Sichere Daten als Europas IT-Chance

(c) Bloomberg (Chris Ratcliffe)
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Die sicherste Datenwolke der Welt kommt von Fabasoft aus Linz. Von der Safe-Harbor-Neuauflage halten die Zertifizierer wenig, von Datenschutz als EU-Exportschlager umso mehr.

Wien. Auf den ersten Blick wirkt es wie eine Meldung aus der Rubrik „Schön für die Firma, egal für die Welt“: Das Softwareunternehmen Fabasoft ist der erste Anbieter von Cloud-Diensten, der von der europäischen Zertifizierungsstelle EuroCloud das höchste Gütesiegel von fünf Sternen erhalten hat. Auf den zweiten Blick mag zumindest unter heimischen Tech-Freaks patriotischer Stolz aufkommen: Die weltweit sicherste Lösung für das Auslagern von Firmendaten übers Internet, einen der Hauptschauplätze der digitalen Revolution, kommt damit nämlich aus Linz.

Auf den dritten Blick geht es aber noch um viel mehr: um die Chance für Europas Technologiefirmen, trotz der scheinbar übermächtigen Konkurrenz von US-Riesen wie Google und Amazon in einem Bereich ganz oben mitzuspielen – beim Datenschutz als Geschäftsmodell und Exportschlager.

Den Stein ins Rollen gebracht hat der österreichische Datenschutzaktivist Max Schrems. Auf Basis seiner Klage vor dem EuGH kippten die obersten Richter im Herbst das Safe-Harbor-Abkommen mit den USA. Ihr vernichtendes Urteil: Personenbezogene Daten aus Europa sind auf amerikanischen Servern und in Rechenzentren nicht vor dem Zugriff durch Behörden und Geheimdienste geschützt.

Damit rückt die Alternative ins Blickfeld: speichern in Europa, nach europäischem Recht. Rasch baut der noch kleine Sektor seine Kapazitäten auf. Aber die Frage bleibt: Wie sollen vor allem kleinere Firmenkunden überprüfen, wo ihre ausgelagerten Daten wirklich sicher sind? Hier springt die Zertifizierung ein. „80 Prozent aller Cloud-Anbieter würden nicht einmal drei Sterne schaffen“, sagt Tobias Höllwarth, Vizechef von EuroCloud. Das ist zwar ein Verband der europäischen Anbieter, aber sein Star Audit ist gegen den Verdacht auf Freundschaftsdienste gefeit: Mit dem strengen „Daten-TÜV“ sind unabhängige Prüffirmen aus aller Welt beauftragt – ein Auditor kommt etwa aus Hongkong. Die Ergebnisse sind „komplett öffentlich“. Der Kunde kann die Anbieter damit auf ihre Versprechen „festnageln“ – was viele schwächere „so hassen wie die Pest“.

Nun hat freilich vorige Woche die EU-Kommission, nach hektischen Neuverhandlungen mit den USA, scheinbar Entwarnung gegeben: Amerika sei wieder ein sicherer Hafen für europäische Daten. Dafür soll ein Privacy Shield sorgen. Experte Höllwarth sieht in dem eilig gezimmerten Kompromiss eine „politische Show“, bei der „die Inhalte fehlen“.

„Verschlafen und versagt“

Brüssel habe „drei Jahre verschlafen und politisch versagt“. Das lasse sich nicht in drei Monaten reparieren. Auch Fabasoft-Gründer Helmut Fallmann, dessen Softwarehaus an der Frankfurter Börse gelistet ist, hält den Schutzschild für einen „Schnellschuss unter Handlungsdruck“. Das „Hudeln der Politik“ stehe „nicht im Gleichklang mit der europäischen Rechtsordnung“: „Wir sollten uns nicht immer massiv bedrängen lassen.“ Gut möglich also, dass auch die neue Vereinbarung vor Gericht landet – und wieder zu Fall kommt.

Für viele heimische Unternehmen ist das ein ernstes Problem. Seit dem Siegeszug der Cloud transportieren nicht nur Töchter von US-Konzernen sensible Daten über den Atlantik. Wer das tut, agiert zurzeit in einem juristischen Graubereich. Für Europas Tech-Branche aber liegt in dem legistischen Vakuum eine große Chance.

Beim Megatrend Digitalisierung sei die EU „viel zu spät dran“, erklärt Höllwarth: „Bei der Hardware ist Asien vorn, bei der Software Amerika – alle stecken ihre Claims ab.“ Aber es gehe künftig nicht nur um Produkte, sondern auch um Standards bei der Sicherheit der Daten – und hier könnten sich die Europäer noch einen Vorsprung sichern. Dafür, ergänzt Fallmann, reichen aber keine Regeln für den Eigenbedarf: „Wichtiger ist, dass sich diese Regeln auch international durchsetzen.“ Dann sieht man bei Fabasoft ein großes Potenzial, auch in Amerika: „Die Bürger in den USA haben genauso Interesse an Datenschutz wie wir.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)

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