Jennifer Jason Leigh: "Quentin ist ein sehr guter Autor"

Actress Jennifer Jason Leigh arrives at The Weinstein Company & Netflix Golden Globe After Party in Beverly Hills
Actress Jennifer Jason Leigh arrives at The Weinstein Company & Netflix Golden Globe After Party in Beverly HillsREUTERS
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Im neuen Tarantino-Film "The Hateful 8" spielt Jennifer Jason Leigh die lebendige Beute von Schauspieler Kurt Russell. Am Set, sagt sie, hatte sie Spaß wie selten zuvor.

Als sie 1982 mit 20 Jahren in der College-Kultkomödie „Ich glaub', ich steh' im Wald“ („Fast Times at Ridgemont High“, mit dabei waren auch u. a. Sean Penn, Forest Whitaker und Nicolas Cage) ein liebeshungriges Schulmädchen gab, riss das den legendären Filmkritiker Roger Ebert zu Begeisterungsstürmen hin: „Ich hoffe, ihr wisst alle, dass ihr da einen Superstar vor euch habt!“ Doch die unkonventionelle Jennifer Jason Leigh (Jason ist eine Hommage an ihren väterlichen Freund, den Schauspieler Jason Robards) verweigerte sich den Glamourkonventionen, behielt ihr schiefes Grinsen und suchte sich stets spannende, ungewöhnliche Randfigurenrollen, wie in „Letzte Ausfahrt Brooklyn“, „Weiblich, ledig, jung sucht . . .“ und „Mrs. Parker und ihr lasterhafter Kreis“. Nun holte sie sich Quentin Tarantino als einzige Frau ins titelgebende Ensemble seines neuesten Films „The Hateful 8“ (ab 21. Jänner im Kino). Und in Charlie Kaufmans Oscar-nominiertem Animationsmeisterwerk „Anomalisa“ gibt sie der weiblichen Hauptfigur die Stimme.

Sie haben schon einige Male animierte Figuren synchronisiert, aber in „Anomalisa“ erstmals für ein dezidiert erwachsenes Publikum. Wie war diese Erfahrung für Sie?

Jennifer Jason Leigh: Befreiend. Und faszinierend. Man muss nicht darauf achten, wie man sich bewegt, sondern kann sich voll und ganz auf Text und Ausdruck konzentrieren. Andererseits hat sich der Mangel an Bewegung auch oft fremd angefühlt.


Für Sie als Schauspielerin ist die Stimme ein wichtiges Werkzeug – wie sehr achten Sie privat auf die Stimme eines Menschen?

Sehr, ich finde, dass die Stimme viel davon ausmacht, wie wir jemanden wahrnehmen. Stimmen zu hören ist etwas Elementares. Als Babys können wir unsere Eltern erst hören, bevor wir sie sehen können.


Ihre Filmfigur Lisa ist eine durch und durch unauffällige Person, ein weiblicher „Normalo“. Ist es für jemanden wie Sie, der sich seit Jahren vor einem großen Publikum bewegt, schwer, so jemanden zu spielen?

Nein, gar nicht. Es ist einfach, einen ganz normalen Menschen zu spielen – man muss nur sich selbst in ihm suchen. Ich glaube, wir sind alle ein bisschen wie Lisa. Und ich mag sie so gern. Immer verständnisvoll, und auch wenn ihr die schlimmsten Dinge passieren, verliert sie nie die Hoffnung, versinkt nie in Selbstmitleid. Sie ist ein ganz besonderer Mensch. Aber wie so oft versteckt sich das Besondere bei ihr hinter der Normalität.


Sie haben vor Kurzem mit einer weiteren Kinoikone gedreht, Quentin Tarantino. Wie war es als einzige Frau unter rauen Kerlen?

Es war großartig. Ehrlich. Wir hatten so viel Spaß am Set, ich habe noch nie so viele erwachsene Männer weinen sehen wie am letzten Drehtag (lacht). Ich habe mich wirklich wohlgefühlt mit den Boys, obwohl ich sonst eher ein Mädels-Mädel bin.


Sie spielen die „Gefangene“.

Ja, sie ist quasi die lebendige Beute von Kurt Russell, der einen Kopfgeldjäger spielt. Eine ziemlich wilde Kreatur, die vom Leben hart geprügelt wurde, aber alles tun würde, nur um zu überleben. Ziemlich verrückt ist sie auch (lacht). Es war wundervoll, sie zu spielen. Quentin ist ein sehr guter Autor.


Tarantino hat den Ruf, seine Darsteller nicht mit Glacéhandschuhen anzufassen.

Das wäre bei so einem Film aber auch unpassend. In seinen Filmen geht es ja um Leute, die am Abgrund stehen – oder schon den berühmten Schritt weiter sind. Da muss man auch als Schauspieler an seine Grenzen gehen. Aber für Quentin macht man das gern, ehrlich. Er ist immer so enthusiastisch und außerdem unglaublich talentiert. Da reißen sich alle darum, so viel zu geben wie nur irgendwie geht.


Sie haben schon mit vielen großen Regisseuren gedreht – Robert Altman, den Coen-Brüdern, David Cronenberg, Jane Campion – trotzdem ist Ihnen der Durchbruch in die ganz große Hollywood-A-Liga immer verwehrt geblieben.

Ich habe es auch nie darauf angelegt. Berühmt zu sein war mir nie wichtig. Ich hatte unheimliches Glück mit meiner Karriere, finde ich. Ich war sicher nie die finanziell oder kommerziell Erfolgreichste aller Schauspielerinnen, aber ich konnte immer Rollen spielen, die mich künstlerisch wirklich gefordert haben. Und das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine ganz große Gnade.

Steckbrief

Jennifer Jason Leigh
wurde – anders als die meisten Hollywood-Schauspieler – auch tatsächlich in Hollywood geboren (1962). Der Grund: Beide Eltern waren dort tätig – der Vater als Schauspieler, die Mutter als Drehbuchautorin. Bekannt wurde sie mit ihrer Rolle in „Letzte Ausfahrt Brooklyn“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2016)

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