Claus Theo Gärtner: „Ich denke nicht täglich über den Tod nach“

Fototermin zum ZDF- Krimi-Special 'Matula'
Fototermin zum ZDF- Krimi-Special 'Matula'APA/dpa/Christian Charisius
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Der 73-jährige Schauspieler Claus Theo Gärtner hat kein Problem mit dem Alter. „Das kommt vielleicht noch, wenn ich 85 bin“, sagt er. An Ruhestand denkt er nicht, im Gegenteil.

In Ihrer Autobiografie, die vor Kurzem erschienen ist, schreiben Sie gleich zu Beginn, Sie hätten mehrere Leben gelebt: eines als Schauspieler, eines als Rennfahrer und eines als Abenteurer. Das klingt ein bisschen so, als wäre Ihr Leben schon vorbei.

Claus Theo Gärtner: Nee, weiß Gott nicht! Ich habe da noch einiges zu tun. Wir bereiten gerade den nächsten Film vor.

Wieder über Ihr Alter Ego, Josef Matula?

Aber nicht „Ein Fall für zwei“, sondern nur Matula, quasi als Rentner. Es ist der zweite Teil.

Der erste wurde heuer gedreht. Wann kommt der Film ins Fernsehen?

Am Karfreitag. Ich hoffe, er stinkt nicht gegen „Quo vadis“ oder „Die Bibel“ ab, die zu Ostern immer laufen. Im Ernst: Das ist kein schlechter Termin, wir rechnen mit hohen Einschaltquoten.

Sie sind jetzt 73 Jahre alt, ein Alter, mit dem manche schon seit zehn Jahren Rentner sind. Wie geht es Ihnen mit dem Älterwerden?

Ich habe kein Problem damit. Das kommt vielleicht noch, wenn ich 85 bin.

Warum haben Sie gerade jetzt eine Autobiografie herausgebracht?

Weil ich eben doch 73 bin. Ich dachte, wenn ich sie jetzt nicht schreibe, dann vielleicht nie.

Denkt man im Alter öfter an den Tod?

Ich denke nicht täglich über den Tod nach, aber bei bestimmten Anlässen.

Fürchten Sie ihn, den Tod?

Ich habe keine Angst vor dem Tod, ich stelle nur fest, dass die Einschläge immer dichter kommen. Vor Kurzem ist eine gute Freundin gestorben, mit 52. Bei der Beerdigung, zu der klassischen Musik in der Kapelle, denkt man schon: Du könntest jetzt auch hier liegen. Oder, noch schlimmer: meine Frau.

Ihr Bruder Jürgen ist vor 23 Jahren an Krebs gestorben. Wie geht man mit einem solchen Einschlag, wie Sie es nennen, um?

Er ist leider nur 50 geworden. Das war furchtbar. Sie müssen sich vorstellen: Ich war am Samstag bei ihm im Krankenhaus. Wir saßen zusammen und tranken Rotwein. Da hat er zu mir gesagt: „Wenn ich hier raus bin, komm' ich mal auf dein Schiff.“ Ich hatte damals in Holland so ein Boot, das wollte er sehen. Und am Montagmorgen rief mich meine Mutter an und sagte: „Jürgen ist tot.“ Das konnte ich nicht fassen, lange Zeit nicht. Er war ja, als ich ihn besuchte, wie kerngesund. Wie gesagt: Wir tranken Rotwein und hatten Pläne. Das ist hart. Und der Tod meines Vaters war ebenso hart, vielleicht noch härter.

Die Nachricht vom Tod Ihres Vaters haben Sie während eines Autorennens erhalten.

Das war das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Ich musste den ersten Turn noch fertig fahren. Aber mit Tränen in den Augen bin ich vorher noch nie ein Rennen gefahren.

Glauben Sie, dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht?

Das wäre eine schöne Hoffnung, aber ich glaube nicht daran.

Auch Josef Matula ist mit den Themen Alter und Verlust konfrontiert. Vor drei Jahren ist seine Wohnung in die Luft geflogen, er hat alles verloren. Damals wollten Sie mit ihm abschließen. Jetzt machen Sie doch weiter. Kommen Sie von Matula nicht los?

Ich würde jede andere Rolle auch spielen, aber Tatsache ist, dass ich nach 30 Jahren Matula als Schauspieler verbrannt bin. Vor drei Jahren dachte ich: Ich mach mal eine Pause und reise, danach wird sich schon was ergeben. Aber nix da. Irgendwann kam ein wunderbares Matula-Drehbuch. Also habe ich wieder angefangen. Hätte ich nichts, würde ich mich langweilen. Dann wäre es mit dem Leben ziemlich bald vorbei.

So eine Lebensrolle scheint Fluch und Segen gleichzeitig zu sein.

Ja. Der Segen ist, dass ich gut auskomme, dass es mir die ganze Zeit Spaß gemacht hat, dass ich nie arbeitslos war.

Und der Fluch?

Ich habe vor einigen Jahren in diesem Film über Helmut Khol – „Der Mann aus der Pfalz“ – den Heiner Geißler gespielt. Und in der „FAZ“-Kritik stand dann: „Was macht denn der Matula in der Pfalz?“ Da wusste ich: Ich bin nur noch Maske, eine Maske für Matula.

Ist es bitter, wenn man immer auf diese Rolle reduziert wird? Kaum jemand weiß, dass Sie öfter auf der Theaterbühne gestanden sind als vor der Kamera.

Nein, nicht mehr.

„Nicht mehr“ heißt aber, dass es Sie irgendwann gestört hat.

Solang ich das gemacht habe, hat es mich nicht gestört. Erst danach.

Der Erfolg von „Ein Fall für zwei“ hängt stark an Matula. Was macht ihn so populär?

