Greta Gerwig: "Teil einer Frauenbewegung"

GERMANY-ENTERTAINMENT-FILM-FESTIVAL-BERLINALE
GERMANY-ENTERTAINMENT-FILM-FESTIVAL-BERLINALEAPA/AFP/dpa/KAY NIETFELD
  • Drucken

In der unkonventionellen Komödie "Maggies Plan" spielt Greta Gerwig eine junge Frau, die ihr Liebesleben aktiv nach eigenen Kriterien gestaltet. Das ist eine Paraderolle für die selbstbewusste Schauspielerin.

Sie kann grobschlächtig und ungelenk wirken, oder auch elegant und damenhaft. Sie kann wunderschön aussehen, oder durchschnittlich oder fast hässlich – aber immer ist sie etwas Besonderes, und immer sieht man ihr gern dabei zu. US-Schauspielerin Greta Gerwig, die am 4. August ihren 33. Geburtstag feiert, ist seit Filmen wie „Frances Ha“ oder „Mistress America“ so etwas wie eine Ikone des modernen Independent-Kinos, in dem Frauen genauso mitspielen dürfen wie Männer, ohne gleich ins Chick-Flick-Eck gestellt zu werden.

In der umwerfenden Komödie „Maggies Plan“ (Kinostart: 4. August) spielt sie, neben Ethan Hawke, Julianne Moore und Travis Fimmel, eine junge Frau auf der Suche nach dem perfekten Liebesleben: Ihr Charakter Maggie wünscht sich darin ein Kind – einen Vater sieht der Lebensentwurf der New Yorkerin Mitte 30 dabei aber nicht vor. Ein geeigneter Samenspender ist schnell gefunden, doch kurz bevor Maggie ihren Plan in die Tat umsetzen kann, steht John (Hawke) vor der Tür, enttäuscht von seiner eingefahrenen Ehe mit der dominanten Georgette (Moore), bereit, mit Maggie einen Neuanfang zu wagen.

Wo die meisten Romantikkomödien enden, geht es bei „Maggies Plan“ erst richtig los: Drei Jahre später ist Maggie zwar glückliche Mutter, aber John arbeitet lieber an seinem Roman als an seiner Ehe mit ihr. Maggies Lösung: Es muss ein neuer Plan her – John soll zurück zu seiner Exfrau.

Ist „Maggies Plan“ so etwas wie eine moderne Liebeskomödie?

Greta Gerwig: Ja, schon. Oder vielmehr eine modernisierte Version der Comedy of Remarriage, der Ehekomödie, wie sie etwa Howard Hawkes oder George Cukor in den 1930ern und 1940ern so meisterlich inszeniert haben. Früher ging es ja im Kino viel mehr mehr um die Wirren der Liebe selbst, um das Zusammenraufen. Erst viel später drängte sich dann die Suche nach dem „einzig wahren Richtigen“ in den Vordergrund. Das ist meistens ziemlich langweilig.

Es ist ja nicht nur im Komödiengenre so: Wenn Frauen eine tragende Rolle haben, dann geht es meistens darum, dass sie einen Mann finden.

Ja, genau. Es gibt kaum Filme, in denen es zum Beispiel darum geht, dass eine Frau um ihre Anerkennung als Künstlerin kämpft. Die Heldenreise, das Sich-selbst-Finden, ist etwas, was meistens nur Männer oder Buben durchmachen dürfen. In einer Coming-of-Age-Geschichte mit einer weiblichen Protagonistin besteht das Happy End ja auch meist darin, dass sie endlich ihren Mr. Right findet.

Sie selbst waren kaum in solchen Filmen zu sehen – wie kommen Sie zu Ihren Rollen? Müssen Sie sich durch sehr viel Müll durcharbeiten, der Ihnen angeboten wird?

Gar nicht so viel, wie man glauben möchte (lacht). Ich hatte wirklich Glück und konnte mit Leuten arbeiten, die interessante, vielschichtige Figuren erfinden, die nahe am Leben sind, mit realistischen Zielen und menschlichen Widersprüchen. Irgendetwas habe ich wohl in meinem Leben richtig gemacht, dass ich so viele tolle Chancen bekommen habe.

Auch wenn sie nicht immer mit fairen Mitteln und Argumenten geführt wird – wenigstens gibt es heutzutage eine echte Diskussion über die Rolle der Frauenfiguren im Film.

