Die Wellen der Gravitation und der Gerüchte

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Die von Einstein vor 98 Jahren vorhergesagten Gravitationswellen könnten gesichtet worden sein.

Ein Gerücht wird an einem Punkt der Raumzeit gestreut und breitet sich von dort stetig aus – mit einer Geschwindigkeit, die von der Natur des Mediums (resp. der Medien) nicht linear abhängig ist, und nur in erster Näherung in konzentrischen Kreisen . . .

Die Physik der Gerüchte dürfte durchaus komplex sein; wenn höhere Zivilisationen sie in Zukunft formulieren werden, finden sie vielleicht in den Gravitationswellen ein anmutiges Exempel. Diese, das sagte Einstein schon 1918 voraus, durchqueren den Raum in Lichtgeschwindigkeit. Sie sind aber so schwach, dass es fast 98 Jahre dauerte, bis sich Gerüchte verdichteten, dass man sie nachgewiesen habe. Womöglich sogar mehrfach: In den US-Bundesstaaten Louisiana und Washington steht je ein riesiger Detektor des auf den Nachweis von Gravitationswellen ausgerichteten Projekts namens Ligo, in der italienischen Provinz Pisa ist das europäische Pendant aufgestellt: der Detektor Virgo.

Was stand also zur Zeit, als diese Zeilen geschrieben wurden, am 9. Februar 2016, noch bei Tageslicht, fest? Dass am 11. 2. 2016 zeitgleich zwei Pressekonferenzen stattfinden werden: eine um 16.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit in Pisa, eine um 10.30 Uhr Eastern Standard Time in Washington, D. C. Von diesen beiden halbwegs exakt definierten Punkten der Raumzeit wird sich die Information über die Messungen und ihre Interpretation teils mit Lichtgeschwindigkeit (via Livestream), teils langsamer ausbreiten.

Man wird mit den Physikern gehörig mitfiebern, diese Empathie haben sie sich verdient, und man darf sie neidlos dafür loben, dass sie sich auf die Kinetik der Gerüchte gut verstehen. Man darf sie aber zart darauf hinweisen, dass sich die angeblich direkt vom Urknall stammenden Gravitationswellen, über deren Sichtung vor zwei Jahren – im März 2014 – berichtet wurde, als Staub erwiesen haben. Ganz wörtlich: als Staub der Milchstraße. Das wird diesmal wohl nicht so sein.

E-Mails an:thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2016)

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