Vom Hinterhof in den Hinterhof: Das Comeback der Gebrüder Stitch

Wieder dort wo alles begann: Moriz Piffl
Wieder dort wo alles begann: Moriz Piffl(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Im Juni 2016 sind die Gebrüder Stitch in den Konkurs geschlittert. Jetzt macht nur einer von ihnen weiter. Ein Gespräch über Fehler und Verantwortung.

Das Jahr 2016 war nicht das beste im Leben von Jeansschneider Moriz Piffl. Um nicht zu sagen, das schlimmste. Der Ärger hatte sich schon im Sommer 2015 angekündigt, als klar war, dass das Unternehmen mehr Geld benötigen würde, um die geplante Expansion „vom Hinterhof zur Ökojeans-Weltherrschaft“ (O-Ton Mitgründer Michael Lanner) zu schaffen. Es war ein gewagtes Unterfangen, typisch für Start-ups und Kreativunternehmen, die den nächsten großen Schritt wagen wollen.

Drei Geschäfte in guter Frequenzlage waren geplant, bessere Maschinen, um effizienter und natürlich auch mit mehr Gewinn produzieren zu können. Doch auf halbem Weg (es gab bereits je ein Geschäft in Wien und Berlin) ging der Plan schief. Das Unternehmen brauchte mehr Geld, das konnten die Gebrüder Stitch sogar noch aufstellen. Doch nicht alle 19 Investoren waren mit dem Plan einverstanden. Am Ende fehlte eine Unterschrift auf dem Papier. Mitte Juni meldeten die Bio-Jeans-nach-Maß-Hersteller den Konkurs an. Aus der Traum, den sie immerhin mit relativ frechem Marketing stadtbekannt gemacht haben.

Ein halbes Jahr später sitzt Moriz Piffl wieder in jenem Hinterhof, in der Mariahilfer Straße 101, in dem ihre Expansionsträume begannen. Die Jeansproduktionsstätte wird gerade wieder neu eingerichtet, als neues und einziges Geschäft inklusive Näherei. Die vier Waschmaschinen stehen schon an der Wand, ein Regal ist bis an die hallenhohe Decke voll mit Stitch-Jeans.

Künftig auch Jeans von der Stange

Sie sind Teil der neuen Firmenstrategie. Ab sofort gibt es bei den Gebrüdern auch Jeans von der Stange, die um 140 bis 180 Euro in fünf Waschungen und fünf Garnfarben angeboten werden. Freilich alles Biojeans. Die Entscheidung für den Verkauf von Stangenjeans hätte schon viel früher getroffen werden sollen, findet Piffl heute. „Das war ein Fehler.“ Ihre maßgeschneiderten Jeans sind mit 350 Euro teuer. Und doch nicht, wenn man bedenkt, dass sie in Österreich produziert werden. „Ein Mitarbeiter in Österreicher kostet pro Stunde 20 Euro. Damit kann ich ihn im Ausland mehrere Tage beschäftigen.“ Dabei ist die Textilindustrie in Österreich ohnehin im Niedriglohnsektor.

Mit der neuen Stangenkollektion wird aber auch das Tabu gebrochen, nur noch in Österreich zu produzieren. Derzeit verhandeln die Jeanshersteller mit zwei biozertifizierten Industriebetrieben in Italien und Deutschland, die die Stangenware herstellen sollen. Die Maßjeans werden weiterhin in Wien genäht, ebenso die Denimcouture, also alles, was an Sonderwünschen (von Jeanshochzeitskleid bis Bikerhose) gewünscht wird.

Das vergangene halbe Jahr hätten er und seine Kollegen Zeit gehabt, vieles zu überdenken, sagt Piffl. Er wird nun etwa nicht mehr als Geschäftsführer tätig sein, sondern Werner Mitteregger, der schon davor für Finanzen zuständig war. „Das ist auch ein Schritt, den wir viel früher hätten tun sollen“, sagt Piffl. Er und sein Kollege Lanner seien gerade in kreativen und nicht operativen Bereichen gut gewesen. Ein Gesellschafter, Nick Pöschl, wird Mitteregger zur Hand gehen, sich selbst aber kein Gehalt auszahlen. Das Team wurde von 15 auf sechs reduziert. Piffl nicht eingerechnet. Er bleibt Gesellschafter und will sich um Markenausbau und Kommunikation kümmern. Seine Anteile als Gesellschafter beim Heurigen Gschupftn Ferdl und dem Café Vollpension waren sowieso nicht vom Konkurs betroffen.

Es sei eine Bauchentscheidung gewesen, die Firma wieder aufzubauen, sagt Piffl. Er sei damit noch nicht fertig gewesen. Auch aus einer Verantwortung gegenüber dem Team und den Investoren heraus, die Geld verloren haben. Ein bisschen Bauchweh habe er freilich schon. „Wir hatten ja auch keine Zeit, den Konkurs zu verarbeiten.“

Sein Kollege und Mitgründer Michael Lanner ist beim Neustart der Gebrüder Stitch nicht mehr dabei. Er ist bereits vor dem Konkurs ausgestiegen. Logo und Name der Firma bleiben aber erhalten. „Für mich passt es gut, dass es weitergeht“, sagt Lanner im Gespräch mit der „Presse“.

Und nicht nur in Wien. In Zukunft können die Hosen auch online gekauft werden, sagt Piffl mit einem Lächeln, während rundherum Arbeiter und Mitarbeiter den Shop für die Wiedereröffnung herrichten. „Im Endeffekt sind wir wieder im Hinterhof, aber es ist trotzdem ein Fortschritt.“

AUF EINEN BLICK

Gebrüder Stitch. Nach einem Konkurs im Juni 2016 eröffnen die Gebrüder Stitch kommenden Mittwoch wieder neu in der Mariahilfer Straße 101. Neu sind die Jeans von der Stange, die sie um 140 bis 180 Euro verkaufen und die auch online bestellt werden können. Diese Jeans sind weiter bio, werden aber im Ausland produziert. Die Maßjeans werden in Wien genäht. gebruederstitch.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2016)

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