Ja, und darüber bin ich natürlich auch sehr froh. Vor allem, weil an dieser Diskussion auch die echten Entscheidungsträger beteiligt sind, die Filmemacher und die Produzenten. Ich glaube ja, dass unsere Lebensrealität, die Realität und die Werte, nach denen wir sie gestalten, sehr stark von den Geschichten beeinflusst wird, die wir erzählt bekommen – und das passiert heute vor allem über Literatur, Theater und Kino. Aus diesen Geschichten lernen wir, was wichtig ist. Und wenn eine ganze Hälfte der Bevölkerung in diesen Geschichten nur als Nebenfigur vorkommt, dann wird schlicht vermittelt, dass diese Menschen und ihr Leben nicht so wichtig sind. Als Frau wächst man mit Geschichten auf, die dich glauben lassen, dass dein Leben nur wichtig ist, um die Geschichte eines Mannes voranzutreiben. Und so sehe ich es auch als meine Verantwortung als Filmemacherin, das anders zu machen. Den Ball voranzutreiben.

Sehen Sie sich als Ikone einer neuen Generation von Künstlerinnen?

Nein, das sicher nicht, aber als Teil dieser Generation. So viele unterschiedliche Frauen können sich heute in so vielen unterschiedlichen Genres verwirklichen, und ich fühle mich da wirklich als Teil einer Bewegung. Es ist, als ob wir alle, von der Independent-Filmerin Jill Soloway („Afternoon Delight“, Anm.) bis zu den Komikerinnen Tina Fey oder Amy Schumer, an einem Strang ziehen würden. Es werden immer mehr von uns. Und wir arbeiten alle zusammen für die gleiche Sache. Ich bin glücklich, da mitmachen zu können.

Wie gehen Sie mit dem allgegenwärtigen Frauenhass um?

Ich habe weder Twitter noch Instagram, das hilft sehr. Ich bin sicher, ich würde Tonnen von hasserfüllten Kommentaren über mich finden, aber ich ziehe es vor, sie gar nicht erst zu suchen. Wahrscheinlich ist das eine gewisse Vogel-Strauß-Politik meinerseits, aber ich bin viel zu dünnhäutig, um mich dem auszusetzen. Ich glaube, ein einziger gemeiner Kommentar würde mich schon total fertigmachen. Ich bin ja mit Lena Dunham befreundet, und es ist unglaublich, womit sie sich herumschlagen muss. Das ist echt schockierend. Ehrlich. Immer, wenn ich so etwas sehe, dann denke ich mir: „Meine Güte, die Leute müssen Frauen wirklich aus tiefstem Herzen hassen!“ Ich hab gerade Jon Ronsons Buch „So You've Been Publicly Shamed“ gelesen, da geht es darum, wie Menschen via Social Media öffentlich an den Pranger gestellt werden. Und da schreibt er auch über den Unterschied, wie über Männer und wie über Frauen hergezogen wird. Bei Männern kommen vor allem Aussagen wie: „Du solltest deinen Job und dein ganzes Geld verlieren, kriech doch zurück unter den Felsen, unter dem du hervorgekrabbelt bist.“ Bei Frauen dagegen kommen Sachen wie: „Ich werde dich vergewaltigen, bis du krepierst! Ich werde deine Mutter vor deinen Augen vergewaltigen! Ich hoffe, du wirst vergewaltigt, bis du tot bist.“ Die Gewaltandrohungen gegen Frauen und Männer sind völlig verschieden. Und darum bin ich nicht auf Twitter. Ich habe echt nicht den Nerv dafür.

Sie sind ein großer Literaturfan. Was lesen Sie gerade?

Die endlich auf Englisch übersetzte Romanserie „L'amica geniale“ der italienischen Schriftstellerin Elena Ferrante (die deutsche Übersetzung „Meine geniale Freundin“ erscheint ab September, Anm.). Und in einem Interview sagt sie: „Ich wusste lange Zeit gar nicht, dass eine Frau die Hauptperson eines Buches sein kann, denn alle meine Lieblingsbücher aus der Weltliteratur handeln von Männern. Wunderbare Abenteuergeschichten, in denen Männer lauter spannende Sachen machen – aber die Abwesenheit von Frauen in diesen Geschichten hat mir vermittelt, dass ich unmöglich ein Buch über mich selbst schreiben kann, weil das einfach nicht das ist, worum es in der Literatur geht. Literatur ist, über Männer zu schreiben.“ Und dass sie selbst dieses Vorurteil überwunden hat, ist eine riesige Inspiration für mich.

Steckbrief

Greta Gerwig wurde am 4. August 1983 in Sacramento, Kalifornien, geboren.

2006 war sie Schriftsteller-Stipendiatin am Vassar College und begann, eigene Filme zu drehen, Drehbücher zu schreiben und zu schauspielen.

Filmdebüt. Ebenfalls 2006 gab sie ihr Spielfilmdebüt in der Tragikomödie „LOL“.

2010 spielte sie neben Ben Stiller in „Greenberg“, in den Filmen „Frances Ha“ (2012) und „Mistress America“ (2015), nun in der Komödie „Maggies Plan“. Sie wurde für zahlreiche Filmpreise nominiert, darunter für einen Golden Globe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.