Mehr Selbstwertgefühl durch Tanz

Die Tanzlehrer Hana und Attila Zanin bei den Proben mit ihrer „Ich bin o.k.“-Dance-Company.
Die Tanzlehrer Hana und Attila Zanin bei den Proben mit ihrer „Ich bin o.k.“-Dance-Company.Die Presse
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„Kein Stück Liebe“ heißt das neue Stück der „Ich bin o.k.“-Dance-Company. Den Ton geben dabei Menschen mit Beeinträchtigungen an.

Wer Lebensfreude und Begeisterung in ihrer reinsten Form sehen will, sollte eine Vorstellung der „Ich bin o.k.“-Dance-Company besuchen. „Kein Stück Liebe“ heißt ihr neues Stück und feiert am 1. April Premiere im Wiener Theater Akzent. Elf Tänzerinnen und Tänzer mit und ohne Behinderung thematisieren darin aktuelle Weltereignisse und wollen, wie sie betonen, keine Antworten liefern, sondern Fragen aufwerfen.

„Mit Mitteln des Hip-Hops und zeitgenössischer Tanztechniken entstehen dabei Bilder, die zum Nachdenken anregen sollen“, sagt Initiatorin Hana Zanin. „Ohne Wertung und Fazit wollen wir einen Prozess der Auseinandersetzung mit allgegenwärtigen Themen anregen, der dazu animieren soll, die Schwierigkeiten des Lebens mit Humor und Leichtigkeit zu nehmen.“ Die Tänzerin hat zusammen mit ihrem Mann Attila die Vorstellung choreografiert. „In den Medien scheint es derzeit nur ein Thema zu geben – die Flüchtlingssituation und Angst vor Überfremdung und Terror“, meint Attila. „Damit werden auch unsere Tänzer konfrontiert und reagieren besonders sensibel darauf. Die Angst vor dem Ungewissen verunsichert und belastet sie.“

Selbstbewusst im Alltag

Gegründet wurde die Dance Company 2010, um Tänzern mit Behinderung zu ermöglichen, mit professionellen Künstlern zu arbeiten und ihre Fähigkeiten zu erweitern. Den Verein gibt es schon seit 1979 – ins Leben gerufen von Attilas Mutter, der Psychologin und Theaterwissenschaftlerin Katalin Zanin. Ihr Antrieb damals: Menschen mit Behinderung sollten nicht diskriminiert, sondern in der Gesellschaft deutlich sichtbarer werden. „Wir sind sehr glücklich zu beobachten, dass unsere Tänzer in den vergangenen Jahren auf der Bühne viel selbstbewusster, facettenreicher und kreativer geworden sind“, erzählt Attila. „Ganz besonders freuen wir uns darüber, dass sich diese positive Entwicklung auch außerhalb des Vereins fortsetzt. Denn sie gehen nun auch leichter, selbstverständlicher und bewusster durch ihren Alltag.“

Der 36-Jährige ging in Wien zehn Jahre in die Ballettschule der Wiener Staatsoper und stieg später auf Hip-Hop-Oldschool-Tanz um. Hana hat in Prag eine klassische Ballettausbildung absolviert, dann im Staatstheater getanzt, ehe sie nach Österreich kam. Beide sind Tanzprofis, die Arbeit mit Menschen mit Behinderung empfinden sie als große Bereicherung. „Sie tanzen einfach los, haben natürliche Bewegungen und so viel Freude dabei“, sagt Hana. „Nicht nur sie lernen von uns, auch wir profitieren von ihnen. Sie inspirieren und überraschen uns und bringen uns auf neue Ideen.“

Inspirierend findet die Arbeit auch Lina Hufnagl, eine der Profi-Tänzerinnen des Programms „Kein Stück Liebe“. „Das Training hier dauert zwar etwas länger als sonst, aber der Umgang ist viel persönlicher, herzlicher und unkomplizierter“, sagt die 23-jährige Tanzlehrerin. „Die Teilnehmer sind alle extrem motiviert und zeigen eine sehr hohe Lernbereitschaft, ich genieße die Proben und freue mich schon auf die Aufführungen.“ Hufnagl (https://www.and8.dance/de/artist/Lina.Tabitha) besuchte seit ihrer Kindheit zahlreiche Tanzschulen wie etwa die Schulen Rueff und Dance and Fun und beherrscht mehrere Tanzstile, darunter New Style Hip-Hop, Dancehall, House und Contemporary. Zwischen 2010 und 2012 besuchte sie den Lehrgang Urban Styles bei Masterseriez in Linz und nimmt seither erfolgreich an internationalen Wettbewerben teil. „Beim aktuellen Stück legen wir unseren Fokus auf den individuellen künstlerischen Ausdruck“, sagt sie. „Dabei wachsen die Tänzer auch ohne überflüssige akrobatische Technik auf der Bühne über sich hinaus.“

Weiterentwicklung geplant

In künftigen Inszenierungen der „Ich bin o.k.“-Dance-Company sollen auch Flüchtlinge mitmachen. „Unsere Tänzer wissen, wie es ist, anders zu sein, ausgegrenzt zu werden – ähnlich wie Menschen, die gerade nach Österreich gekommen sind“, meint Hana. „Daher wollen wir ein Zeichen setzen und auch Asylwerbern bzw. Asylberechtigten die Möglichkeit geben, sich künstlerisch zu betätigen.“

ZU DEN PERSONEN

Tanzschule. Hana und Attila Zanin führen seit 2010 den Verein „Ich bin o.k.“ (www.ichbinok.at), der Kurse für Menschen mit und ohne Behinderung anbietet. Besonders talentierte Tänzer treten weltweit auf Festivals auf. Zudem gibt es jährlich eine Schwerpunktproduktion. Das aktuelle Stück heißt „Kein Stück Liebe“ und feiert am 1. April Premiere, eine weitere Vorstellung gibt es am 6. April. Gegründet wurde der Verein mit dem Ziel, Menschen mit Behinderung den gleichen Stellenwert in der Gesellschaft zu geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2016)

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