Erst mal seine Authentizität. Man kann sich mit ihm identifizieren. Er war nicht der große Siegertyp, der James Bond.

Na ja, ein bisschen schon.

Aber doch mehr ein Bond für arme Leute. Man wollte ihn gewinnen sehen. Und das hat er, obwohl er was auf die Mütze gekriegt hat, doch immer wieder geschafft. Das ist sein Erfolgsgeheimnis.

Mittlerweile verkörpert er auch ein etwas angestaubtes Männlichkeitsideal.

Ganz sicher. Die „Bild“ hat geschrieben: „Ach Matula, Du alter Macho, Du Held unserer untergegangenen Männerwelt.“ Das war er, und das ist er noch.

Sind die Grenzen zwischen Claus Theo Gärtner und Josef Matula verschwommen?

Alles, was der Matula hat, hat er von mir. Das Glück war, dass ich diese Rolle kreieren konnte. Es gab keine Vorlage. Vieles hat sich spontan ergeben. So hat sich sein Charakter von Folge zu Folge gefestigt. Und an mir angelehnt.

Wo unterscheiden Sie sich?

Ich bin vielleicht nicht so moralinsauer, wie Matula es manchmal ist.

Moralinsauer?

Er ist ja doch ziemlich konservativ. Das bin ich nicht.

Sie waren im Sozialistischen Deutschen Studentenbund, aus dem auch Rudi Dutschke hervorgegangen ist. Würden Sie sich auch heute noch als Linken bezeichnen?

Ja.

Und wo im linken Spektrum stehen Sie?

Zwischen SPD und Grünen. Wobei mir bei den Grünen nicht gefällt, dass sie hier in Berlin alles bestimmen wollen. Zum Beispiel, dass wir da und dort nur 30 Stundenkilometer fahren sollen. Das hat unheimliches Chaos verursacht.

Ist das eine ökologischere Form der – wie haben Sie es genannt – Moralinsäure?

Richtig. Die Grünen sind mir auch zu moralinsauer. Trotzdem wähle ich sie.

Und die SPD?

Die muss man wählen. Sonst ist sie weg vom Fenster.

Haben Sie eine Erklärung für den Aufschwung der AfD?

Angst. Man hat es in der Flüchtlingskrise verabsäumt, die Leute aufzuklären. Aber das könnte man nachholen.

Was halten Sie von Angela Merkel?

Ich finde sie in Ordnung. Das, was sie macht und sagt, ist richtig. Ich meine, wir sind 80 Millionen! Es wäre doch ein Witz, wenn wir das nicht schaffen.

Ihre Frau ist Schweizerin, Sie pendeln zwischen Berlin und Basel. Was ist der Unterschied zwischen Deutschland und der Schweiz?

Manche Schweizer – sicher nicht alle – sind schon sehr spießig. Das geht mir auf den Wecker. Und Deutsche werden in der Schweiz nicht so sehr gemocht. Das spürt man hin und wieder.

Als Kind haben Sie mit Ihrer Familie eine Zeit lang in Tirol gelebt, in Fulpmes. Wie ist heute Ihre Wahrnehmung von Österreich?

Es gefällt mir nicht, dass Österreich die Grenzen dichtmachen will. Wenn das passiert, wird es für Europa schwierig. Ansonsten unterscheidet sich Österreich nicht so sehr von Deutschland.

Sie sind viel herumgekommen. Gibt es für Sie den schönsten Ort der Welt?

Das ändert sich ständig. Wenn ich es mir leisten könnte, hätte ich sicher zehn Plätze, wo ich ständig hinfahren würde.

Welche wären das?

New York, Paris, Neuseeland, Bora Bora. Auch ein Stück Afrika wäre dabei.

Was ist Ihr nächstes Reiseziel?

Das weiß ich noch nicht. Im Jänner geht ja die Dreherei schon wieder los.

Können Sie vom zweiten Matula-Teil schon etwas vorwegnehmen?

Er spielt zum Teil in Österreich.

In Fulpmes?

Nein, aber in den Bergen.

Herr Gärtner, darf man Sie auch fragen,...

1. . . an wen oder was Sie glauben?

Es gibt noch ein Leben vor dem Tod – daran glaube ich.

2. . . wie viele Zigaretten Sie pro Tag rauchen?

Ungefähr 30. Wenn es mir leichtfallen würde, würde ich ja auch mit dem Rauchen aufhören. Das Rauchverbot stört mich allerdings nicht. Im Gegenteil. Ich finde es sogar angenehm, dass in Restaurants nicht mehr geraucht werden darf. Ich gehe gerne raus. Nirgendwo habe ich so viele Leute kennengelernt wie vor Kneipentüren.

3. . . welche Partei Sie bei der Berlin-Wahl am 18. September gewählt haben?

Die Grünen und die SPD (man kann eine Erststimme für den Direktkandidaten im Wahlkreis abgeben und eine Zweitstimme für die Partei, Anm.).

Steckbrief

1943
Claus Theo Gärtner wird am 19. April in Berlin geboren. Seine Mutter ist Balletttänzerin, sein Vater Kaufmann. Er wächst im Ruhrgebiet auf. Nach dem Schauspielstudium in Hannover folgen Engagements an renommierten Häusern wie dem Hamburger Thalia -Theater. Zwischen 1981 und 2013 spielt er 300 Mal den Privatdetektiv Josef Matula in der Krimiserie „Ein Fall für zwei“. 2016 kehrt Gärtner als Matula vor die Kamera zurück – für ein Film-Special. Teil zwei ist bereits in Planung.

Autobiografie
Im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag ist vor Kurzem Gärtners Autobiografie erschienen (20,60 Euro). Aufgeschrieben hat sie seine dritte Ehefrau, die Regisseurin und Autorin Sarah Gärtner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2016)

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