"Willst du sexy sein mit mir?"

Liebt das Regressive genauso wie das Progressive: Herwig Zamernik.
Liebt das Regressive genauso wie das Progressive: Herwig Zamernik. (c) Valerie Voithofer (Voithofer Valerie)
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Fuzzman-Mastermind Herwig Zamernik und seine Singin' Rebels zeigen beim Popfest, dass Herzschmerzmusik auch mit Hirn gemacht werden kann.

„Gebürtig?“ Nein, gebürtiger Kärntner ist er keiner. Dafür einer, der die Klischees der Lässigkeit und Lebenslust des südlichsten Bundeslands lebt wie keiner seit Udo Jürgens. Überraschenderweise ist Herwig Zamernik, Mastermind von Fuzzman, in Wien geboren. Erst im Volksschulalter verbrachte ihn seine Familie nach Friesach. Eine Art Kulturschock war die Folge.

„Als Weaner Bazi nach Kärnten zu kommen, das war kein Honiglecken. Damals mochte man sogar die Deutschen noch lieber. Innerhalb von 14 Tagen hab ich mir den Wiener Dialekt abgewöhnt, habe Kärntnerischer als die geborenen Kärntner gesprochen“, erinnert er sich heute mit einem Schmunzeln. Seine musikalische Sozialisation erfolgte in einer Konfliktzone. „Mein Vater liebte Schlager, meine Mutter Free Jazz. Wenn er Heintje aufgelegt hat, ist meine Mutter durchgedreht. Wie man sich vorstellen kann, hat die Ehe nicht lang gehalten“, ächzt er, der beide Strömungen aufgesaugt hat.

Zamernik liebt das Regressive genauso wie das Progressive. Mit 16 Jahren stand allerdings erst einmal eine Rebellion an. Der junge Mann ließ sich die Federn wachsen und riss nach Klagenfurt aus. „Auf dem Land revoltiert man, indem man Metal spielt.“ Zamernik schloss sich als Bassist der Band Disharmonic Orchestra an, die sich nicht darauf beschränkte, carinthische Pioniere des Grindcore und Death Metal zu sein. „Es waren die Zeiten vor dem Internet. Wir organisierten uns internationale Tourneen, indem wir Musikkassetten an Agenten verschickten.“

USA- und Europa-Tourneen

Das heute hoppertatschig wirkende Marketingkonzept wirkte. Das Disharmonic Orchestra absolvierte zahlreiche USA- und Europa-Tourneen. „Ich habe nie mehr wieder so viele Platten verkauft wie damals“, seufzt Zamernik, der seit vielen Jahren zur Stammbesetzung der Indie-Band Naked Lunch gehört. Wie kam er überhaupt zum Bass, jenem Instrument, zu dem die Mädchen angeblich die innigste Beziehung aufbauen? „An die Damen hab ich damals nicht gedacht. Ich bin einfach in dieses sexy Instrument hineingestolpert.“ Mittlerweile hat er die Wirkmacht seines Basses zur Genüge erforscht. Auf dem aktuellen Opus „Fuzzman feat. The Singing Rebels“ spielt er ihn beinah so knackig wie einst Ladi Geisler im Bert-Kaempfert-Orchester. Etwa im leicht anzüglichen „Sexy Signale“, das in eine Moonlight-Bar führt, wo hungrige Herzen zueinanderfinden.

Die kokette Frage „Willst du sexy sein mit mir?“ hat Zamernik im wirklichen Leben allerdings noch nie gestellt. Seine persönliche Marke von Schlager weist enge Anbindung an die Indie-Pop-Ästhetik auf. Kriegerisch durchchoreografierter Schlager à la Helene Fischer behagt ihm nicht. In Zamerniks Texten blitzt nicht zu wenig Ironie auf. Manchmal aber, etwa im Song „Straßenhund“, dominiert unverstelltes Gefühl. „Erst die vergangenen fünfzehn Jahre haben den Schlager in Verruf gebracht. Da hat er sein Herz verloren. Aus irgendeinem Grund bin ich mit der Fuzzman-Musik in der Indie-Szene verhaftet, aber ich hätte keine Angst davor, in der ,Carmen Nebel‘-Show aufzutreten.“

Der erste unterhaltsame Versuch eines Cross-over hatte bereits bei Stermann/Grissemann erfolgreich Premiere. Der skurrile Gesang von „Für eine Handvoll Gras“ ist umrahmt von den schönen Harmonien einer sehr speziellen Boyband. Nach anfänglichen Widerständen war tatsächlich der Männergesangsverein Obermillstatt gern mit dabei. „Zunächst haben manche gemeint, dass sie bei einem Kifferlied nicht mitsingen wollen. Ich konnte ihnen aber klarmachen, dass es hier um Absurdität geht.“

Dass am Ende des dazugehörigen Videos die Pferde scheuen, sollte man keinesfalls mit der Qualität der Musik assoziieren. Vor eineinhalb Jahren ist Zamernik wieder in seine alte Heimat Wien zurückgekehrt. Er wird ein verlorener Sohn bleiben. „Eigentlich könnte ich jetzt wieder mit meinem tief verschütten Wiener Dialekt anfangen. Aber ich tue es nicht. Als Kärntner kommt man nämlich in Wien leichter durchs Leben.“

AUF EINEN BLICK

Popfest. Zum siebenten Mal präsentieren sich zwischen 28. und 31. Juli heimische Musikschaffende auf dem und um den Wiener Karlsplatz. Mehr als 50 Acts sind heuer beim Popfest mit dabei. Das von der Stadt initiierte Gratisfestival wird vom Austroliedermacher Voodoo Jürgens eröffnet, die Elektrobarocker Johann Sebastian Bass bestreiten das Finale am Sonntag.

www.Programm:www.popfest.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2016)

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