Alex Deutsch: Das Chamäleon aus der Steiermark

Alex Deutsch (Archivbild) zieht ab Freitag im Jazzclub Porgy & Bess Bilanz.
Alex Deutsch (Archivbild) zieht ab Freitag im Jazzclub Porgy & Bess Bilanz.(c) APA (Roland Schlager)
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Schlagzeuger Alex Deutsch, Szenekatalysator zwischen Jazz, Funk, Elektronik und Pop, feiert drei Tage lang im Porgy & Bess.

Das erste Geräusch, das ihn nachhaltig faszinierte, war dieses zarte „tk tk tk“, das es macht, wenn man seinen Fuß leicht in die Speichen des Kinderwagenrads positionierte. Damit machte er seine Mama halb wahnsinnig. Als dann noch die Hoch- und Deutschmeister zum Platzkonzert ins steirische Grafendorf kamen, war der Lebensweg vorgezeichnet. „Der Trommelbub hat mich schwer beeindruckt. Das und nur das wollte ich einmal machen.“

Zunächst praktizierte er mit der Gitarre spielenden Mutter und dem Zither spielenden Vater solide Hausmusik. Deutsch spielte Akkordeon, stieg später auf Fagott um. Die Liebe zum Jazz kam in Etappen. Das erste gekaufte Jazzalbum, Louis Armstrongs „Live at the Carnegie Hall“, war eine Enttäuschung. Nach einem Ferialjob hatte Deutsch das Geld für ein Schlagzeugset. Er hing das Fagott an den Nagel und gründete seine erste Jazzband.

Nach dem Diplom an der Jazzuni in Graz spielte er mit amerikanischen Granden wie Woody Shaw und Freddie Hubbard. Bald begann ihn der Funk zu faszinieren. „Ich hatte immer das Gefühl, die machen fast nichts, und dabei passierte doch so viel“, schwärmt er etwa über James-Brown-Schlagzeuger Clyde Stubblefield. Mit 28 Jahren lockt es den Steirer nach Amerika. Mit Wolfgang Muthspiel und Peter Herbert geht er als Trio über den großen Teich. Alle hatten sie ein Stipendium an der Berklee School in Boston.

„Da trau ich mich nie mehr raus“

Es dauert nicht lange, und das Trio wurde vom einflussreichen Jazzmagazin „Downboat“ zum „besten Nachwuchstrio Amerikas“ gewählt. Boston wird ihm bald zu eng. Deutsch wagt sich in die große Megapolis New York. „Gewohnt hab ich an der Lower East Side, die damals noch richtig gefährlich war. Ich bin eingezogen, schaute durch die Jalousien auf die Straße und dachte: Da trau ich mich jetzt nie mehr raus.“ Es war dennoch eine tolle Zeit.

Seine damalige Frau arbeitete im Jazzclub Bradley's in der 12. Straße. „Hie und da hab ich den Zawinul vorbeimarschieren gesehen, der wohnte in der Nähe. Im Club durfte ich mal eine Woche lang mit dem berühmten Trompeter Tom Harrell spielen. Er wollte, dass ich nur auf ein einzelnes Becken trommle. Damit war ich zunächst völlig überfordert. Letztendlich war es ein Schlüsselerlebnis. Es hat mich dazu bewogen, mich auf das ganz Essenzielle zu beschränken.“

Warum doch wieder Österreich? „Schlicht, weil ich ein Landei bin. Nach acht Jahren USA war meine Festplatte voll.“ Er zog sich für vier Jahre in die Oststeiermark zurück. Danach ging er nach Wien. „Eigentlich kommst du ja als Steirer mit einem Anti-Wien-Gen auf die Welt. Für mich aber war die Stadt eine total positive Überraschung. Das Tachinieren, die Gemütlichkeit, der Charme – das gibt es nicht mehr oft auf dieser Welt.“ Trotz der grundsätzlichen Relaxtheit hat er hier Karriere gemacht. Zunächst mit dem Trio Café Drechsler, dann mit den legendären Gelee-Royal-Sessions, mit denen er Anfang der Neunziger den Brückenschlag zwischen Musiker und DJ praktizierte.

Deutsch war damals schon ein Katalysator zwischen Szenen, die sich nicht riechen konnten. Als er dann noch mit der Singer-Songwriterin Anna F. in die Arena trat, sagte man ihm Midasgaben nach. „Dabei war es genau umgekehrt“, meint er amüsiert, „eigentlich hat die Anna mich entdeckt.“ Dass ausgerechnet sie nun nicht an seinen klingenden Festivitäten teilnehmen kann, weil sie drei Monate in Los Angeles an ihrem nächsten Album arbeitet, ist ein Wermutstropfen. Deutsch lockt dennoch mit einem höchst namhaften Sammelsurium an Könnern aus Jazz, Funk und Elektronik ins Porgy. Und er stellt auch seine neue Combo Alex & The Candy Killers vor. Mit ihr will er an das anknüpfen, was er früher im Transistorradio gehört hat: Schlager, als Schlager noch kein Schimpfwort war. Wer Deutsch kennt, ahnt schon, dass er damit an Soul und zeitgenössische Elektronik andocken wird. „Ich stehe wirklich auf die damaligen Arrangements. Das waren geile Songs. Und Stimmen wie die von Caterina Valente, die liebe ich einfach.“

Zur Person

Bewegte Karriere. Seine musikalische Laufbahn führte Alex Deutsch über Boston und New York zurück in die Steiermark und schließlich nach Wien. Zwischen 4. und 6. März (jeweils ab 20.30 Uhr) spielt der Schlagzeuger – der Katalysator zwischen den Szenen, die sich nicht ausstehen können – im Wiener Jazzclub Porgy & Bess – unter dem Titel: „40 Years of Smoking Drums“. Dort stellt er auch seine neue Combo Alex & The Candy Killers vor. Nähere Informationen zum Programm und zu den anderen auftretenden Musikern unter www.porgy.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2016)

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