Noah Saavedra: Schöpferische Romanzen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Sein Ziel? „Glücklich werden“, sagt Noah Saavedra. Dazu macht er Musik, fährt Snowboard für „James Bond“ – und spielt jetzt Egon Schiele.

Eineinhalb Jahre lang hatte Regisseur Dieter Berner nach ihm gesucht. Am Ende ging es schnell. Während seines Jahrs an der Jungen Burg hatte Noah Saavedra ein Castingvideo angefertigt, selbiges fand seinen Weg durch die Casterszene, er wurde zu einem Vorsprechen eingeladen, sollte „ein Mädchen anbaggern“. Erfolglos: Seine Erotik sei zu erwachsen, beschied man ihm. Aber er möge doch gleich zum nächsten Film weitergehen.

„Und da war ich dann bei diesem Casting, unvorbereitet“, schildert Saavedra. „Ohne zu wissen, wer der Regisseur ist, in diesem Raum mit den vielen Menschen und dem grellen Licht und dem groß aufgebauten Set, und hab einen Text in die Hand bekommen.“ Cold reading hieße das, erfuhr er später. „Also hab ich improvisiert, getanzt, abstrakte Bewegungen machen müssen.“ Eine Woche später wurde er zu einem Konstellationscasting eingeladen, dann war klar, dass er Schiele würde.

Noah Saavedra sitzt in der Secession, hier wurde auch gedreht; morgen Abend wird der Film im Belvedere präsentiert, mit anschließender Premiere im Gartenbaukino. Wie das nun sei mit seiner Erotik? „Ich bin mit vier Frauen als Bezugspersonen aufgewachsen“, versucht der 25-Jährige einen Erklärungsversuch. „Mir ist das weibliche Geschlecht nicht fremd. Ich habe viele Freunde, die ganz aufgeregt werden, wenn sie mit einem Mädchen sprechen, einfach weil es ein Mädchen ist. Das hab ich nicht so. Ich bekunde offen mein Interesse. Wenn Leute Ehrlichkeit und offenes Interesse als erotisch betrachten, dann ist es eben erotisch. Und so war Schiele auch.“

Antiautoritär aufgewachsen

Nur dass Schiele wusste, dass er malen wollte. Saavedra hat sich „bis heute nicht“ überlegt, was er werden will, außer: „Glücklich“. Tischler wäre eine Option gewesen, eine Tätigkeit „mit einem Material, das mir nicht dazwischenredet, das mit mir arbeitet, und wo man ein klares Erfolgserlebnis hat“. Oder Kindergärtner, nur sei er dafür noch selbst zu sehr Kind. „Man kann da wahnsinnig viel anrichten, aber auch viel Gutes tun, wenn man intelligent ist und empathisch und sich Mühe gibt.“

Er selbst, sagt Saavedra, habe tolle Lehrer gehabt. Zunächst in der Freien Schule Hofmühlgasse, „eine super alternative Schule“ für ihn als antiautoritär erzogenes Kind. Im Gymnasium musste er lernen, sich an getakteten Unterricht anzupassen, in der Oberstufe ging es wieder anarchischer zu, in der „Helter Skelter“-Klasse des Brigittenauer Gymnasiums wären die Lehrer selbst gern Rockstars gewesen. Die Musik sei absolut seines, sagt Saavedra, „sie gleicht mich aus, begleitet, beflügelt mich“. Zum Beruf machen will er sie nicht, „die Schauspielerei als Beruf zu begreifen fällt mir leichter“.

Entdeckt hat er sie durch Zufall, über einen Deutschen mit ebenfalls südamerikanischen Wurzeln (Saavedras chilenischer Großvater floh als Sozialist vor dem Pinochet-Regime), der sich an der Angewandten bewerben wollte und als Couchsurfer bei Saavedra am Sofa übernachtete. Über ihn fand er einen Freund aus der Modeklasse, „wir haben viele stroboskopgefüllte Nächte miteinander verbracht, in denen wir uns ein bisschen aus dem Universum rausgeschossen haben, wir hatten eine Art schöpferischer Romanze. Ich habe Gedichte geschrieben, er hat gemalt, wir haben viel Zeit nebeneinander schweigend im Prozess verbracht“. Dessen Freundin nun war Psychologiestudentin, „und wie das bei Psychologiestudenten ist, die machen sich ein Hobby daraus, ihre Freunde auseinanderzunehmen“. Von ihr kam der Vorschlag, sich für die Junge Burg zu bewerben, das sei etwas für Unentschlossene. „Ich hab gesagt, nie, ich mach nicht das, was du sagst – und hab mich trotzdem klammheimlich beworben.“

Alle anderen dort hatten dann doch einschlägige Pläne – und die nötigen Informationen, die sie bereitwillig teilten. So landete Saavedra auf der Schauspielschule, erst in Wien, dann an der Ernst Busch Schule Berlin. „Viele Schulen verhunzen dich, indem sie dir einen Stempel aufdrücken. Diese Schule gibt dir ein Handwerk.“ Den Ortswechsel habe er gebraucht, „ich musste aus meinem gewohnten Umfeld raus, um mich richtig zu öffnen“. Inzwischen umfasst sein Lebenslauf sogar einen „James Bond“. In „Spectre“ spielte er einen Snowboarder – allein, er wurde rausgeschnitten. Dennoch: Groß zu denken, das lerne er gerade in seiner Schule in Berlin. Und die Psychologin habe natürlich recht gehabt. Nur dass sich das Pärchen vorher trennte, „ich musste es ihr nie erzählen“.

ZUR PERSON

Noah Saavedra wurde 1991 in Oberpullendorf geboren und gilt daher als „Burgenländer“ seiner Wiener Familie. Sein Name ist chilenisch, sein Großvater war vor dem Pinochet-Regime nach Österreich geflohen. 2012/13 nahm er am Schauspieljahr Junge Burg teil, danach studierte er am Konservatorium Wien, seit Herbst 2015 an der Ernst Busch Schule Berlin. Er spielt Gitarre, singt, surft und fährt Snowboard. In Dieter Berners Künstlerdrama „Egon Schiele: Tod und Mädchen“ spielt er die Hauptrolle. Ab 7. Oktober im Kino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2016)

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