Die Paradeiserjagd

Seit ich kochen kann, jage ich Paradeisern nach. Paradeisern, die nicht nach Gurken schmecken, nämlich. Bislang war der Erfolg stets nur vorübergehend.

Sie schmeckten säuerlich. Aber manche auch ein bisschen süß. Sie dufteten verführerisch. Und sie waren grün, gelb, orange, einige fast blauschwarz – und natürlich auch rot: die Paradeiser, die ich neulich erstand. Wir bereiteten damit Caprese zu, das heißt, von denen, die übrig waren, nachdem die Marlene sie entdeckt hatte. Himmlisch! Also ging ich am nächsten Tag wieder hin, Nachschub kaufen, dem Preis von 4,90 Euro für 750 Gramm zum Trotz.

Leider aus. Seither habe ich sie nicht mehr gefunden.

Das passiert mir dauernd. Seit ich kochen kann, jage ich Paradeisern nach. Paradeisern, die nicht an Gurke erinnern, die nicht mehlig im Mund zergehen oder hart sind wie Äpfel. Leider ist der Erfolg immer nur vorübergehend: Die Rispentomaten, auf deren Entdeckung ich so stolz war – ein Jahr später kosteten sie zwar das Doppelte, dafür schmeckten sie wie Pappe. Dann gab es für eine kurze Zeit akzeptable Ochsenherzen, bis auch sie wieder aus den Steigen verschwanden, um von Kirschtomaten abgelöst zu werden, die mittlerweile aber auch nicht mehr viel besser sind als ordinäre spanische Treibhausware. Und nein, das sonst so beliebte „Solange die Leute nicht mehr zahlen wollen“-Argument zieht hier nicht: Wir zahlen sogar für Papp-Paradeiser Apothekerpreise.

80 Marmeladensorten. Es ist wie verhext, mittlerweile finde ich in den meisten Supermärkten ordentlichen Wein und vernünftigen Käse, ich kann zwischen 80 Marmeladensorten wählen, zwischen 15 Essigmarken, und wenn ich will, bekomme ich rosarotes Himalajasalz und lilafarbenen Reis aus Laos. Aber Tomaten, aus denen man Salat zubereiten kann, ohne sie in Dressing zu ersäufen? Äpfel, die nicht an gezuckertes Mehl erinnern? Birnen, die nach Birnen riechen? Sogar bei den Erdäpfeln muss man mittlerweile Glück haben, sonst kann nicht einmal mehr eine gut gewürzte Béchamelsauce das Gratin retten.

Wobei wir uns, unkritische Konsumenten, die wir sind, natürlich an etliches gewöhnt haben, in der Zwischenzeit fällt uns gar nicht mehr auf, wie fade die Kirschen, wie schal die Marillen, wie jedes Zitrusaromas beraubt die Mandarinen schmecken. Das Zeug ist irgendwie süß und angeblich gesund, das reicht uns schon. Aber dann fährt man einmal nach Oberitalien, kauft als Proviant im Supermarkt (!) ein bisschen Obst ein und erinnert sich wieder: So!! Wie das schmeckt! Wie das duftet! Wieso, bitte, schaffen es diese Früchte eigentlich nicht über die Grenze? Wir haben doch Schengen?

Aufgeben will ich freilich noch nicht. Ein Kollege hat einen heißen Tipp: Es gibt da einen Stand am Viktor-Adler-Markt . . . Er bringt mir demnächst welche mit.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

(Print-Ausgabe, 28.08.2016)

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