"Arbeit statt Charity": Luxus mit Fairtrade-Siegel

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In Caterina Occhios Label SeeMe stellen weibliche Gewaltopfer herzförmigen Schmuck für das Luxussegment her. Grüne Mode einmal anders.

Man wundert sich fast, dass nicht schon früher jemand auf diese Idee gekommen ist. Auch bei Caterina Occhio war es eher ein Produkt des Zufalls. Einst als Frauen- und Menschenrechtsexpertin der EU auf der ganzen Welt unterwegs, überraschten sie bei einem Besuch in Tunesien die handwerklichen Fertigkeiten der dortigen Schmuckmacher. Goldschmiede haben in arabischen Ländern eine Jahrhunderte alte Kultur und genießen hohes Ansehen. Und da sehr viele von ihnen wegen des Arabischen Frühlings arbeitslos waren, beschloss Occhio kurzerhand, aus der Not eine Tugend zu machen, und gründete das Label SeeMe. Seither stellen dort weibliche Opfer von häuslicher Gewalt herzförmigen Schmuck her – Ringe, Armbänder und Halsketten. Ausgebildet werden die Frauen von erfahrenen Goldschmieden, die durch die revolutionsbedingte Krise ihre Arbeit verloren haben.

„Es geht dabei nicht um Charity, sondern um Arbeit“, betont Occhio. „Wir wollen den Frauen keine kurzfristige Hilfe, sondern eine langfristige Perspektive bieten, damit sie neuen Lebensmut schöpfen und ihren Platz in der Gesellschaft finden.“ Demnächst würden die ersten beiden Frauen ihre zweijährige Ausbildung zur Goldschmiedin beenden. „Unser Engagement geht sogar über eine Festanstellung hinaus. Wir helfen den Frauen bei Behördengängen und besorgen ihnen einen Anwalt, wenn sie geschlagen oder vergewaltigt wurden und das zur Anzeige bringen wollen.“

Manche dieser Frauen hätten nicht einmal eine Geburtsurkunde oder einen Pass. „Wenn du keine Papiere hast, kannst du nicht wählen und mitbestimmen. Und wenn du nicht wählen kannst, existierst du nicht“, sagt Occhio. „Wer also unseren Schmuck kauft, gönnt sich selbst nicht nur etwas Schönes, sondern ermöglicht von Gewalt betroffenen Menschen ein schöneres, würdevolles Leben.“ Fair Lux nennt sie dieses Konzept, also fairen Luxus. Das Label verfügt über das Fairtrade-Siegel, erfüllt somit alle zehn Kriterien der World Fair Trade Organization (WFTO).

„Einer aktuellen Studie zufolge sind 20 Prozent der Kunden im Luxussegment bereit, Geld für Artikel mit sozialem Anspruch auszugeben“, erzählt Occhio. „Diese Kunden wurden bisher sträflich vernachlässigt. Es gab eine Nachfrage ohne Angebot. Dieses immense Potenzial spüren wir am großen Erfolg unserer Schmucklinie, die Mundpropaganda ist ausgesprochen stark. Frauen sehen die Herzen an anderen Frauen und wollen sofort selbst eines haben.“

„Gewalt mit Liebe durchbrechen“

Die meisten Kunden stammen bisher aus Asien und Europa, hier wiederum aus Deutschland und den skandinavischen Ländern. Die USA sollen demnächst folgen. In Österreich sind die Herzen seit vergangener Woche im Steffl Department Store (Accessoires Floor) in der Wiener Kärntner Straße erhältlich. „Mir ist wichtig, dass meine Partner unsere Vision verstehen und mittragen. Es geht nicht nur um Geld. Geld ist wichtig, ja. Aber nicht alles“, sagt die gebürtige Italienerin, die mittlerweile in den Niederlanden lebt.

Auch sie trägt ein Herz um den Hals. „So habe ich meine Botschaft ständig bei mir. Nämlich die, dass wir den Kreislauf der Gewalt mit Liebe durchbrechen wollen.“

AUF EINEN BLICK

Fairer Luxus. Caterina Occhios Label SeeMe unterstützt weibliche Opfer von häuslicher Gewalt in Ländern wie Tunesien und dem Libanon. Die Frauen stellen herzförmigen Schmuck in Handarbeit her, die bisher in Asien und Europa verkauft werden, bald aber auf der ganzen Welt erhältlich sein sollen. In Österreich bietet der Steffl Department Store in der Wiener Kärntner Straße die Kollektion ab sofort an. [ Giovanni Castel ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2015)

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