Ein Café voller (anderer) Thonets

Beigestellt
BeigestelltFacebook
  • Drucken

Bevor die Alte Post umgebaut wird, eröffnen Thonet und das Café Jonas Reindl in der Dominikanerbastei für ein Jahr ihr temporäres Kaffeehaus.

Eigentlich fragt man sich ja, warum nicht früher jemand auf die Idee gekommen ist, ein Thonet-Café zu eröffnen. Immerhin ist der Möbelhersteller vor allem für ein Stück bekannt: den ultimativen Kaffeehaussessel aus Bugholz, den der Tischlermeister Michael Thonet 1859 in Wien erfand und der zum Wiener Kaffeehaus gehört wie die latent grantigen Kellner.

Nun, von Letzteren ist in dem Pop-up-Café, das das Traditionsunternehmen heute, Mittwoch, in der Alten Post auf der Dominikanerbastei in Wien offiziell eröffnet, keine Spur. Im Gegenteil: Philip Feyer (29) vom Café Jonas Reindl am Schottentor, der den gastronomischen Teil des temporären Kaffeehauses leitet, macht trotz Morgenstund gut gelaunt Kaffee. Und überraschenderweise ist der berühmte Kaffeehaussessel hier zwar natürlich vertreten – aber gegenüber den anderen Sesseln in unterschiedlichen Formen und Farben doch in der Unterzahl.

Da ist zum Beispiel der Lieblingsstuhl von Percy Thonet, Urururenkel des Firmengründers und seit rund fünf Jahren für das Österreich-Geschäft zuständig: die korallenrote Nummer 405. Ein gepolsterter Sessel, für den der deutsche Designer Stafan Diez 2007 die ursprüngliche Bugholzidee Michael Thonets mit geschwungenen Holzelementen weiterentwickelte. „Man sitzt dynamisch, aber ohne dass der Stuhl instabil ist“, sagt der 37-Jährige. Sein nächster Favorit ist Nummer 533, ein Stahlrohrfreischwinger im Bauhausstil, designt 1927 von Mies van der Rohe.

Thonet ist weit mehr als der Kaffeehaussessel – auch, wenn vor allem in Wien den meisten dieser in den Sinn kommt, wenn sie den Namen hören (und das Unternehmen ihn nie aus dem Programm nehmen würde). Das bewusst zu machen ist mit die Aufgabe von Percy Thonet. „Viele denken, dass wir 1900 oder 1930 stecken geblieben sind“, sagt er. Also noch bevor der Unternehmensgründer überhaupt die Liaison mit den Bauhausdesignern einging. „Wenige wissen, dass wir immer weiter neue Modelle entwickeln.“

Voraussichtlich ein Jahr lang können sich die Besucher des Pop-up-Cafés auch im Showroom nebenan ein Bild machen. Danach wird das riesige historische Gebäude – in dem nach der Sommerpause mit der Markterei auch wieder ein regelmäßiger Markt stattfinden wird – umgebaut: Geplant sind in dem ehemaligen Post- und Telegrafenamt ein Hotel, internationale Gastronomie und Wohnungen.

Stuhl 14 dreimal im Programm

Um die Marke Thonet gibt es bisweilen Verwirrung: Den Kaffeehausklassiker Stuhl Nr. 14 hat nicht nur die Thonet GmbH im Programm, die Percys Urururgroßvater Michael Thonet 1819 in Deutschland gegründet hat (er heißt heute: 214). Sondern auch Gebrüder Thonet Vienna als N. 14 und das Unternehmen Ton als Stuhl 14. Die Wiener Firma, die vom österreichischen Teil der Familie gegründet und vor einigen Jahren verkauft wurde, hat mit den Erben Michael Thonets allerdings nichts mehr zu tun. Und Ton – die in einem ehemaligen Thonetwerk in Tschechien produzieren – hatte das nie.

Seine eigene Wohnung hat Percy Thonet übrigens fast ausschließlich mit originalen Thonetsesseln ausgestattet. Nur zwei Ausnahmen gibt es laut dem dreifachen Vater – und die sind wenig überraschend auch nicht von Ikea. In der Wohnung steht ein Stück des finnischen Designers Yrjö Kukkapuro. Und ein echter Klassiker: ein alter Eames-Chair aus Aluminium, der interessanterweise im Kinderzimmer steht. Warum dort? „Der ist unzerstörbar.“

AUF EINEN BLICK

Das Thonet-Pop-up-Café in der Alten Post in Wien eröffnet heute, Mittwoch, offiziell. Die Möbel kommen vom Traditionshersteller Thonet, der nebenan auch einen Showroom betreibt. Der Kaffee kommt vom Café Jonas Reindl. Geplant ist eine Laufzeit von einem Jahr. Danach soll das Ex-Hauptpostamt – in dem ab November auch wieder die Markterei stattfindet – u. a. Wohnungen und Geschäfte beheimaten. Das Pop-up-Café ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet, Dominikanerbastei 11.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.