Jesse Eisenberg: "Bin Woody unendlich dankbar"

(c) REUTERS (YVES HERMAN)
  • Drucken

Der Schauspieler Jesse Eisenberg spricht über seinen neuen Film, "Café Society", seinen "einschüchternden" Ko-Star Kristen Stewart und die Vorteile seiner Bekanntheit. Außerdem erklärt er, warum ohne Woody Allen alle Helden aussehen würden wie Clark Gable.

Ein schüchterner, unbeholfener und sehr naiver junger New Yorker (Jesse Eisenberg, „The Social Network“, „Batman v Superman: Dawn of Justice“) kommt nach Hollywood, findet hier zu sich selbst, zu Kristen Stewart und schließlich über Umwege auch zum Erfolg und zu Blake Lively: In „Café Society“ (Kinostart: 11.November) erzählt Woody Allen einmal mehr die Geschichte eines Mannes, der seine optische Durchschnittlichkeit mit Witz und Charisma kompensiert.

„Der schmalbrüstige Held ist ein Archetypus des modernen Kinos, den es ohne Woody wahrscheinlich gar nicht geben würde“, meint der Hauptdarsteller, der nach „To Rome with Love“ nun schon zum zweiten Mal mit Allen gearbeitet hat. Eisenberg im Interview.

Wenn man Ihre Schauspielkollegen fragt, wie es denn sei, mit Woody Allen zu drehen, ist das erste Wort der Antwort so gut wie immer: „Ungewöhnlich.“ Sehen Sie das auch so?

Jesse Eisenberg: Oh ja, absolut. Es ist wirklich ungewöhnlich. Man kommt um sechs Uhr morgens ans Set – das ist ja noch ganz normal – und rechnet damit, nicht vor sieben oder acht Uhr abends fertig zu werden. In Wahrheit ist man dann aber schon zu Mittag wieder zu Hause. Woodys Arbeitstechnik unterscheidet sich drastisch von allen Regisseuren, die ich bisher kennengelernt habe. Er dreht vielleicht einen oder maximal zwei Takes pro Szene. Das ist für einen Schauspieler maximal verunsichernd, weil man immer das Gefühl hat, irgendwie nicht genug zu tun. Andererseits ist man immer voll konzentriert, weil man es ja beim ersten Mal gleich richtig machen muss, das fühlt sich fast an wie am Theater. Man ist sich dauernd dessen bewusst, dass die Szene, die man spielt, genau so im fertigen Film landen wird – nicht heftig zurechtgeschnitten, wie man das sonst sehr oft erlebt. Eine Erfahrung, die sehr intensiv, inspirierend und nervenaufreibend ist, aber dafür körperlich erstaunlich wenig anstrengend.

Woody ist ein sehr scheuer Mensch, der viel Wert auf die Privatsphäre seines eigenen Lebens legt. Genau wie Sie selbst ja auch – haben Sie je damit gerechnet, Hollywood-Star zu werden?

Nun, wenn Sie sich ein paar Superheldenfilme angesehen haben, dann wissen Sie ja, dass meist gerade die scheuen, zurückgezogenen Menschen schlussendlich den größten Erfolg haben. Ich hatte nie viele Freunde als Kind und galt immer als der Schüchterne, Depressive – und dabei habe ich nur die ganze Zeit an meinem Plan, die Weltherrschaft zu übernehmen, gearbeitet (lacht). Die Rolle als Superschurke Lex Luthor in „Superman v Batman: Dawn of Justice“ war also reines Typecasting, glauben Sie mir. Nein, im Ernst: Ich war immer ein ruhiges Kind, bin vor allem in meinem Zimmer gesessen und habe geschrieben. Ich bin kaum auf Partys oder so gegangen, verbrachte meine Zeit lieber im Theater. In diesem Sinn war ich sicher der typische Nerd und hatte halt das Glück, dass ich meine Erfüllung nicht in der Drogensucht, sondern in der Kunst, beim Schreiben und Schauspielen gefunden habe.


In „Café Society“ hat Ihnen Woody Allen nun eine Figur auf den Leib geschrieben, die ebenfalls als total schüchterne Person beginnt – dann aber zum Erfolgstyp mutiert, dem die schönsten Frauen verfallen. Das ist ja etwas, was im wahren Leben so nicht oft passiert . . .

Stimmt. Woodys Geschichten würden nie so gut funktionieren, wenn sie jemand anderer als er erzählen würde. Aber er hat diesen ganz besonderen Charme, dieses einzigartige Charisma, das ihn viel größer macht, als er eigentlich ist, wenn Sie verstehen, was ich meine. Schmalbrüstige Durchschnittstypen wie ich müssen ihm schrecklich dankbar sein, finde ich, weil er eigens für uns Storys schreibt. Ich meine, er schafft es, dass Kristen Stewart und ich als glaubwürdiges Liebespaar rüberkommen: Sie ist die schönste Frau auf dem ganzen Planeten, und ich sehe von der Seite aus wie ein kleines „r“ (lacht). Ich glaube, Woody Allen hat den Weg dafür geebnet, dass heute im Kino auch die kleinen Männer die große Liebe finden dürfen. Hätte es ihn nicht gegeben, würden die Helden immer noch alle aussehen wie Clark Gable.


