlebt hast.“

AUF EINEN BLICK

Train of Hope ist eine spontan im September entstandene Bewegung von (in Summe mehr als 1000) Freiwilligen, die auf dem Wiener Hauptbahnhof die Versorgung von Flüchtlingen übernommen haben. Der Train of Hope steht damit für die spontanen Initiativen zur Flüchtlingshilfe, die sich besonders in diesem Herbst gebildet haben – quasi stellvertretend für alle Freiwilligen werden die Helfer vom Train of Hope heute, Freitag, mit dem diesjährigen Preis der Liga für Menschenrechte ausgezeichnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2015)

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