Susanna Petkov: „Als Kind habe ich Vorhänge zerschnitten“

Fadenführend. Susanna Petkov ist Desig- nerin und Geschäftsführerin zugleich.
Fadenführend. Susanna Petkov ist Desig- nerin und Geschäftsführerin zugleich.(c) Christine Pichler
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Zum Designen geboren fühlt sich Susanna Petkov von der gleichnamigen Modefirma und verrät, wie man mit einer Strickerei in Wien überlebt.

„Wir kochen unsere eigene Suppe“, sagt Susanna Petkov, Geschäftsführerin der Modefirma Dr. Haider-Petkov und meint damit das, was im Marketingjargon gern mit Schlagwörtern wie „exklusives Design“, „hochwertige Verarbeitung“ oder „qualitätvolle Materialien“ angepriesen wird. Dahinter verbirgt sich im Fall Petkovs einer der wenigen Strickwaren erzeugenden Familienbetriebe in Wien. Und da viele Köche den Brei verderben, entstehen die Designs bei Petkov in Zusammenarbeit der beiden Geschwister Susanna und Michael mithilfe einiger weniger Mitarbeiter. Vom Entwurf bis zur Schaufenstergestaltung wird alles in Eigenregie gemacht. Die Spezialität des Hauses sind die sogenannten Bändchenkleider: „Wir sind die Einzigen, die heute noch die Strickbändchen an
der Puppe abstecken und dann zusammennähen. Wir schummeln nicht mit Seitennähten oder Reißverschlüssen“, erklärt die Designerin. Sie hat die Kleider selbst entwickelt, „meine Mutter war erst nicht begeistert, aber heute sind die Bändchenkleider der Dauerbrenner bei uns.“ Ihre Mutter hat das Modelabel Petkov 1966 gegründet und kümmert sich heute noch um die Buchhaltung. Mit ihrem Mann begann sie damit, Kleider in Paris einzukaufen, aber als eine Kollektion einmal durchweg verschnitten geliefert wurde, kam die Idee auf, die Produktion von Stoffen selbst in die Hand zu nehmen. Seitdem rattern die Strickmaschinen im Hause Petkov, während sie woanders im Land schon lang verstummt sind.

Verbandelt. Immer neue Variationsmöglichkeiten bieten solche Bändchenkleider.
Verbandelt. Immer neue Variationsmöglichkeiten bieten solche Bändchenkleider.(c) Christine Pichler

Eine Branche strauchelt. Vor allem Anfang der Siebzigerjahre hätten die meisten Strickereien geschlossen, weiß Textilingenieur Robert Brenn, der schon seit über 20 Jahren als Strickereilehrer in der Modeschule Hetzendorf in Wien und seit 2001 auch an der Universität für Angewandte Kunst unterrichtet. „Als ich noch zur Schule ging, gab es viele Strickereien in Wien, zum Beispiel Bernhard Altmann oder Wispo, aber den Dollarverfall in den Siebzigerjahren haben viele davon nicht überlebt“, erinnert sich der Textillehrer. Webereien und Strickereien waren zahlreich Ende des 19.  Jahrhunderts in Wien entstanden, eben solche wie Bernhard Altmann oder das seit 1877 existierende Familienunternehmen Fanni Lemmermayer. Nach dem Ersten Weltkrieg brach die erste Krise über die Branche herein, als Österreich auf seine heutige Größe geschrumpft war und so ein Großteil des Absatzmarktes wegbrach. In den Dreißigerjahren erlebte die Strickmode noch einmal eine kurze Blüte, die jedoch durch den nächsten Krieg ein jähes Ende fand. „Heute haben so gut wie alle noch existierenden österreichischen Strickwarenhersteller die Produktion ausgelagert“, berichtet Robert Brenn, „auch das Zertifikat made in Austria verlangt ja nur nach einer 50-prozentigen Wertschöpfung in Österreich.“ Dass Modefirmen einsparen, indem sie ihre Produkte im Ausland fertigen lassen, ist bekannt. In Wien sind Designer, Labels und Strickereien aber ziemlich gut vernetzt, wie Marlene Agreiter von der Austrian Fashion Association berichtet, die auch die Kooperationsbörse Mode mitorganisiert hat: „Auch wenn viele große Strickereien eingegangen sind und der Strickindustrie etwas der Wind aus den Segeln genommen wurde, gibt es in Wien immer noch ein solides Fundament an Strickereien und Designern, die gern miteinander kooperieren und sich gegenseitig unterstützen.“

Mustergültig. Frisch aus der Strickmaschine kommt dieser Camouflage-Stoff.
Mustergültig. Frisch aus der Strickmaschine kommt dieser Camouflage-Stoff. (c) Christine Pichler

Verstrickt und verwandt. Das Konzept Familienunternehmen scheint weiterhin erfolgversprechend, wie das junge Stricklabel Rudolf beweist, das zusammen mit der elterlichen Färberei im 23.  Bezirk Strickmode erzeugt. Eine lokale Wertschöpfung – vom Entwurf über die Produktion bis zum Vertrieb – ist auch für Petkov essenziell. „Chinesische Touristen fragen in unserem Geschäft immer als Erstes, wo die Sachen produziert werden – sie haben keine Lust auf made in China“, erzählt Susi Petkov. „Wir haben keine Sommer- und Winterkollektionen, sondern es wird laufend entwickelt und immer wieder Neues in die Geschäfte gehängt.“ Diese Flexibilität mache das Unternehmen überlebensfähig, man könne auf Nachfrage und Markt sofort reagieren und bleibe so nicht auf den Sachen sitzen. Fernab vom üblichen Marketing- und Modezirkus liegt nicht nur die Werkstätte, die seit 20 Jahren im ersten Stock eines Hauses im sechsten Wiener Bezirk neben den anderen Mietwohnungen eine friedliche Koexistenz führt, man nimmt auch nicht an Modemessen teil oder betreibt Verkaufsstellen in Österreich. Einen Onlineshop gibt es nicht, und Petkov ist auch nicht auf den üblichen Social-Media-Plattformen zu finden. Fündig wird nur, wer das Haus verlässt und sich in die Innere Stadt begibt. Petkov-
Boutiquen gibt es nur am Kohlmarkt und in der Wollzeile in Wien. So solle das auch bleiben, meint Designerin Petkov. „Als Kind habe ich schon die Vorhänge der Eltern zerschnitten, Designen ist einfach meine Leidenschaft!“

„Chinesische Touristen  fragen immer als  Erstes, wo die Sachen  produziert werden.“
„Chinesische Touristen fragen immer als Erstes, wo die Sachen produziert werden.“(c) Christine Pichler

Die unzähligen Gestaltungsmöglichkeiten des Strickdesigns lassen die nächste Generation aber bisher kalt. Die Kinder der beiden Petkov-Geschwister wollen die Firma später nicht übernehmen. Die Faszination für das Handwerk, die von Susi Petkov ausgeht, bleibt jedenfalls ungebrochen und wird auch immer wieder von jungen Nachwuchsdesignern wie Lisa Mladek und Antonia Maedel von Rudolf neu entdeckt. „Aus Strick kann man einfach alles machen, Blazer, Abendkleider, Mäntel, Glamourtops“, schwärmt Petkov, „er hat dabei den Vorteil, dass er elastisch ist.“ Wer sich unter Strickdesign Omas selbst gemachte Wollsocken vorgestellt hat, wird in der Petkov-Werkstatt eines Besseren belehrt. Schade nur, dass die jungen Petkovs davon nichts wissen wollen, aber vielleicht kann der putzige Werkstatthund Harpo ihnen ja eine Designerkarriere schmackhaft machen.

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