Hongkong: Fischbällchen als Protestsymbol

An unidentified injured man is escorted by riot police at Mongkok in Hong Kong
An unidentified injured man is escorted by riot police at Mongkok in Hong Kong(c) REUTERS (BOBBY YIP)
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Hunderte randalierten gegen eine Polizeiaktion, mit der die Stadt illegale Imbissstände ausmerzen will. Diese sind jedoch fester Bestandteil der Neujahrsfeiern.

Hongkong/Wien. Es waren ungewöhnlich wilde Szenen, die Hongkong während der Neujahrsfeiern erschütterten: Wo sich im belebten Viertel Mongkok in einem dichten Netzwerk von Fußgängerzonen sonst Einheimische und Touristen zwischen kleinen Boutiquen und Imbissständen tummeln, warfen hunderte aufgebrachte Straßenhändler und Aktivisten Ziegel, Flaschen und Gerümpel auf Einsatzkräfte, zerschlugen Fensterscheiben und zündeten Mistkübel an. Einige Demonstranten traten und schlugen auf verletzte Beamte ein.

Die Polizei setzte sich mit Schlagstöcken und Tränengas zur Wehr. Im Internet machten Bilder eines Polizisten die Runde, der seine Waffe auf die Demonstranten richtete. Auch Warnschüsse seien gefallen. 90 Polizisten wurden bei den Unruhen verletzt, 54 Demonstranten festgenommen – darunter Leung Ting-Kei, der bei den Bezirkswahlen in drei Wochen für die lokalpatriotische Bewegung Hongkong Indigenous antritt.

In sozialen Medien machten die jüngsten Tumulte unter dem Hashtag Fischbällchenrevolution die Runde – dabei geht es um viel mehr als Essen. Jedes Jahr zum chinesischen Neujahr bauen Straßenhändler ihre mobilen Stände auf und bieten traditionelle Snacks wie Fischbällchen an. Für viele Hongkonger ist die Tour zu den Nachtmärkten ein fester Teil der Feiertage. Im Gegensatz zu ganzjährigen Imbissen haben die Verkäufer keine Lizenz. Lang tolerierten die Behörden die illegalen Händler. Seit Kurzem geht die Stadt jedoch härter gegen den Wildwuchs vor.

Radikale fordern Abspaltung

Als Montagnacht die Einsatzkräfte zur Razzia in Mongkok eintrafen, hatten die Pläne der Polizei unter lokalpatriotischen Bewegungen schon die Runde gemacht. Sie mobilisierten im Internet Unterstützung für die Händler: Die Polizeiaktion sei ein Angriff auf die lokale Identität und Kultur.

Schon 2014 war Mongkok Schauplatz der sogenannten Regenschirm-Revolution geworden. Mehr als zwei Monate besetzten Demokratie-Aktivisten damals das Gebiet – weitgehend friedlich mit Sitzstreiks. Nach den bisher fruchtlosen Autonomiebemühungen für die chinesische Sonderverwaltungszone scheint die Stimmung im radikalen Flügel der Protestbewegung nun zu kippen. Die Forderungen der Anhänger reichen von mehr Unabhängigkeit Hongkongs von der Zentralregierung in Peking bis hin zu einer Abspaltung vom Festland. „Gründet einen eigenen Hongkonger Staat!“, forderten einige Demonstranten.

Die Radikalisierung könnte der Polizei mehr Gründe geben, gegen lokalpatriotische Gruppen vorzugehen. So bemerkte Hongkongs Polizeichef am Dienstag über die Aktivisten: „Sie neigen dazu, ihrer Meinung mit Gewalt oder radikalen Taten Ausdruck zu verleihen.“

Dass sich das Selbstverständnis eines Teils der Protestbewegung gewandelt hat, zeigt auch ein Facebook-Beitrag von Hongkong Indigenous: „Da die alten Widerstandsmethoden bei den Behörden versagt haben, haben wir keine andere Wahl als aufzustehen und den Stillstand zu brechen.“ (maka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2016)

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