Nostalgie: Zotteln und Autofahrer unterwegs

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Erwin Steinhauer und Fritz Schindlecker werfen in ihrem neuen Buch einen Rückblick in die Zeit ihrer Jugend in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren.

Nein, den Satz „Früher war alles besser“ wird man von ihnen nicht hören. „Vieles war schlechter, sehr vieles, da brauchen wir gar nicht reden“, sagt Erwin Steinhauer über „seine ersten drei Jahrzehnte“. Dennoch wird viel gelacht, wenn er gemeinsam mit Fritz Schindlecker zurückblickt. Im Buch genauso wie im Gespräch mit der „Presse“. Der Schauspieler und der Autor kennen einander zwar erst seit den Achtzigerjahren. Das hat sie aber nicht davon abgehalten, gemeinsam ein Buch über die Zeit davor zu schreiben. In „Sissi, Stones und Sonnenkönig“ blicken die beiden auf „ihre Jugend“, wie es im Untertitel heißt, zurück, also die 1950er, -60er und -70er.

Steinhauer, Jahrgang 1951, und Schindlecker, Jahrgang 1953, kommen aus „zwei unterschiedlichen Kulturkreisen“, wie sie betonen. Der eine – Steinhauer – ist in der Stadt aufgewachsen, „im roten Wien“, der andere „im schwarzen Niederösterreich“, in Langenlebarn. „Trotzdem gibt es viele Parallelen“, sagt Schindlecker. So haben beide Wurzeln im Weinviertel und das Glück, „aus Familien zu kommen, die keine Nazi-Beschmutzung hatten“. Und beide – das wird im Buch schnell deutlich – pflegten ein gewisses Revoluzzer-Dasein. In unterschiedlicher Ausprägung: Schindlecker kann sich noch gut daran erinnern, wie in seiner Gymnasialklasse in Tulln „18 von 20 Schülerinnen und Schülern plötzlich rasend links geworden sind. Das war schon etwas in einer schwarzen Stadt, da gab es wildeste Unterstellungen.“ Steinhauer überlegt kurz, lacht und sagt: „Also bei uns ist keiner aus Notwehr ÖVPler geworden.“

„Gegen das Vergessen“

Ein halbes Jahr lang haben sich Steinhauer und Schindlecker zusammengesetzt und sich gegenseitig die eigenen Geschichten erzählt. „Wir haben viel gelacht. Es geht zwar um die eigene Biografie, aber auch um ein Paralleluniversum. Das haben ja viele erlebt.“ Deshalb soll das Buch auch ein bisschen ein Buch „gegen das Vergessen sein“, wie Steinhauer betont. Und zwar nicht im geschichtlichen Sinn, sondern im privaten. Damit das Kind in einem selbst nicht so schnell vergessen wird.

Denn das sei dem Schauspieler schon auch beim Zurückblicken aufgefallen. In den 1970er-Jahren, als die beiden erwachsen waren, studiert und sich beruflich gefestigt haben, wurde plötzlich auch die Zahl der privaten Fotos geringer. „Außer vielleicht bei Feiern und Urlauben. Aber es steht dann nur noch der Beruf im Vordergrund, eigentlich schade“, sagt Steinhauer.

Besser waren früher übrigens schon ein paar Dinge: Das Fehlen der Mobiltelefone, die Rauchschwaden in der Kulisse, die der Kabarettbühne den richtigen Charme gaben. „Das war es aber auch schon, sonst fällt mir nichts ein“, sagt Steinhauer. „Der Optimismus natürlich“, sagt Schindlecker. Das ist für ihn auch die Erklärung dafür, dass diese Zeit heute auch bei Jüngeren so beliebt ist. Schlechter hingegen waren die Stellung der Frauen, der Umgang mit Kindern – „wir sind die letzte Generation, in der ein Erwachsener einem Kind auf der Straße eine Ohrfeige geben konnte, nur weil er meinte, es benimmt sich schlecht“ – und die politische Transparenz, sagt Schindlecker.

Vor allem aber war es anders. Es habe Situationen gegeben, die man sich heute nicht mehr vorstellen könne. Etwa, dass „drei langzottelige Burschen nicht in die Schweiz hineingelassen wurden, weil unser Auto so schmutzig war“, erinnert sich Schindlecker. Und auch an die Radiosendung „Autofahrer unterwegs“. „Da gab es die Mittagsglocke, die immer aus einem anderen Ort geläutet hat. Die aus Langenlebarn war natürlich nur alle 25 Jahre dran, aber das war dann ein emotional berührender Moment.“ Steinhauer lacht nur – und setzt zur nächsten Geschichte an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2016)

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