Tom Hiddleston: "Der einsamste Job der Welt"

Actor Tom Hiddleston arrives on the red carpet for the annual White House Correspondents Association Dinner in Washington
Actor Tom Hiddleston arrives on the red carpet for the annual White House Correspondents Association Dinner in WashingtonREUTERS
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In der dreiteiligen John-le-Carré-Verfilmung „The Night Manager“ (ab heute Abend in ORF eins zu sehen) glänzt der britische Schauspieler Tom Hiddleston („Thor“) einmal ohne Fantasykostüm.

Ein außergewöhnlich fein gezeichnetes Gesicht, breite Schultern, schmale Hüften. Eine sehr gewählte Sprache mit feinem Londoner Akzent. Tom Hiddleston ist ein Typ, der für Hollywood wie gemacht zu sein scheint. Man kennt ihn im Kino hauptsächlich als Fantasyhelden: In den „Thor“- und „The Avengers“-Blockbustern spielt er den gequält-bösen Loki, an der Seite von Tilda Swinton in „Only Lovers Left Alive“ gab er den Vampir. In der Verfilmung des John-le-Carré-Bestellers „The Night Manager“ ist er nun, unter der Regie von Oscar-Regisseurin Susanne Bier („In einer besseren Welt“), knallhart real zu sehen: Als Topspion im Gentleman-Outfit versucht er, dem Waffenhändler Roper (Hugh Laurie) das lukrative Handwerk zu legen. Der für zwölf Emmys nominierte TV-Mehrteiler ist ab heute Abend auf ORF eins zu sehen, via Zweikanalton auch in englischer Originalfassung – ein Highlight für alle Freunde der schönen britischen Stimmen.

Ist es einer Ihrer Bubenträume, in einer John-le-Carré-Verfilmung mitzuspielen?

Tom Hiddleston: Ja, und wie. Ich habe ja Spionagegeschichten immer schon geliebt, und le Carré ist der Meister dieses Spiels. In seine Welt hineinblicken zu dürfen, ist ein echtes Privileg. Man merkt, dass er sehr viel Ahnung von dem hat, was er beschreibt, und hinter jedem Satz erkennt man seine große Intelligenz. Ich mag die Art, wie er schreibt, sehr gern, das war auch einer der Gründe, warum ich bei diesem Projekt zugesagt habe.

Le Carré hat ja auch einen Gastauftritt in „The Night Manager“.

Ja, und er war richtig gut. In der Szene geht es darum, dass in einem Lokal in Mallorca ein Gast an meinem Tisch sehr unangenehm auffällt. Und le Carré spielt einen anderen Gast am Nachbartisch, der deshalb extrem verärgert ist. Meine Filmfigur soll ihn dann wieder beruhigen – damit wird dargestellt, wie gut sie mit Menschen umgehen kann. Wir haben das improvisiert, und ich habe gesagt: „Es tut mir furchtbar leid, dass Ihnen hier solche Unannehmlichkeiten bereitet werden, darf ich Sie als Gegenleistung auf Ihr Essen einladen?“ Und er darauf, ganz eiskalt: „Nein, ich kann Ihre Entschuldigung nicht annehmen.“ Er hat mich ziemlich aus dem Konzept gebracht (lacht).Und schließlich wurde diese Szene, die eigentlich nur für ein paar Sekunden geplant war, fast eine Minute lang.

Gary Oldman sagte nach seiner Rolle in der Le-Carré-Verfilmung „Tinker Tailor Soldier Spy“, dass Spion wohl der einsamste Job der Welt sei. Sehen Sie das auch so?

Ja, und das ist etwas, was einem immer klarer wird, je länger man so eine Rolle spielt: Man muss die Wahrheit vor allen anderen Menschen verstecken, man kann zu niemandem ehrlich sein. Das muss sehr, sehr einsam machen. Wir alle beziehen ja viel von unserem Selbstbewusstsein, von unserer ganzen Identität, von dem, was wir sind und über uns erzählen können. Unsere Geschichte ist das, was uns definiert. „Ich bin Tom Hiddleston, Schauspieler aus London, das sind meine Freunde, das und das mache ich in meiner Freizeit . . .“ Einem Spion ist das Erzählen seiner Geschichte verwehrt. Er muss sein wahres Selbst ständig verschweigen. Und so wird er langsam wohl nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst zum Geheimnis. So etwas zu spielen ist wirklich faszinierend.

Wenn man sich Ihre Filmfigur ansieht, dann gibt es gar nicht so wenige Gemeinsamkeiten zwischen Spionen und Schauspielern.

Ja, völlig richtig. Beide spielen mit der menschlichen Identität, mit ihrer Wandelbarkeit und Formbarkeit. Ein bisschen kennen wir das ja alle, egal, welchem Beruf man nachgeht. Wir spielen ständig verschiedene Rollen. Die Frau, die Sie jetzt darstellen, ist ja sicher eine andere als die, die Sie dann später am Abend beim Drink sein werden.

Das ist zu befürchten, ja.

