Instrumentenbauer: Feilen am guten Ton

(c) Christine Ebenthal
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Alles Walzer? Mag sein, doch nicht ohne tönende Instrumente. Ein Atelierbesuch bei Instrumentenbauern zum Ausklang der Ballsaison.

Gefühl und Gespür brauche es, sagt Lena Hamelbeck-Galle. Zumindest, wenn man so arbeitet wie die gebürtige Bayerin, die heute in Wien-Ottakring eine Fachwerkstatt für Bogenbau unterhält. Ungleich manchen Kollegen, die „mit mehr Technik“ arbeiten und etwa die Eigenschaften des Holzes genau vermessen würden, setzt sie auf Fingerspitzengefühl und Intuition. Mit den von ihr gebauten Bögen streichen Musiker dann über die Saiten von Barockgeigen oder Gamben. Oder ausgefallenere Instrumente: „Letztens habe ich einen Bogen für eine Nyckelharpa aus Skandinavien gebaut, eine sogenannte Schlüsselfiedel“, erzählt sie. Ihr Handwerk lernte Hamelbeck-Galle in der Holzfachschule in Hallstatt, und zwar erst nach der regulär in einem deutschen Gymnasium abgelegten Matura. „Ich gehöre ja zu den wenigen Menschen, die ihren absoluten Traumberuf ergreifen konnten“, erzählt sie freudig.

Nachdem sie mit zehn Jahren begonnen hatte, Geige zu spielen, zunächst aber mit Leihinstrumenten musizierte („Ich besuchte eine Klosterschule, da gab es schöne historische Stücke“), bekam sie mit 14 Jahren ihre erste eigene Geige – ein Schlüsselmoment: „Mit meinen Eltern besuchte ich einen Geigenbauer im bayerischen Wald und wusste gleich: Das will ich auch einmal machen.“ Auf den Bau historischer Bögen hat sie sich während eines Volontariats in Wien spezialisiert und besetzt so eine kleine Nische, was ihr aber die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden beschert. Abnehmer bekomme sie zudem von anderen Instrumentenbauern geschickt, die selbst keine Bögen anfertigen. Austausch und Kommunikation sei ohnehin das Wichtigste: „Ausgelernt hat man in einem Metier wie dem unseren aber wahrscheinlich nie“, sagt Hamelbeck-Galle. Darum plant sie auch, kommenden Sommer eine Zeit lang bei einem erfahrenen Bogenbauer in den Niederlanden im Atelier zu assistieren und ihm über die Schulter zu schauen.

Klangkörper. Geigenbauer Martin Rainer fand zu den Instrumenten über den Werkstoff – das Holz: Die Fachschule für Holzwirtschaft und Sägetechnik hatte er in Kuchl besucht. Doch dann wollte er seinen Materialzugang verfeinern und besuchte ebenfalls die HTBLA in Hallstatt in der Fachrichtung Instrumentenbau. Rainers Brüder sind Berufsmusiker, der eine spielt Posaune, der andere Trompete. Er selbst liebt das Cello. Doch zurzeit schleift er mehr an Klangkörpern als an seinem eigenen Fingerspiel. In Wien, im Stuwerviertel, widmet er sich nun hauptsächlich den Barockgeigen. Nicht nur instand setzen wollte er sie, so wie es manche Geigenbauer vornehmlich tun. Neue in die Welt zu setzen, das hat er sich vorgenommen. „Die Geige an sich ist ja schon eine zutiefst barocke Form“, sagt Rainer. Und heutige Geigen hätten mit ihren barocken Urahnen nur noch so viel zu tun wie das Klavier mit dem Cembalo. „Heute klingen Geigen ganz anders als vor 350 Jahren.“ Der Hals folgt einem Standardmaß. „Weicht er nur zwei Millimeter davon ab, hat der Geiger ein Problem“, sagt Rainer. Im Barock allerdings waren die Hälse manchmal länger, manchmal kürzer. „Das kann man auch beim Neubau berücksichtigen“, sagt Rainer. Ein Teil ist natürlich auch die Instrumentenforschung, die Organologie.“ Diese zeigt, dass es kein Zufall ist, sondern das Resultat kontinuierlicher Evolution, dass Geigen so aussehen, wie sie aussehen, und dass sie traditionell vor allem aus zwei Hölzern gebaut sind: aus Tanne und Ahorn. „Dieses Konzept hat sich in der Entwicklung der Geige einfach als am vorteilhaftesten erwiesen.“ Bei maximal fünf Instrumenten pro Jahr setzt das Rainer um. Schließlich veranschlagt er für eine Geige, die 12.000 Euro kostet, schon auch zwei Monate. Ein Auftrag beginnt meist mit Besuchen und Gesprächen. Und hört mit der fertigen Barockgeige auch nicht wirklich auf. Schließlich verfolgt Martin Rainer meist danach auch den Weg, den das Instrument geht, auf die Bühnen der Konzertsäle, in den Händen der Barockmusiker und in den Aufführungen der Ensembles, die er mit Geigen bestückt.

