Deborah Feldmans Memoiren

 Autorin Deborah Feldman vor der Hauptbücherei in Wien. Die Amerikanerin lebt seit etwa einem Jahr in Berlin.
Autorin Deborah Feldman vor der Hauptbücherei in Wien. Die Amerikanerin lebt seit etwa einem Jahr in Berlin.(c) Voithofer Valerie
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Die amerikanische Autorin wuchs in einer streng religiösen jüdischen Gemeinschaft in New York auf, der sie später den Rücken kehrte.

Deborah Feldman fühlt sich als Europäerin, da kann sie noch so viele Jahre in New York verbracht haben, der Metropole, in der sie auf die Welt kam und aufgewachsen ist. Feldmans New York ist nicht die Stadt, die Regisseure auf die Leinwand bringen, nicht Donald Trumps Glitzershow oder „Sex and the City“. Feldman sagt, sie habe mitten in New York „in einem alteuropäischen Schtetl“ gelebt: „Ich habe nicht Englisch gesprochen, ich bin mit sehr alten europäischen Werten aufgewachsen. Meine Kultur war sehr von Europa beeinflusst.“

Als sie später Fuß fasste, in diesem materialistischen Amerika da draußen, habe sie sich nicht gleich zurechtgefunden, erzählt die Autorin. Auch ein Grund, warum sie sich heute in Europa, in Berlin, niedergelassen hat. Zu New York, ihrer Vergangenheit, habe sie endlich physischen Abstand gebraucht. Aus Feldman sprudeln die Sätze nur so heraus, ein Mix aus Englisch und Deutsch, wobei sie die deutsche Sprache in Lichtgeschwindigkeit gelernt zu haben scheint, so gut spricht sie schon. Erst seit einem Jahr lebt sie in Deutschland.

Gut, das Jiddische habe beim Wortschatz geholfen, erzählt Feldman bei ihrem Besuch in Wien; sie stellt ihr Buch „Unorthodox“ vor, das kürzlich auf Deutsch erschienen ist (Secession Verlag). Als Feldmans Memoiren 2012 in den USA auf den Markt kamen, etablierte sich das Buch in den Bestsellerlisten, allerorts wurde darüber gesprochen, der Verlag schien überrumpelt.

Mit viel Lob wurde „Unorthodox“ überschüttet, aber nicht nur, insbesondere die jüdisch-chassidische Gemeinschaft, aus der Feldman ausgebrochen war, schoss scharf gegen ihre Autobiografie. Nestbeschmutzerin sei sie. „Sie haben versucht“, sagt die Autorin, „mich unglaubwürdig zu machen. Gesagt, dass ich geistig behindert sei, dass ich mich rächen wolle, dass ich lüge.“

Stadt der Wurzellosen

Feldman wurde in die jüdische Satmar-Gemeinschaft hineingeboren, deren Ursprünge im Grenzgebiet Rumänien-Ungarn liegen. Gegründet in New York von Holocaust-Überlebenden und -Vertriebenen. Die Community ist streng religiös, Kontakt zur Außenwelt ist unterbunden, wie Feldman beschreibt. Sie ist 17, als sie verheiratet wird, ihren Mann hat sie bis dahin nur einige Male flüchtig gesehen. Als glücklich kann die Ehe nicht bezeichnet werden. Feldman spielt früh mit dem Gedanken auszubrechen, bereits als Teenager hat sie verbotenerweise englischsprachige Literatur verschlungen. Der Bruch mit der Familie war freilich schwer, so auch die ersten Schritte in einer anderen Welt, die nur wenige Straßen weiter beginnt. Ihren Sohn hat Feldman mitgenommen. In Berlin erhält der Bub heute zwar Religionsunterricht in der Schule, aber das sieht Feldman als Pflege des kulturellen Erbes. Als religiös bezeichnet sie sich nicht.

In Europa hat Feldman für ihr zweites Buch, „Exodus“, das nun in englischer Sprache erschienen ist, nach den Wurzeln ihrer Großmutter gesucht. Ungarn, KZ Bergen-Belsen. Drüben in New York habe die chassidische Gemeinschaft ein bestimmtes Bild von Europa, und zwar, dass es sich um verbrannte Erde handle. „Ich habe mir das auch so vorgestellt. Es gibt keine Juden in Europa, es gibt nur Denkmäler.“ Ihre Reisen haben sie eines Besseren belehrt. Und in Berlin habe sie sich ohnehin gleich wohlgefühlt, handle es sich doch um die Stadt der Wurzellosen: „Alle, die kein Zuhause haben, kommen hierher.“ Nun kämpft sie um die deutsche Staatsbürgerschaft. Die bürokratischen Hürden seien höher als gedacht, aber es ist ja nicht das erste Mal, dass Feldman über Hürden muss.

Zur Person

Deborah Feldman, Jahrgang 1986, wuchs in der streng religiösen jüdischen Satmar-Gemeinschaft in New York auf. Mit 17 wurde sie verheiratet, bekam einen Sohn. Wenige Jahre später brach sie aus der Gemeinschaft aus und veröffentlichte in den USA ihre Memoiren, die zu einem Bestseller wurden. „Unorthodox“ liegt nun auch auf Deutsch vor. Secession Verlag, 20,50 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2016)

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