Die Pratersauna in neuem Gewand

INTERVIEW MIT ´PRATERSAUNA´-BETREIBER MARTIN HO
INTERVIEW MIT ´PRATERSAUNA´-BETREIBER MARTIN HO(c) APA/ROBERT JAEGER
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Die sensibel neu gestaltete Pratersauna verbindet das Versiffte und Gestylte auf beseligende Art. Herzstück ist eine schillernd grüne Bar mit Eiswanne.

Als sich Ende letzten Jahres die Gerüchte verdichteten, dass Martin Ho mit seiner Dots-Gruppe die Pratersauna übernehmen wird, galt die erste Angst vieler Stammgäste dem Verlust des lieb gewonnenen, schundigen Ambiente. Hierzulande hängt jugendkulturelle Glaubwürdigkeit traditionell mit einem Verzicht auf Design zusammen. Wenigstens im Wiener Nachtleben gilt, dass Ornamentlosigkeit ein Zeichen geistiger Kraft ist, wie es Adolf Loos in seinem Vortrag „Ornament und Verbrechen“ darlegte.

Wer das nicht beherzigte, konnte auch in den vergangenen Jahrzehnten spektakulär scheitern. Legendär war der rasche Niedergang des von heimischen Künstlern exzentrisch gestalteten Mavo, einer 1987/88 realisierten Fusion von Sushi-Lokal, Tanztempel und Cocktailbar. Ein paar Jahre vorher übernahm sich der Gastronom Pepi Böse mit der Übernahme des Kaffee Alt-Wien. Er übernahm das Lokal von einer alten Dame und behübschte es in Vorstadtmanier. Die Bilanz war ernüchternd. Die von Messinglampen angestrahlten Sitzecken blieben gähnend leer. Das Alt-Wien, wie wir es heute kennen, wurde bald danach vom Kunsthändler Kurt Kalb ins Leben gerufen. Der ließ allen Kitsch rausreißen und die alte Möbelage aus dem Keller holen. Seit dieser Entscheidung zugunsten eines Pauvre Chic ist das Alt-Wien jede Nacht voll. Eine Maßnahme, von der sich der damalige Kunststudent Amer Abbas offensichtlich inspirieren ließ.

Radikale Schmucklosigkeit

Seine beiden Trinkerhöhlen Futuregarden und New Bar setzen erfolgreich auf radikale Schmucklosigkeit. Martin Hos Ansage, aus der Pratersauna einen Beachclub machen zu wollen, scheuchte die Puristen des Underground ziemlich auf. Jetzt kann Entwarnung gegeben werden. Der Balanceakt, das Versiffte und das Gestylte in einen Dialog zu bringen, glückte. Herzstück der Pratersauna ist eine schillernd grüne Bar mit zentraler Eiswanne. Die darüber und rundherum angebrachten Leuchtmittel, zu Lüstern verbundene Stablampen, wechseln immer wieder die Farbe. Aus dem Garten lachen illuminierte Buchstaben: „Ha Ha Ha“. Niemand spreizt hier den kleinen Finger beim Trinken ab. Zartere Gliedmaßen könnten abfallen bei den das Trommelfell peitschenden Sounds. Geerdet wird dieses Lokal nämlich nach wie vor durch die subsonischen Bässe eines brachialen Techno. Ältere Besucher – es gibt sie vereinzelt – mögen sich nach Nebenräumen mit Schmalztenören oder New-Age-Gesäusel sehnen, allein, so was ist nicht vorgesehen. Es gibt keine Gnade.

Die Teenager des Neoliberalismus wollen es nicht anders. Ganz nach dem Motto: Wenn's nicht wehtut, dann ist es nicht echt. Wie nervöse Henderln bewegen sie sich zu erbarmungslos hämmernden Stücken wie D-Unitys „Tic Toc“ und Jaceos „Godzirra“. Die Tanzflächen sind recht klein. Dicht an dicht macht man hier seinen Roboter. „Glashaus“ nennt sich der attraktivere der beiden Dancefloors. An der Stirnseite reflektieren grüne und blaue Sechsecke die Lichtstrahlen des Stroboskops. Gleich gegenüber öffnet sich um 1 Uhr die Glasfront zum Garten hin. Ab Juni soll es hier mittwochs geordnetes Nachtbaden mit Bademeister geben. Einstweilen springen Mutige jetzt schon in der ganzen Montur hinein. Was die innere Benetzung mit Flüssigkeit betrifft, hat sich das Niveau erfreulicherweise erhöht. Der Gin-Tonic etwa wird mit Bombay Sapphire und Fentimans zusammengebraut. Und ruft dann die Natur aufs hier gar nicht so stille Örtchen, dann tröstet so mancher subtile Blickfang über die lange Schlange davor. Seltsam wuscheliges Gras wächst von der Decke herunter, kleine Bilder auf dem Boden amüsieren.

Dass die Klofrau einen weißen Vollbart und eine Fantasie-Uniform trägt, passt ins bedachtsam verbesserte Gesamtbild. Die angenehm schlichten visuellen Akzente haben zu fortgeschrittener Stunde psychoaktive Potenz. Der ganze durch Flackerlicht und Donnersounds ausgelöste Stress mag sich da im Blick auf einzelne Elemente verlieren. Über den in Leuchtschrift gehaltenen Sinnspruch oberhalb der Garderobe lässt sich etwa vortrefflich sinnieren: „We whisper to our past.“

ZUR SACHE

Pratersauna. Eröffnet 1965, hatte die zwischen Messegelände und dem damaligen Praterstrich situierte Lokalität als Treffpunkt von Mafia und Halbwelt bald zweifelhafte Reputation. In den Achtzigerjahren war sie ein Swingerlokal. 2009 übernahmen Hennes Weiss und Stefan Hiess und eröffneten einen House-Techno-Electro-Club internationalen Zuschnitts. Es gastieren Granden wie Ogris Debris, Peter Kruder, Dorian Concept und Loud Minority. 2016 eröffnet Martin Hos Dots-Gruppe die Pratersauna neu. Sie ist seit Anfang Juni täglich ab 10 Uhr Früh geöffnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2016)

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