Niederschwellig. In Hallstatt saß auch der Ukulelenbauer Gregor Nowak auf der Schul- und an der Werkbank. Einer seiner Lehrer war zehn Jahre jünger als er selbst: Martin Rainer, sein heutiger Werkstattnachbar. Nowak hatte vor dem Instrumentenbau noch ganz andere Formen im Kopf gehabt, hauptsächlich Kreis und Kugel – als Croupier. Dann lockte ihn aber ein anderer Berufswunsch. Gut für all die Geigen und Ukulelen seien die vielen Fichten im Land, sagt er. Schlecht für die Instrumentenbauer sei hingegen der Arbeitsmarkt. Also zog es Gregor Nowak in die Selbstständigkeit, und es stellte sich die Frage: Was bauen? Selbst spielt er zwar Kontrabass, doch dieser erschien ihm zu sperrig. Die Ukulele hingegen fand er sympathisch, zugänglich, niederschwellig und vor allem handlich. Außerdem spürte Nowak, dass sich das Instrument langsam aber stetig ins Vorbewusstsein der Menschen spielte. Sogar die Ukulelenstammtische in Wien wurden immer voller, etwa dank des Hawaiianers Jake Shimabukuro, dessen YouTube-Videos um die Welt gingen. Nowaks Ukulelen gehen heute immerhin bis nach Deutschland und Luxemburg. So schnitzt, raspelt, feilt, hobelt und schmirgelt er seit fünf Jahren an dem Klang des „akustischen Antidepressivums“, wie Nowak es nennt.

Auch an der Charango aus den Anden, einer zehnsaitigen Verwandten, oder der Machete aus Portugal, dem Urahn der Ukulele, hat er sich schon versucht. „Ich versuche hauptsächlich, mit heimischen Hölzern zu arbeiten“, sagt Nowak. Manchmal auch mit Birne oder Edelkastanie. Aber die Fichte bleibt natürlich das Material der Wahl: „Einfach durch die Elastizität, bei gleichzeitiger Stabilität, Leichtigkeit und Schwingverhalten.“ Und so schnell sich im Normalfall akustische Erfolgserlebnisse für den Spieler einstellen – ein Finger auf dem Bund sorgt schon für ganz gefällige Akkorde –, so schnell hatte Nowak seine konstruktiven. Auch wenn er je nach Modell auch einmal 50 Stunden an der Ukulele sitzt oder 120 Stunden investiert.

In der Flötenwerkstatt im dritten Wiener Bezirk sind es indes nicht nur die Arbeitsstunden, die den Preis ausmachen, sondern es ist auch das Material. Allein die rohen Rohre für die Querflötenkopfstücke, auf deren Herstellung sich Werner Tomasi neben Reparaturarbeiten spezialisiert hat, kosten – wenn sie aus 22- oder 24-karätigem Gold sind – 6000 Euro. „Kopfstücke sind das Bindeglied zwischen Instrument und Musiker“, sagt Tomasi. Für ihn bedeutet übrigens der Begriff Flöte, anders als für unbedarft nach Blockflöten fragende Laien, automatisch Querflöte. Für die Spezialisierung auf Kopfstücke kommt ihm zugute, dass er selbst seit seinem siebten Lebensjahr spielt. „Wenn man von der Musik kommt, weiß man, welche Nöte man leidet, wenn auf der Bühne etwas nicht so funktioniert.“ Die Unterteile der Flöten sind derweil technischer, „da tut man sich leichter, wenn man von der Technik kommt“, erklärt er die Arbeitsteilung. In der Souterrainwerkstatt werden also Rohre poliert – zur Beliebtheit dieses nicht gerade schmutzvermeidenden Arbeitsschrittes sagt Tomasi nur: „Jeder muss mal“ und „Wir haben deshalb eine Dusche eingebaut“. Hier werden Mundstücke aus ovalen Silber- oder Goldplatten gepresst, Löcher gefräst, es wird mit Walnussgranulat feinpoliert. Und Silberstaub gefegt. „Auch der Boden ist wertvoll.“ Auf eines ist Werner Tomasi besonders stolz: auf seine Kinderquerflöte „Loop“, die er in Taiwan bauen lässt. „Wegen der Tonhöhe muss ja die Gesamtlänge des Rohrs immer erhalten bleiben“, was freilich der Spannweite von Kinderarmen nicht unbedingt entgegenkommt. Die „Loop“-Rohre legen nun eine Art U-Turn ein – eine simple, wirkungsvolle Erfindung.

Erfindungsreichtum. Vor Ideen strotzen geradezu die Instrumente von Hans Tschiritsch. „Instrumentenbauer“ würde bei ihm eindeutig zu kurz greifen. Seine Materialien sind schon einmal ein Blasebalg und ein Luftballon, eine Konservendose oder ein Fahrrad. Die Zither spielt er, der als Straßen- und Theatermusiker umtriebig war und unter anderem Obertongesang unterrichtet, mit einem elektrischen Milchschäumer. Und der Resonanzkörper ist er mitunter selbst. Etwa bei der einsaitigen Mundgeige aus einem Spazierstock, die nach dem Maultrommelprinzip mit einem Zwirnsfaden im Mund spielt. Das Zwitscheridoo sei, meint Tschiritsch lakonisch, „jetzt kein Alltagsgegenstand in dem Sinn“, sondern ein celloähnliches Saiteninstrument, in dessen Hals man auch hineinbläst. Ein anderes Saiteninstrument aus seiner Werkstatt setzt er sich auf den Kopf, gleich nachdem er eine Clownsnase im Gesicht platziert hat: Dank seiner Klanghüte kann sich Hans Tschiritsch mit einem Bogen am Kopf kratzen und Töne erzeugen. „Ich beschalle mich selbst.“

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