Das klingt ein bisschen so, als hätten Sie Woody Allen Ihre gesamte Karriere zu verdanken?

Ein bisschen ist das sicher so, ja. Er hat– als Filmemacher und natürlich auch als Darsteller – begonnen, diese Art von Figur zu etablieren. Er hat diese Art eines männlichen Protagonisten erst erfunden, die es davor noch nie gegeben hat: die nicht besonders attraktive, aber kluge und witzige männliche Hauptfigur, der schmächtige jüdische Mann aus New York. Und als ebenso schmächtiger jüdischer Mann aus New York bin ich Woody unendlich dankbar dafür.


Sie waren nun mit Kristen Stewart schon drei Mal auf der Leinwand zu sehen: in „Adventureland“, „American Ultra“ und nun in „Café Society“. Sie haben Kristen vor Jahren einmal als „einschüchternde Persönlichkeit“ beschrieben. Hat sich Ihr Bild von ihr verändert, oder sehen Sie das immer noch so?

Ja, schon (lacht). Sie ist sehr bedacht auf Authentizität, Offenheit und Ehrlichkeit – und das kann sehr verunsichernd auf jemanden wie mich wirken, der auch immer gern authentisch wäre, aber es meist nur bis zum Gefallenwollen schafft. Kristen hingegen ist jemand, dem es egal ist, ob die anderen Leute sie mögen oder nicht. Sie versucht nicht, sich beliebt zu machen. Und das wirkt für viele von uns eben einschüchternd, weil wir alle heimlich genau so sein wollen, aber es eben nicht hinbekommen.

Wie gehen Sie mit Ihrer eigenen Berühmtheit um?

Wissen Sie, ich sehe in der Früh in den Spiegel, bürste mein Haar hundertmal durch und sage zu mir: „Du bist ein Gewinner!“ (lacht). Nein, ich denke nicht darüber nach, ehrlich gesagt. Und sie fällt mir nur bei zwei Dingen wirklich auf: erstens daran, dass ich mittlerweile unter viel mehr interessanten Filmrollen auswählen kann, die mir angeboten werden, und zweitens daran, dass tatsächlich Leute in mein Theaterstück „The Spoils“ reingehen, das gerade in London läuft. Ohne mein Gesicht auf dem Plakat hätten wir wohl nicht so viele Besucher. Ach ja, und fürs Spendensammeln ist eine gewisse Prominenz auch nützlich. Ich arbeite mit dem Domestic Violence Shelter in Indiana zusammen, das ist eine Organisation für die Betroffenen häuslicher Gewalt im Mittleren Westen der USA, und wir konnten schon über eine halbe Million Dollar zusammenbekommen. Das wäre mir als Büroangestellter Jesse Eisenberg wahrscheinlich nicht gelungen, so etwas funktioniert halt leider nur, wenn man ein sogenannter Prominenter ist.


Sie haben gerade Ihr Regiedebüt abgedreht: die Pilotfolge zur TV-Serie „Bream Gives Me Hiccups“. Warum haben Sie sich für Ihr Erstlingswerk eine TV-Serie und keinen Film ausgesucht?

Wissen Sie, die Filmindustrie hat sich in den vergangenen Jahren so stark verändert. Würde ich einen Film nach meinem Geschmack und meinen Möglichkeiten machen, würde ihn niemand zu sehen bekommen. Woody Allen ist da wohl der „last man standing“, was diese Art Filme betrifft: echtes Independentkino, das immer noch ein breites Publikum erreicht. Die TV-Szene ist heute das, was das Filmbusiness in den 1990ern war: Damals gab es ein echtes Interesse an Kinofilmen, die innovativ und mutig sind, aber dennoch keine „Spezialistenkost“, sondern durchaus massenkompatibel. Heute erwartet man sich das fast nur noch vom Fernsehen.


Bedauern Sie diese Entwicklung ein bisschen?

Nicht wirklich, ich war ja nie ein richtiger „Filmmensch“. Ich möchte Geschichten erzählen, das Medium ist für mich zweitrangig. ?

Steckbrief

1983
wurde Jesse Eisenberg in New York City geboren.

1999
gab er sein Schauspieldebüt in der TV-Serie „Sechs unter einem Dach“, die bereits ein Jahr später wieder eingestellt wurde.

2010
ist ihm der internationale Durchbruch mit dem Film „The Social Network“ gelungen, in dem er Facebook-Gründer Mark Zuckerberg spielt. Es folgten Erfolgsfilme wie „Die Unfassbaren – Now You See Me“, „American Ultra“ und „Batman v Superman: Dawn of Justice“. Neben seiner Schauspielkarriere verfasst Eisenberg humoristische Beiträge für den „New Yorker“ und schreibt außerdem Theaterstücke.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.