Jasmin Baumgartner: „Warum tun wir alle nichts?“

Jasmin Baumgartner verpasst ihren Film im Gartenbaukino – sie macht gerade eine Ausbildung in New York.
Jasmin Baumgartner verpasst ihren Film im Gartenbaukino – sie macht gerade eine Ausbildung in New York.(c) Baumgartner
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Jasmin Baumgartner ist eines der Talente der Filmakademie. Ihr Kurzfilm „Unmensch“ eröffnet die Werkschau zum 65-Jahre-Jubiläum der Institution.

Furchtbar sei die Stimmung der New Yorker in der Wahlnacht gewesen, als der Sieg Donald Trump nicht mehr zu nehmen war. Mit ihrer Kamera war sie durch Brooklyn gewandert, die Straßen waren leer, in der Karaokebar begannen die Menschen zu weinen. Am nächsten Tag gab es Demos, aber viel sei dort schon nicht mehr los gewesen: Alltag as usual. Schockiert habe sie das, sagt Jasmin Baumgartner, und betroffen gemacht.

„Man müsste sich doch einsetzen“, denkt sie, ganz generell: „Nicht nur darüber klagen, was alles schiefläuft, wenn man mit Leuten zusammensitzt und betrunken ist.“ Gelegentlich empörte Facebook-Postings abzusetzen, reiche nicht. „Das ist sehr frustrierend – und da nehme ich mich nicht aus.“

Der Frust, die Tatenlosigkeit sind auch Thema in „Unmensch“, dem zweiten Kurzfilm der jungen Regisseurin – die Filmakademie eröffnet damit morgen, Mittwoch, jene Werkschau, mit der die Hochschule ihr 65-Jahre-Jubiläum zelebriert. „Ich bemühe mich, ich kaufe faires Gemüse, ich hasse HC Strache, ich geh auf Demos“, doch „in Wirklichkeit mach ich nichts für diese Welt, genauso wenig wie der Rest meiner linksliberalen Freunde“, lässt sie ihren Hauptdarsteller Daniel Sträßer in einem bewusst leicht pathetischen Text darin klagen.

Sträßer in der Rolle eines gefühlsarmen Schauspielers schafft es am Ende dieses Films dann immerhin zu weinen – nachdem er mit seiner Partnerin Jasna Fritzi Bauer einen ahnungslosen Obdachlosen (Markus Schleinzer) in ein böses Spiel verwickelt hat. Schauspiel und echtes Leben verschwimmen, werden benutzt – und werfen Fragen auf, die Baumgartner beschäftigen. Und die ihr die Aufmerksamkeit der Branche eintragen. Schon mehrere Preise, darunter den Max-Ophüls-Preis, hat sie mit „Unmensch“ gewonnen. Dass der Film jetzt im Gartenbaukino läuft, sei „die schönste Ehre“, sie, die nicht dabei sei kann, „der traurigste Mensch“.

Weg einer Schulabbrecherin

In die Filmwelt, erzählt Baumgartner, Jahrgang 1990, sei sie „komisch reingeschlittert“. Ein „furchtbarer Teenager“ sei sie gewesen, „ich habe mit 15 die Schule abgebrochen und nur mehr Filme geschaut“. Die Cinebank, ein „Bankomat für DVDs“ im heimatlichen Baden lieferte den Stoff. Ihr liebster Film ist bis heute Gus Van Sants „My Own Private Idaho“. Allein in New York hat sie ihn schon wieder drei Mal gesehen. „Ich kann nicht rekonstruieren, was der Film an Stimmung erzeugt.“ Wenn Film die Suche nach Wahrheit sei, wenn man versuche, alles „so echt wie möglich zu machen“, dann sei dieser Film ihr Maßstab.

Schon damals entschied sie, später einmal Drehbücher zu schreiben. Vorerst arbeitete sie in einer Werbeagentur, ihr erstes Praktikum absolvierte sie bei einer Produktionsfirma, die sich wenig später mysteriös in Luft auflöste, aber immerhin lernte sie vorher noch Regisseure und Musiker kennen. Es folgten Erfahrungen bei einem Weltvertrieb für Dokus und Filmfestivals, dazu Gastro- und Promotionsjobs. Zum Muttertag verteilte sie Rosen in der Lugner-City, zum Vatertag Bier – wiewohl sie zwischenzeitlich verbannt worden war: Sie hatte auch dem Hausherrn einen Flyer in die Hand gedrückt.

Die viel größere Lebensschule sei aber die Gastronomie gewesen. „Da ist man gezwungen, sich zu unterhalten, und irgendwann ist die Hemmschwelle weg. Ich merke jetzt, wie hilfreich das ist, um auf Menschen zuzugehen.“ So wie jetzt in den USA, wo sie gerade ein Musikvideo für das Duo Yukno mit fremden Menschen dreht.

Eigentlich besucht sie in New York ja am Susan-Batson-Seminar einen Workshop für Method Acting. Es ist das erste Mal, dass sie sich selbst in die Rolle der Schauspielerin begibt. Um gemeinsam mit ihren Darstellern besser improvisieren zu können, sagt sie. Sie plant dabei schon das nächste Projekt. Hauptfigur soll ein verschuldeter Familienaufsteller sein, der sich nach Taganana auf Teneriffa flüchtet.

Taganana, das ist auch ihr persönlicher, im Urlaub entdeckter Zufluchtsort. Sie sei ja ein Arbeitstier, eine Getriebene, „aber dort war mein Stressproblem plötzlich weg“. Bis zu ihrem ersten, dort spielenden Langfilm wird es noch dauern, aber Daniel Sträßer und Jasna Fritzi Bauer sind schon wieder mit eingeplant. Sie sei mit Anna Hawliczek, ihrer Kamerafrau, einst im Café Europa gesessen, erinnert sich Baumgartner, als die beiden plötzlich am Tisch gestanden seien: Ihnen sei langweilig, „können wir Freunde sein?“

Auf einen Blick

Jasmin Baumgartner studiert an der Filmakademie Drehbuch und Regie. Mit Daniel Sträßer und Jasna Fritzi Bauer drehte sie „I see a darkness“ und „Unmensch“. Letzterer eröffnet am Mittwoch die 2. Werkschau der Akademie, die damit den Auftakt ihres Jubiläums feiert. Werkschau am Donnerstag ab 12 Uhr, Eintritt frei, Reservierung unter www.filmcasino.at. www.filmakademie.wien

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2016)

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