Brie Larson: "Ich fühlte mich ausgegrenzt"

Will dem Publikum mit ihren Filmen vor allem ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln: Schauspielerin und Regisseurin Brie Larson.
Will dem Publikum mit ihren Filmen vor allem ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln: Schauspielerin und Regisseurin Brie Larson.REUTERS
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Schauspielerin Brie Larson spricht über ihren neuen Film "Raum", ihre depressiven Phasen in der Schule und ihre vielen Reisen, die ihren Horizont erweitert haben. Außerdem erzählt sie, welche Autoren sie am meisten beeinflusst haben.

Vor acht Jahren ist das Kellerverlies entdeckt worden, in dem Josef F. seine Tochter 24 Jahre lang eingesperrt und sieben Kinder mit ihr gezeugt hat. Der Fall hat sich nicht nur österreichweit ins Gedächtnis gebrannt, sondern auch Emma Donoghues außergewöhnlichen Roman „Raum“ inspiriert. Am Freitag kommt die Verfilmung ins Kino – und widmet sich nicht dem Verbrechen an sich, sondern der Mutter-Kind-Beziehung. Hauptdarstellerin Brie Larson im Interview.


Eine junge Frau, die gekidnappt und vergewaltigt wird und ihren Sohn in Gefangenschaft aufzieht – ist das eine Rolle, vor der man Angst haben muss?

Brie Larson: Nein, aber ich wusste, dass sie mich sehr viel Kraft kosten würde. Ich musste mir von vornherein klar sein, wie ich die Grenzen zwischen mir und dieser Figur ziehe. Das ist ziemlich schwierig, denn, wenn man zwölf Stunden am Tag in der Haut einer anderen Person steckt, ist man nur noch im Schlaf man selbst.


Wie zieht man diese Grenzen?

Ich bin mit meinen Freunden und meiner Familie in engem Kontakt geblieben. Sie haben mich angerufen und mir Pakete geschickt. Außerdem habe ich viele meiner privaten Habseligkeiten aus meinem Haus mit ins Drehapartment genommen. Wenn ich am Abend von der Arbeit zurückgekommen bin, hat mich ihr Geruch an meine Welt und an mich selbst erinnert.


Und war Ihnen klar, dass Sie mit so einer Rolle einen Oscar bekommen können?

Das wäre absurd gewesen. Das wäre ungefähr so, als würde ich von meiner Traumhochzeit fantasieren, ohne einen Freund zu haben. Selbst als das Gerede von Nominierungen angefangen hat, war das alles ganz weit weg.


Ist so etwas nicht frustrierend?

Klar, aber das gehört zum Leben dazu. Du musst bereit sein, auch deine negativen Emotionen wahrzunehmen und auszukosten. Versuche nicht, die Dinge an deine Vorstellungen anzupassen, sondern bleib offen und neugierig auf das, was dir das Leben zu bieten hat.


Wie sind Sie auf solche Einsichten gekommen?

Zum Beispiel auf meinen verschiedenen Reisen. Aber ich habe immer schon versucht, meinen Horizont zu erweitern, weil ich die Dinge nicht so akzeptieren konnte, wie sie waren. Deshalb hatte ich auch in der Schule meine Probleme. Ich fühlte mich ausgegrenzt und einsam und bin daher richtig depressiv geworden.


Wie kamen Sie darüber hinweg?

Meine Mutter hat mich unterstützt, und zum Glück konnte ich die Schule schon mit 15 beenden und mich auf meine Interessen konzentrieren: auf Philosophie, Mythologie, Kunstgeschichte.


Welche Denker und Autoren haben Sie besonders bewegt?

Da gehört der indische Yogalehrer Ramdev dazu, aber auch J. D. Salinger. Im vergangenen Jahr habe ich Thomas Manns Roman „Der Zauberberg“ gelesen. Dieses Buch hat mich sehr geprägt.


Sie hätten Literaturprofessorin statt Schauspielerin werden können.

Schauspiel ist mein Idealberuf. Ich kann die Welt aus so vielen unterschiedlichen Blickwinkeln sehen. Außerdem ist die Schauspielerei eine sichere Methode, um schwierige Themen auszuloten. Wer hätte sich eine Dokumentation über eine Frau angeschaut, die in einem einzigen Zimmer gefangen gehalten wird? Aber sobald man das künstlerisch verarbeitet, wird daraus eine universelle Geschichte, mit der sich jeder identifizieren kann.


Aber in Ihrem Beruf müssen Sie ständig Interviews geben und sich ins Rampenlicht wagen. Auch für die Oscars absolvierten Sie eine regelrechte Kampagne mit unzähligen öffentlichen Auftritten. Nervt so etwas nicht auf Dauer?

Oh ja, allein die Promotion für „Raum“ dauerte Monate. Aber ich genieße das, denn ich muss nicht ständig dieselben fünf Fragen beantworten. Jeder hat seine eigene Meinung zu diesem Film. Wie ich schon sagte, ich fühlte mich als Kind innerlich einsam, und mit so einem Film kann ich eine Verbindung zu den Menschen herstellen und ihnen das Gefühl geben: „Ich bin mit meinen Empfindungen nicht allein. Es gibt Personen, die genau so denken wie ich.“ Gemeinschaftsgefühl – das ist das, was hoffentlich jeder meiner Zuschauer von mir bekommt.

Steckbrief

1989
wurde Brie Larson in Sacramento, Kalifornien, geboren.

2009
wurde sie durch die preisgekrönte Fernsehserie „Taras Welten“ einem breiten Publikum bekannt. Es folgten Rollen in Filmen wie „21 Jump Street“ und „Short Term 12“.

2015
gelang ihr der internationale Durchbruch mit ihrer Hauptrolle in dem Drama „Raum“, für die sie den Golden Globe und den Oscar bekam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2016)

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