Seit 70 Jahren im Geschäft: Frau Schramm und das Geschirr

(c) Clemens Fabry
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Seit 1919 gibt es das Geschirrgeschäft Binder-Schramm in der Währinger Straße, seit 1946 arbeitet Elisabeth Schramm hier.

Es sind nur wenige Stufen abwärts, die in das Reich von Elisabeth Schramm führen. Ein Reich, in dem sich der Kunde wundert, wie sich die 85-Jährige ob der vielen Produkte so schnell zurechtfinden kann. Es sind unzählige Tortenformen, Einkochgläser, Dichtungsringe, Nudelwalker, Teekessel, Schneebesen, Töpfe, Pfannen, Geschirrsets und Gläser, die sich in dem Souterrain-Geschäft stapeln. An die 10.000 verschiedenen Artikel führt Frau Schramm in dem Geschäft, das 1919 eröffnet wurde – von ihrem Vater, Karl Wilhelm Binder. „Das Geschäft ist nach wie vor in der zweiten Generation“, sagt Frau Schramm, die heuer unglaubliche 70 Jahre Berufstätigkeit feiert.

Am 1. September 1946 hat sie die Lehre bei ihrem Vater begonnen. Geplant war das nicht, immerhin hat Frau Schramm die Handelsakademie besucht und sich sehr für Musik interessiert. Sie spielt heute noch fünf Instrumente, einmal die Woche nimmt sie Klavierunterricht. Aber zurück in das Jahr 1946. Damals ist ihre Mutter überraschend gestorben. „Der Vater hat gesagt, er brauche mich im Geschäft, das war eine Selbstverständlichkeit.“ Immerhin hat sie hier schon als Sechsjährige Stamperln eingeräumt und ausgeholfen. Heute noch ist Frau Schramm, deren Sohn Josef Schramm ebenso im Geschäft arbeitet, nach wie vor die Inhaberin – und zweimal die Woche vor Ort. An den anderen Tagen macht sie daheim in Baden die Buchhaltung oder nimmt eben Klavierunterricht.

Fragt man Frau Schramm nach den letzten 70 Jahren, hört man, dass sich die Zeit gewandelt habe, das Geschäft allerdings kaum. Natürlich ist das Sortiment ein anderes. Früher wurden noch Ofenrohre und Sitzbadewannen verkauft, die sie gemeinsam mit ihrem Bruder persönlich geliefert (mit einem Handwagen), meist über viele Stiegen geschleppt und aufgestellt hat. Persönliche Beratung und eine große Auswahl an (lagernder) Ware ist im Geschirrgeschäft Binder-Schramm aber heute noch wichtig. „Der Bezirk hat sich verändert, er ist jünger geworden, viele Familien leben hier.“ Und die Kunden kaufen anders ein. Während früher der Muttertag ein besonders guter Geschäftsstag war, hat sich das heute auf das ganze Jahr verteilt. „Das ist mir aber lieber so.“

Heute kaufen Männer nicht nur für die Gattin ein, sondern auch für sich selbst. Viele Prominente seien hier Kunden. Wer, will sie nicht verraten – bis auf Peter Alexander. Dieser war so unscheinbar, dass sie ihn beinahe nicht erkannt habe. Früher seien vor allem Kunden aus dem Bezirk gekommen. Heute hingegen hat sich der Kundenkreis weit über die Stadtgrenze hinaus vergrößert. Das liege auch an der Homepage, die ihr Sohn gemacht habe. Überhaupt hat Frau Schramm mit dem Internet kein Problem. Im Gegenteil, sie selbst arbeitet gern mit dem iPad. „Das Internet ist ein Mitarbeiter, der nie Urlaub hat und nie krank ist“, sagt Schramm. Sie selbst dürfte das auch selten sein. Früher noch hat die Familie direkt über dem Geschäft gewohnt. „Wissen Sie, ich hab' drei Kinder, und ich war keine sechs Wochen in Karenz. Wenn man selbstständig ist, muss man ja gleich wieder arbeiten.“ Fünf Angestellte und ein Lehrling arbeiten heute im Betrieb. In den letzten 30 Jahren hat sie 50 Lehrlinge ausgebildet. „Nach einer Woche können sie zumindest grüßen und einer Dame die Tür aufhalten.“ Auf die Frage nach der Pension lacht sie nur und sagt: „Den Termin habe ich verpasst.“

ZUR PERSON

Elisabeth Schramm betreibt das Geschirrgeschäft Binder-Schramm in der Währinger Straße 140 im 18. Bezirk. Ihr Vater, Karl Wilhelm Binder, hat das Geschäft 1919 eröffnet. 1946 hat sie dort eine Lehre begonnen, als ihre Mutter überraschend gestorben ist. Seit 1965 leitet Schramm das Geschäft. Heuer feiert sie 70 Jahre Berufstätigkeit – und ist selbst noch mit ihren 85 Jahren zweimal die Woche im Geschäft. An die 10.000 verschiedenen Haushaltsartikel gibt es hier lagernd.

www.binder-schramm.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2016)

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