Seiler & Speer: „Wir sind dort, wo der Grund ist“

Seiler & Speer
Seiler & Speer(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Dem Duo glückte mit tiefem Schmäh ein erstaunlicher Höhenflug. „Ham kummst“ wird jetzt auch in Süddeutschland gegrölt.

Ham kummst“ war das heimische Popphänomen des abgelaufenen Jahres. Das in einem Hinterhof der Wiener Burggasse gedrehte Video kratzt auf YouTube an der Acht-Millionen-Klick-Marke. Der Song selbst ist seit 38 Wochen in den Charts. Zweimal hat er bislang die Spitze übernommen. Besonders schön: Er hat Teflon-Soul-Lady Adele von Platz eins verdrängt. Ihre Urheber, Seiler & Speer, zwei grobkörnige Burschen aus dem feinstaubgewürzten Industrieviertel Niederösterreichs, machten damit längst nicht nur Fräuleins mit Frustrationsprofil wurlert.

Selbst die hoch angesehene „Süddeutsche Zeitung“ streute den beiden jüngst Rosen, weil in diesem Song „ so viel Herz zu spüren ist“. Ihre Fühler nach Deutschland ausstrecken wollen Seiler & Speer dennoch nicht. Aber ein wenig wundern tut sie der Erfolg der Konsenspöbelband Wanda beim Nachbarn doch. Seiler, virtuos grantelnd: „Das, was die singen, das ist kein Wienerisch. Die spielen das nur. Wenn du im Beisl im zehnten Bezirk so sprichst, dann liegst du in kürzester Zeit mit einem Fisch (Messer, Anm. Red.) im Bauch vorm Lokal.“ Die Fühlung mit dem Proletariat war Christopher Seiler schon wichtig, als er noch in den Schreibstuben des Wiener Neustädter Magistrats arbeitete und sich gewerkschaftlich engagierte. Nach weiteren beruflichen Verirrungen probierte er sich via YouTube als Kabarettist.

Unter dem Radar der etablierten Medien hob eine Karriere mit urigen, politisch meist unkorrekten Figuren an. Eine davon führte zur Bekanntschaft mit Bernhard Speer. Es war „da Koda“, ein Schlurf à la Snoop Dogg, dessen würzige Sentenzen mit Wackelkamera festgehalten wurden. „Naiverweise dachte ich, als Betreiber einer Videofirma, dem das sehr taugte, dass ich ihm bei der filmischen Umsetzung helfen könnte. Er hat nie geantwortet.“

Kennen gelernt hat man sich ein halbes Jahr später dennoch. Eine andere Figur ist „Anton Horvath“, dessen hackenstade Abenteuer mittlerweile zwei DVDs füllen. „Einen Bürgerlichen hab ich noch nie gespielt“, sagt Seiler stolz, „Humor braucht Grenzüberschreitung. Das geht am besten aus der Perspektive des Outlaws. Ein Hofrat kann nicht lustig sein.“ Direkte Vorbilder hat er keine. Qualtinger nennt er seinen Gott. Er freut sich über die früh von Lukas Resetarits ausgesprochene Wertschätzung und nennt noch Roland Düringer als Einfluss.

Zöpfchen im Bart sind bei Seiler aber nicht geplant. „Der Düringer darf machen, was er mag. Er war der erste Kabarettist mit Rockstar-Attitüde. Er hat die Kleinkunst auf die große Bühne gebracht.“

Dorthin zieht es auch Seiler & Speer. Im Herbst sind Konzerte in der Wiener und in der Grazer Stadthalle geplant. Bezüglich einer guten Befüllung dieser Kästen sind sie zuversichtlich. „Wir haben den Gasometer in einer halben Stunden ausverkauft. Und das war vor dem Hype um ,Ham kummst‘.“ Die großen Plattenfirmen lockten vergeblich. „Das sind doch alles Marionettenspieler. Wir waren nicht so blöd und haben einen für uns ungünstigen Vertrag unterschrieben. Einfach, weil wir uns nicht sagen lassen wollen, wann und wie etwas gemacht werden muss.“

Wyclef Jean und Ostbahn-Kurti

Ihre Lieder entstehen auf ganz lockere Art. Nicht selten im Büro in Bad Vöslau. „Am Anfang steht ein Gitarrenriff, den Text tüfteln wir gemeinsam aus.“ Seiler musste sich überhaupt erst eine Singstimme erfinden. „Ich hab mir gedacht, ich verbinde das Rauchige von Wyclef Jean mit dem ein bisserl Tiefen von Ostbahn-Kurti.“ Das glückte auch auf anderen pfiffigen Songs des nun auf dem eigenen Label Joke Brothers erschienenen Debütalbum hervorragend. Einige Songs, wie etwa das schöne „Bonnie und Clyde“, sind von entspannt karibischer Anmutung.

Reggaefans sind sie aber keine. Speer liebt Metal, Seiler den melancholischen Ludwig Hirsch. Mit „Ham kummst“ haben sie nun selbst einen Austropop-Klassiker geschaffen. So etwas führt zu so denkwürdigen Engagements wie dem Auftritt bei der jüngsten Weihnachtsfeier von Rapid Wien. Den Auftritt begann Seiler mit einer Provokation, dem Öffnen einer Red-Bull-Dose. Es wurde dennoch ein Heimspiel. Weil: „Wir sind dort, wo der Grund ist. Das verstanden die Rapidler sofort.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2016)

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