„Richtige Stars sind bescheiden“

Bestreitet seine letzten Festspiele in Salzburg: Grischa Asagaroff.
Bestreitet seine letzten Festspiele in Salzburg: Grischa Asagaroff.(c) Günther Freund/wild & team
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Grischa Asagaroff, Direktor des Künstlerischen Betriebsbüros, ist seit fünf Jahrzehnten eine fixe Größe im Opernbetrieb.

Agnes Baltsa, Edita Gruberova, Jean-Pierre Ponnelle, Nikolaus Harnoncourt, Claus Helmut Drese: Die Fotos über dem Schreibtisch von Grischa Asagaroff zeigen ihn mit großen Namen der Opernwelt. Der künstlerische Betriebsdirektor der Salzburger Festspiele hat mit den Stars zusammengearbeitet, mit vielen – wie mit Agnes Baltsa, Mirella Freni, Placido Domingo oder Juan Diego Flórez – ist er befreundet. Wenn am 31. August die Salzburger Festspiele 2016 zu Ende gehen, hat er seinen letzten Arbeitstag in der Direktion des Festivals.

Nach 50 Jahren fester Anstellungen im deutschsprachigen Opernbetrieb geht der 69-Jährige in Pension. Künftig will sich der gebürtige Münchner auf seine Tätigkeit als Regisseur konzentrieren. Seine Übersiedlung nach München erledigt er im Eiltempo, schließlich beginnen am 8. September in Zürich schon die Proben für die Wiederaufnahmeder „Cavalleria Rusticana/Pagliacci“, die er inszeniert.

„Ich habe immer versucht, mit den Sängern zu arbeiten und nicht gegen sie“, sagt Asagaroff über seine Arbeit. Sein Einfühlungsvermögen schuf Vertrauen, aus dem Vertrauen wuchs Freundschaft. Mit den richtigen Stars war es immer einfach. „Das sind bescheidene Menschen.“ Viel schwieriger ist der Umgang mit jenen, die glauben, Stars zu sein. „Ich musste keinen der Großen jemals mit Herr Kammersänger anreden“, schmunzelt er.

In die Wiege gelegt

Die Affinität zur Kunst wurde Asagaroff in die Wiege gelegt. Sein Vater – Georg Asagaroff – war Filmregisseur und Schauspieler, die Mutter hatte eine Filmproduktionsfirma. Mit der Oktoberrevolution musste der Vater 1919 aus Russland fliehen, Sohn Grischa – im Pass steht „Georg“ – kam 1947 in München zur Welt. Ursprünglich wollte er Sänger oder Schauspieler werden.

Aber die Stimme machte nicht mit. In der Welt der Oper begann er 1964 als Statist – zufällig, weil ein Schulfreund ihn gefragt hatte. Seine erste Aufgabe: Stadtwache. Der Gymnasiast nützte jede freie Minute – und so manche unter einem Vorwand geschwänzte Turnstunde –, um im Münchner Nationaltheater in der Statisterie zu arbeiten. Nach der Matura studierte er Theater- und Musikwissenschaften sowie Kunstgeschichte. „Regieklassen hat es damals noch gar nicht gegeben“, erzählt er. Unter seinen Lehrernan der Universität war Regielegende August Everding. Statist, Regieassistent, Inspizient – Asagaroff arbeitete sich in der Bayerischen Staatsoper München nach oben. Im Jahr 1966 hatte er die erste Begegnung mit dem Opernregisseur Jean-Pierre Ponnelle.

Bei den Freilichtaufführungen von Verdis „Simon Boccanegra“ in München war er sein Assistent. Später wurde er die rechte Hand von Ponnelle, begleitete ihn zu vielen Inszenierungen im In- und Ausland. Unverzichtbar immer mit dabei: eine Tasche mit Notverpflegung für Ponnelle. Sie enthielt Mineralwasser, Whisky, Kaffeepulver und eine Stange filterlose Gitanes. Der Regisseur rauchte drei Schachteln pro Tag. Und das auch bei den Proben mit den Sängern – etwas, was heute undenkbar ist. Asagaroff ist so etwas wie der Gralshüter der unvergesslichen Ponnelle-Inszenierungen.

„Zeitlose Inszenierungen“

Wird an einem Opernhaus eine seiner Arbeiten wieder eingerichtet, wacht er darüber, dass nichts verändert wird. „Es sind zeitlose Inszenierungen“, findetAsagaroff. „Meine Regie ist zu normal für die Kritik“, sagt er über seine eigenen Inszenierungen, die ihn in alle Welt führten und vom Publikum geliebt wurden. Aber bezüglich der Kritik hat er ohnehin seine eigene Meinung: „Es gibt eine ziemlich große Diskrepanz zwischen den Kritikern und dem Publikum.“ Beim Publikum kämen klassische Aufführungen meist viel besser an als so manche moderne Regieidee.

Und was hat sich in den fünf Jahrzehnten Opernbetrieb geändert? Die Künstler seien früher nicht so gehetzt gewesen, junge Sänger hätten länger Zeit gehabt, um sich zu einer Persönlichkeit zu entwickeln. Die Bühnentechnik habe sich stark verändert, und ohne E-Mail und SMS komme heute kein Opernbetrieb mehr aus.

Die Festspiele – Asagaroff kam 2012 mit Alexander Pereira, mit dem er 21 Jahre in Zürich zusammengearbeitet hatte, nach Salzburg – waren ein Höhepunkt seiner beruflichen Karriere. Hier fügte sich sein Netzwerk in der Opernwelt zu einzigartigen Begegnungen. Stolz ist er beispielsweise auf die Besetzung von „Faust“ mit Piotr Beczała, Ildar Abdrazakov und Maria Agresta in den Titelrollen. Seine Idee war es, den Bühnenbildner Reinhard von Thannen für die Regie zu gewinnen. „Manon Lescaut“ mit Anna Netrebko und ihrem Mann Yusif Eyvazov legte den Grundstein für eine neue Freundschaft. Asagaroff hat auch schon Ideen für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Paar. Er denkt dabei an Giordanos Oper „Fedora“.

(Print-Ausgabe, 13.08.2016)

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