Zwischen Heim- und Fernweh

Christian Hlade hat in einem Bergdorf im indischen Himalaja eine Solarschule gebaut – und daraufhin den Reiseanbieter Weltweitwandern gegründet.
Christian Hlade hat in einem Bergdorf im indischen Himalaja eine Solarschule gebaut – und daraufhin den Reiseanbieter Weltweitwandern gegründet. (c) Weltweitwandern
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Christian Hlade hat sich den jugendlichen Traum von der weiten Welt bewahrt. Der Gründer des Reiseanbieters Weltweitwandern hat seine Eindrücke nun in einem Buch gesammelt.

Es ist gar nicht so leicht, über Christian Hlade zu erzählen, ohne pathetisch zu werden. Das Hobby zum Beruf machen würde einem da einfallen, die Sehnsucht nach der großen weiten Welt oder aber der Blick über den Tellerrand. Alles Phrasen, die unheimlich abgedroschen sind. Auf Christian Hlade passen sie dennoch. Immerhin hat er tatsächlich seine Leidenschaft, das Reisen – vorzugsweise zu Fuß –, zu seinem Beruf gemacht. Aus der ersten Reise als 15-Jähriger, dem ersten Ausbruch aus dem „kleinbürgerlichen Österreich“ in den 1970ern ist heute ein Unternehmen mit 14 Mitarbeitern geworden, das Wanderreisen in mehr als 80 Länder anbietet. Über diese Geschichte hat der Grazer nun ein Buch geschrieben („Wandern wirkt“ erscheint am 16. November).

Von der Fadesse der ersten familiären Wanderungen zum nächsten Wirtshaus bis zum Aufbau einer Schule in Ladakh in Nordindien, die die Initialzündung für die Gründung von Weltweitwandern war, erzählt Hlade darin. Mit 15 Jahren habe er bereits beschlossen, dass er von seinen Träumen leben will. Wie genau das gehen soll, war damals noch nicht klar. Die Begeisterung fürs Wandern hat er jedenfalls nicht von den familiären Ausflügen, im Gegenteil. „Am Anfang war es ein Wegwandern, ich wollte weg aus dem doch als eng empfundenen Elternhaus und diesem Mantra ,Du musst einen Beruf lernen‘“, erinnert sich Hlade im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Die Musik – „der Rock 'n' Roll“ – und der Zeitgeist – „die Hippiezeit“, die in Graz etwas verspätet ankamen – verstärkten sein Fernweh. Hlade nennt es eine Ursehnsucht, die sich schon als Kind eingestellt und ihn nie losgelassen habe. Also hat er in den späten 1970er-Jahren damit begonnen zu reisen, mit einem Rucksack und sehr wenig Geld. „Für mich war das ein bisschen das Fundament, dieses ohne viel Geld die Welt kennenzulernen.“ Zu Hause aber stellte sich dann stets der Katzenjammer ein, verstärkt durch die Forderung der Eltern, einen anständigen Beruf zu lernen. Also studierte Hlade Architektur, immerhin hatte sein Vater für ihn vorgesehen, dass er später einmal seine Baufirma übernehmen soll.

Um sein Hobby zu finanzieren, hielt Hlade Diavorträge. „Das hat ein paar Jahre super funktioniert, dann wieder überhaupt nicht und dann bin ich wieder zähneknirschend im Architekturbüro gesessen. In den Computer zu starren, hat mir überhaupt nicht getaugt.“ Also reiste er weiter und organisierte Reisen für andere Menschen, um zu ein bisschen Geld zu kommen. Bis er ein Jahr lang eine Auszeit im indischen Ladakh machte und dort im Bergdorf Lingshed eine Schule baute. Das Projekt war der Abschluss seines Studiums, aber auch der Grundstein für Weltweitwandern.

Geistige Bewegung

Heute macht Hlade an die fünf bis zehn Reisen im Jahr. „Ich reise wahnsinnig gern und kann davon leben“, sagt er. Das Wegfahren fällt ihm nicht immer leicht, immerhin ist er mittlerweile verheiratet und Vater dreier Kinder. „Ich habe immer Heimweh, aber auch irrsinniges Fernweh, da wohnen zwei verschiedenen Seelen in meiner Brust. Natürlich vermisse ich meine Familie, wenn ich wegfahre. Aber zu Hause vermisse ich die große Weite des Himalaja. Gar nicht wegfahren ist auch keine Lösung.“

Worum es ihm beim Reisen geht? „Mein großes Thema ist Kultur und vor allem Menschen zusammenzubringen, untereinander aber auch mit sich selbst. Wenn Dinge entstehen, die über eine Reise hinaus wirken, dann finde ich es gelungen.“ Freundschaften etwa, Ehen, oder wenn sich Marokkaner gut mit Himalaja-Bewohnern verstehen. Am besten funktioniere das Reisen für ihn zu Fuß. „Gehen ist unendlich einfach. Es belebt die Gedanken und bringt stockende Gedankengänge wieder in Fluss. Die Bewegung des Körpers löst unheimlich viel geistige Bewegung aus.“ Das funktioniere allein genauso wie mit anderen Menschen. Man müsse nicht einmal miteinander reden. „Wenn man mit einem Massai zwei, drei Stunden zum Markt geht, lernt man ihn gut kennen, obwohl man kaum miteinander redet. Das gemeinsame Gehen verbindet auch jenseits der Worte.“

Und es gehe ihm um die Herausforderung, auf das Sich-Einlassen auf etwas Neues, Fremdes. Das sei übrigens etwas, was er bei Österreichern seltener findet. „Die Deutschen sind zwar zehnmal so viele wie wir, aber ich erlebe hundertmal mehr Deutsche oder auch viel mehr deutschsprachige Schweizer, die woanders leben, als Österreicher.“ Auch sonst habe er das Gefühl, dass man sich andernorts mehr für die Welt interessiert als hierzulande. Als er etwa nach dem großen Erdbeben in Nepal Hilfsprojekte organisierte, haben sich bei ihm vor allem deutsche Medien gemeldet, um ein Bild der Lage zu bekommen. „Bei uns gibt es nicht so viel Raum für Auslandsthemen.“

Auch er hat sich übrigens durch das viele Reisen verändert. Auch wenn das ungewöhnlich klingen mag, so sei ausgerechnet seine Heimatverbundenheit gestiegen. „Heimat wird oft mit Enge verbunden, das stimmt aber nicht“, sagt Hlade, um dann noch eine Botschaft mit auf den Weg zu geben. Er habe sein Buch nämlich nicht nur geschrieben, um seine Geschichte zu erzählen. „Ich will auch andere Leute dazu inspirieren, ihre Kindheitsträume zu verwirklichen. Das könnte in Österreich ein bisschen mehr sein, dass Menschen ihr Ding machen, um frei und selbstständig zu sein.“

Zur Person

Christian Hlade. Der gebürtige Grazer organisiert seit den 1990er-Jahren Wanderreisen und gründete vor 15 Jahren den Reiseanbieter Weltweitwandern. Das Unternehmen beschäftigt 14 Mitarbeiter und organisiert jährlich rund 6000 Reisen in mehr als 80 Länder.

„Wandern wirkt. Den eigenen Weg gehen und Lebensträume verwirklichen“, Braumüller Verlag, 24,90 Euro.
Das Buch erscheint am 16. November.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2016)

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