Quentin Tarantino: "Ich will nur Klassiker schaffen"

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Star-Regisseur Quentin Tarantino spricht über seinen neuen Streifen "The Hateful Eight", über Rassismus in den USA und den Sinn von Rache.

Quentin Tarantino hat es wieder getan: Nach „Django Unchained“, der dem Kultregisseur einen Oscar für das Beste Originaldrehbuch und Christoph Waltz seinen zweiten Nebendarsteller-Oscar einbrachte, ist auch der achte Film des US-Amerikaners im Western-Genre angesiedelt. In „The Hateful Eight“ (seit Freitag im Kino) geht es aber klaustrophobischer zu, als es das Breitwandformat vermuten lässt.

Sie haben einen ziemlichen Ritt hinter sich: Nach Ihrer Annullierung von „The Hateful Eight“ haben Sie doch gedreht. In Colorado mussten Sie auf dem Set wochenlang auf Schnee warten, der sich dann in einem Schneedesaster entlud. Wie würden Sie Ihr Filmabenteuer, das Sie jetzt zur Premiere nach Berlin führt, beschreiben?

Quentin Tarantino: Es gab ein paar Schwierigkeiten, das fing an mit Skriptleaks und endete damit, dass wir wegen des Schnees einen Monat länger in Colorado blieben. Aber all das machte den Film 15-mal besser. Für mich ist „The Hateful Eight“ trotzdem keine Serie aus Pannen. Wenn ich meine Schauspieler selbstständig agieren sah, fühlte ich mich, als sei ich der erste, sehr glückliche Zuschauer dieses Films. Ich hatte hier so viel Spaß wie schon seit „Kill Bill“ nicht mehr.

Ihr Kollege Park Chan-wook, berühmt für Rachefilme, sagte einmal: „Rache ist das Dümmste, was der Menschheit je einfiel.“ Seine Filme sollen die Sinnlosigkeit des Racheprinzips darstellen. Was ist Ihr Motiv?

Rache im echten Leben ist, was immer es ist. Vielleicht sogar dumm. Aber in Filmen ist Rache toll. Nichts packt mich so stark wie Figuren, die Genugtuung erfahren. Früher sind mir Filme um Rache nicht weit genug gegangen, meistens machten sich die Filmemacher ins Hemd beim Gedanken an Moral und so. Ich scheiß auf all das.

Ihr Film wurde für drei Oscars nominiert, für die beste weibliche Nebenrolle, Kamera und Filmmusik. Wie bewerten Sie die Boykott-Aussagen von Will Smith und Spike Lee ?

Ich würde mich dazu gern kurz fassen, damit wir wieder über den Film reden können: Wenn ich nominiert wäre, würde ich hingehen.

Samuel L. Jackson hat schon in vier Ihrer Filme mitgespielt. Eigentlich zeigt „The Hateful Eight“ sogar die DNA auf, die zum Rassismusproblem in den USA geführt hat.

Das Thema Rassismus ist genau das, was ich dem Genre des Westerns anzubieten habe. Die Western-Regisseure der Vergangenheit, auch die aus Italien, haben es praktisch ausgeblendet. Mit diesem Thema habe ich meinen Hut in den Ring geworfen. Ich will ja irgendwann einmal mit gestandenen Regisseuren dieses Genres, wie Anthony Mann, gemessen werden.

Und das Thema des Rassismus selbst – ist es Ihnen ein Anliegen?

Natürlich. Sonst würde ich es nicht in fast jedem Film thematisieren.

Sie sind voller Leidenschaft für das Medium Film, warum wollen Sie aufhören?

Ich bin ein Künstler, der ein Filmwerk erschaffen möchte, das hoffentlich aus lauter Klassikern besteht. Ich will nicht einfach nur Karriere machen – meine Filme sollen künstlerisch über die Jahre hinausragen. Das ist mein künstlerischer Dialog mit der Geschichte des Films, mein Beitrag zur Filmhistorie. Wenn das vollbracht ist, mache ich mich daran, Bücher übers Kino zu schreiben oder Theaterstücke, die ich auch inszeniere. Ich tendiere sowieso stark zum Literarischen. Außerdem brauche ich für die Realisierung eines Films jeweils drei Jahre. Für zwei Filme gehen also noch sechs Jahre ins Land. Vielleicht habe ich dann mit meinen Filmen gar keinen Platz mehr in der herrschenden Kulturlandschaft.

Sind Sie gern wieder in Berlin? Was ist für Sie das Besondere hier?

Ich liebe Berlin. In dieser Stadt kann man unendlich viel Spaß haben – und das mit der Entschuldigung, hier einen Film zu drehen. Ich habe in der Zeit, in der ich hier gearbeitet und in meinem geliebten Kreuzberg gewohnt habe, auch einige Freunde gefunden. Ich freue mich, an meinem freien Tag meinen Bars und Stammrestaurants einen Besuch abzustatten und die deutsche Filmcrew von „Basterds“ auf unserer Premierenparty heute Abend wiederzusehen. Ich habe in Berlin für meine eigenen Erinnerungen, Freundschaften und Eskapaden gesorgt.

Würden Sie hier wieder drehen wollen?

Sofort. In Babelsberg wurde ja sogar eine Straße nach mir benannt.

Steckbrief

1963
wurde Quentin Tarantino in Knoxville im US-Bundesstaat Tennessee geboren.

1994
gelang ihm mit „Pulp Fiction“ der Durchbruch als Regisseur. Der Film bekam einen Oscar in der Kategorie „Bestes Originaldrehbuch“. Es folgten weitere Erfolgsfilme wie „Kill Bill“, „Inglourious Basterds“ und „Django Unchained“. Sein neuer Streifen, „The Hateful Eight“, läuft seit Freitag im Kino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2016)

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