Phänomene 2015: Vom Selfiestick bis Stinkefinger

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Gelbe Kreaturen. Erwachsene, die Bücher ausmalen. Politiker, die mit Taferln posieren und deswegen verarscht werden. Die popkulturellen Phänomene des Jahres 2015.

"Star Wars" kam ein bisschen zu spät. Natürlich war der siebente Teil der Saga der popkulturelle Höhepunkt des Jahres. Und im Weihnachtsgeschäft machten sich Kylo Ren, Yoda und der omnipräsente Darth Vader auch massiv bemerkbar. Doch da der Film erst im Dezember startete, hatten einige andere Phänomene mehr Zeit, sich auszubreiten. Ein Überblick über die popkulturellen Phänomene des Jahres.

Minions

Müsste man jedem Jahr eine Farbe zuordnen, so wäre 2015 ohne Zweifel gelb. Denn es gab vor allem in den Sommermonaten kaum mehr eine Gelegenheit, den Minions zu entkommen. Die kleinen gelben Figuren, die an die Plastikkapseln aus den Überraschungseiern erinnern, tauchten überall auf. Im Kino, als Helden ihres eigenen Films, aber auch als penetrantes Merchandising, von Tic-Tac-Zuckerln bis zu Butterkeksen in Minionform. Und sie nervten mit Tollpatschigkeit und sprachlichem Minimalismus, dessen linguistischer Höhepunkt im Wort „Banane“ bestand. Man konnte gar nicht anders, als sie furchtbar finden – oder auch nicht. Denn eigentlich sind sie doch ganz putzig.

Das #dressgate

Müsste man jedem Jahr eine Farbkombination zuordnen, so wäre 2015 ohne Zweifel blau-schwarz. Oder weiß-gold. Diese beiden Kombinationen spalteten Anfang des Jahres Millionen von Internetusern in zwei Lager. Unter dem Hashtag #dressgate diskutierten sie, ob ein Abendkleid auf einem Foto blau-schwarz oder weiß-gold ist. Es kursierten die wildesten Theorien, dass Optimisten die Welt anders als Pessimisten sehen, dass die Farbe von den Bildschirmeinstellungen abhängt und vieles mehr. Am Ende klärten Forscher, was dahintersteckt. Da man beim Betrachten des Bildes nicht weiß, ob es im Licht oder im Schatten entstand, muss das Gehirn diese Annahme treffen. Und je nachdem kommt die eine oder die andere Kombination zum Tragen. Was aber nichts daran ändert: Das Kleid war eindeutig blau und schwarz.

Selfiesticks

Müsste man jedem Jahr ein technisches Spielzeug zuordnen, so wäre es 2015 ohne Zweifel der Selfiestick. Tausende von Touristen stapften damit durch das Weltgeschehen, sorgten für eine neue Fotoästhetik – und für Schwierigkeiten. Denn die Teleskopstange im Handgepäck könnte ja als Waffe dienen. In Vergnügungsparks und Museen, zum Teil auch in Zoos, ist sie mittlerweile verboten. Nichtsdestotrotz werden wohl auch 2016 zahllose Touristen in die Smartphones am anderen Ende der Stange grinsen.

GIFs

Müsste man jedem Jahr ein Dateiformat zuordnen, so wäre das 2015 ohne Zweifel das GIF. Das Graphics Interchange Format gibt es seit bald 30 Jahren, doch feiert es nun gerade wieder eine Renaissance. Kurze Bewegtbilder haben sich vor allem auf Facebook zur neuen digitalen Ausdrucksform entwickelt, mit der man – besser als mit Worten – Gefühle vermitteln kann. Ein tanzender Putin, ein Mädchen beim Kopfschütteln – unzählige dieser kleinen Endlosschleifen tauchen derzeit im Netz auf. So wie auch Anleitungen, wie man animierte GIFs selbst erstellen kann. Allerdings: Linguisten und Pädagogen warnen, dass sich die Jugend irgendwann überhaupt nicht mehr mit Worten ausdrücken kann.

Taferlgate

Müsste man jedem Jahr ein innenpolitisches Glanzstück zuordnen, so wäre das 2015 ohne Zweifel das sogenannte #taferlgate. VP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, Integrationsminister Sebastian Kurz und Justizminister Wolfgang Brandstetter posierten mit ernsten Gesichtern und einem Taferl, auf dem sie den „ÖVP-Aktionsplan Asyl“ präsentierten. Es dauerte nicht lang und im Netz tauchten hunderte Parodien auf, bei denen alles Mögliche auf das Taferl geschrieben und gezeichnet wurde. Für die Minister ein Lerneffekt: Du sollst nicht mit einem Taferl posieren.

Böhmermann-Stinkefinger

Müsste man jedem Jahr einen Finger zuordnen, so wäre es 2015 ohne Zweifel der Mittelfinger. Jener des griechischen (Ex-)Finanzministers Yanis Varoufakis, nämlich. Der wurde in einem Video in Richtung Deutschland gerichtet und sorgte dort für helle Entrüstung. Allein, ZDF-Neo-Moderator Jan Böhmermann rückte zum Videobeweis aus, dass der Stinkefinger für Deutschland ein Fake ist. Und verunsicherte damit Deutschland für mehrere Tage. Am Ende war dann doch klar – Böhmermann hatte das Video manipuliert, der Stinkefinger war echt. Doch es blieb die Erkenntnis, dass man mittlerweile sehr vorsichtig damit sein muss, seinen eigenen Augen zu trauen.

Malbücher für Erwachsene

Müsste man jedem Jahr ein seltsames Hobby zuordnen, so wäre es 2015 ohne Zweifel das Ausmalen von Malbüchern. Wobei hier von Malbüchern für Erwachsene die Rede ist. Plötzlich machten sich erwachsene Menschen mit Bunt- und Filzstiften über Schwarz-Weiß-Zeichnungen her, um sie liebevoll zu kolorieren. Eine Form der Entspannung, des Abschaltens, für manche vielleicht auch eine spirituelle Befreiung. Und für einige mag es auch eine Möglichkeit sein, aus gewohnten Bahnen auszubrechen – schließlich kann man seine Figuren dann genau so ausmalen, wie man sie gern hätte. Ein Minion in Grün zum Beispiel. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2015)

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