Jedenfalls passen wir unser Verhalten immer an unterschiedliche Situationen an. Und genau darum geht es ja beim Schauspielen, nur viel extremer. Das große Privileg meines Berufs ist, wie ich finde, dass man dabei das eigene Potenzial auf sehr viele verschiedene Arten austesten kann. Und bei dieser Rolle war das ja gleichsam komprimiert: Meine Filmfigur ist jemand, der sich quasi vor aller Augen versteckt halten kann. Er kann charmant sein, wenn es sein muss, er kann gewalttätig werden, wenn es sein muss, oder ein ganz ruhiger Beobachter. Dieses Spannungsfeld verschiedener Identitäten innerhalb eines Mannes war etwas, was mich sehr gefesselt hat.

Dieser Jonathan Pine, den Sie hier spielen, ist angesichts Ihrer bisherigen Filmografie eine recht ungewöhnliche Rolle.

Es war neu, aber trotzdem vertraut. Vielleicht, weil ich endlich so aussehen durfte, wie ich aussehe, ohne Schminke, Perücke oder Fantasykostüm. Das war angenehm. Außerdem ist er mir als Person sehr sympathisch. Pine ist die Verkörperung von le Carrés Wut auf alles, was falsch in der Welt läuft. Der Ärger über Roper, über Menschen, die sehr böse Dinge tun und dafür auch noch mit Macht und Reichtum belohnt werden. Ich konnte beim Spielen meine eigene Wut verwenden, das war hilfreich.

Was macht Sie wütend?

Leute, die große Verantwortung haben und sie missbrauchen. Die Konsequenzen, die solcher Missbrauch für zahllose unschuldige Menschen hat, sind groß und dauerhaft. Das macht mich wütend. Ich teile le Carrés Wut auf Ropers Zynismus. Dieser Mann hat alle Freiheiten der britischen Demokratie geerbt und verwendet diese Privilegien für die miesesten Dinge, die man sich vorstellen kann. Er finanziert sein Luxusleben mit Milliarden an Dollars durch den Handel mit dem Tod. Er handelt in ganz großem Stil mit Chemiewaffen, ohne auch nur irgendeinen Gedanken an deren Opfer zu verschwenden. Und wenn diese Art von Zynismus ungestraft existieren kann, ist unsere Welt ein sehr düsterer Ort.

Allerdings mit spektakulären Locations – Ropers Villa ist ja ein unglaublich schöner Schauplatz.

Oh ja. Wir drehten das in diesem riesigen Anwesen namens La Fortaleza auf Mallorca, das ist eine der teuersten Immobilien in Spanien. Der Set-Designer musste überhaupt nichts machen, außer die schönsten Räume auszusuchen.

Sie spielen in zahlreichen Blockbustern mit. Wo finden Sie da die emotionale Tiefe, die psychologische Schärfe?

Damit diese großen Geschichten funktionieren, brauchen sie immer so etwas wie ein Rückgrat. Einen roten Faden, eine Geschichte mit einer echten Message. Ein sehr gutes Beispiel ist hier „Jurassic Park“, in dem es um die Arroganz des Menschen und die übermächtige Kraft der Natur geht. Und in „Thor“ geht es um die Komplexität der Beziehungen innerhalb einer Familie. Aber klar, „Thor“ und „The Night Manager“ sind völlig unterschiedliche Herausforderungen.

Sie haben Ihre derzeitige Freundin, die US-Sängerin Taylor Swift, 2015 bei den Dreharbeiten zu „I Saw the Light“ kennengelernt, in dem Sie die Country-Music-Legende Hank Williams verkörpern. Diese Rolle war wohl auch eine harte Nuss.

Ja, das war sie in der Tat. Das Schwierigste war, meine Singstimme so hinzubringen, dass ich wirklich wie er klinge. So etwas habe ich noch nie gemacht. Ich bin zwar recht musikalisch, ich singe gern und spiele auch Klavier und Gitarre – aber das alles in meiner eigenen Tonlage. Zu versuchen, wie jemand anderer zu klingen, ist noch einmal eine ganz andere Herausforderung, die ich wirklich nicht verhauen wollte: Hank Williams ist für die US-Musik so etwas wie Marlon Brando für das Kino. Sogar Bob Dylan sagt, er wäre ohne Hank Williams nie Musiker geworden.

Steckbrief

Tom Hiddleston
wurde 1981 in London geboren.

2005 schloss er seine Ausbildung an der Royal Academy of Dramatic Art in London ab.

Nach Kinonebenrollen sowie Auftritten im Theater wurde er als Loki in der Comicverfilmung „Thor“ bekannt. Es folgten Rollen in der Verfilmung des Comics „Die Rächer“, unter dem Titel „The Avengers“ sowie in der Fortsetzung von „Thor“.

2011 war der britische Schauspieler in Woody Allens Komödie „Midnight in Paris“ sowie in Steven Spielbergs Kriegsfilm „Gefährten“ zu sehen.

Es folgten Rollen in der Fernsehserie „Henry IV.“ und „Henry V.“ sowie in den Filmen „Only Lovers Left Alive“, „Muppets Most Wanted“, „Tinkerbell und die Piratenfee“, „I Saw the Light“, „High-Rise“ und „Crimson Peak“. Zurzeit ist er in der Serie „The Night Manager“ zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2016)

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