Reise durch das europäische Wien: Es geht um ein G'spür

(c) Andreas Edler
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Die Unternehmerin Katharina Moser hat ein neues Format für eine bessere Völkerverständigung getestet, die "Route 28", eine Mischung aus Wiener Spaziergang und Schnitzeljagd.

Bram Stokers „Dracula“ sollte ja eigentlich in der Steiermark spielen und „Styria“ heißen, dann fand der Autor Transsylvanien irgendwie ansprechender, seitdem traut sich dort keiner mehr hin. Das heutige Siebenbürgen liegt im Bauch Rumäniens, der Heimat Vlad Gozmans, der die jährliche Innovations-Konferenz TED 2010 nach Wien brachte. In seiner ersten Zeit in der zweiten Heimat musste sich Gozman vor allem mit Stereotypen herumschlagen. Ein Zimmer in einer WG zu finden war schon schwer, erzählte der mittlerweile hoch anerkannte Neu-Wiener-Jungunternehmer am Freitag im zugigen Arkadenhof der Hauptuni. Gozman und „Dracula“ waren dort beide Teil der Rumänien-Station der „Route 28“, einer Art Schnitzeljagd, die mit alten und neuen Kulturmärchen aufräumen will. Die Ziffer 28 steht dabei für die 28 Mitglieder der Europäischen Union. Der erste Test des Projekts startete bereits heuer – mit fünf Ländern, die in Wien ihre Spuren hinterlassen haben, 180 Teilnehmern und Guides, die das Suchen und Finden übernommen haben.

Pilotprojekt bereits gestartet

Entstanden ist das Konzept schon vor einem Jahr. Katharina Moser, eine Expertin im schwierigen Fach der europäischen Kommunikation, ist damals mit Stefan Apfl, dem Eigentümer und Chefredakteur des Monatsmagazins „Datum“, zusammengesessen. „Apfl hat mir eine Idee vorgeschlagen, basierend auf einer Schnitzeljagd, die er gerade für seine Freundin organisierte. Es ging darum, eine Reise durch Wien zu machen, bei der man Einflüsse und Spuren anderer europäischer Länder kennenlernt.“ 2017 soll daraus, rund um den Europatag, der am 9. Mai (bisher stiefmütterlich) gefeiert wird, ein öffentliches Großevent werden. „Eine neue Möglichkeit, Europa zu erleben“, ergänzt Apfl, „und zwar abseits von hehren Reden, blau-gelben Luftballons und einem kalten Buffet“. Die große Vision sei es, „Route 28“ europaweit zu veranstalten. „Man könnte es in jeder Hauptstadt aufziehen, weil es überall genügend Elemente aus anderen Ländern gibt.“ Europa versprüht zur Zeit aber wenig gute Laune. Ängste vor Brexit, Geldnot und Zuzug verstellen den Blick auf das einstige Friedensprojekt. „Das sind aber alles politische Themen, von denen sich viele in erster Linie abgeschreckt fühlen. Da muss man immer etwas wissen, um mitreden zu können. Bei unserem Ansatz geht es um ein G'spür.“ Ein G'spür als Ausgangsbasis dafür, dass man sich auch für politische und wirtschaftliche Zusammenhänge interessiert. Das bekommt man zum Beispiel in Frau Piotrowskis Pierogi-Laden oder am Schwedenplatz, der so heißt, weil Schweden die Österreicher nach den Weltkriegen mit einer Art Marshallplan unterstützt hat. Oder am Ballhausplatz, der weniger mit Tanz als mit spanischem Ballsport zu tun hat.

Mit ähnlich versteckten Wahrheiten beschäftigt sich auch Christian Mandl. Er nahm an den Test-Spaziergängen teil und leitet die Aktion Europaschirm, im Rahmen derer er seit 2008 auf Kirtagen und Feuerwehrfesten mit Österreichern über das Reizthema EU diskutiert.

Vorurteile gegen Europa

Viele Vorurteile hätten weniger mit der EU als mit Österreich zu tun. „Nicht ausrottbar ist die Gurkenkrümmung.“ Sie ist keine Brüsseler Erfindung, obwohl das viele denken. Die Gemüse-Klasse wurde vor Jahrzehnten auf Wunsch der europäischen Händler von den Vereinten Nationen entwickelt. Gerade Gurken ließen sich besser in die Kisten schlichten. „Und Österreich hat die Gurkenkrümmungs-Norm schon in den 1960er-Jahren übernommen, von EU-Beitritt war da noch gar keine Rede.“ Ein anderer Aufschrei galt der Allergenkennzeichnung in Speisekarten. „Die EU-Richtlinie sagt nur, dass die Kunden im Gasthaus das Recht haben, zu erfahren, welche Allergene in den Speisen sind.“ Die Umsetzung stand den Staaten frei. In Frankreich reicht es, wenn man den Kellner fragt.

Katharina Moser

Die 32-jährige Wienerin sammelte ihre ersten Joberfahrungen im Außenministerium und am Londoner British Council, danach wechselte sie zum Forum Alpbach. Vor gut einem Jahr machte sich Moser mit der Agentur Mosaik selbstständig, mit teils unkonventionellen Projekten möchte sie hier das europäische Gefühl stärken. Nach dem Kartenspiel „Komm zu mir“ hat sie jetzt die Schnitzeljagd „Route 28“ entwickelt, die heuer getestet wurde und 2017 als öffentliches Großevent stattfinden soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2016)

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