Abschied auf dem Höhepunkt

Nico Rosberg und Mercedes-Sportchef Toto Wolff
Nico Rosberg und Mercedes-Sportchef Toto WolffAPA/AFP/JOE KLAMAR
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Nico Rosberg erklärte vor der FIA-Gala in Wien überraschend seinen Rücktritt. Der Weltmeister habe diesen Schritt sehr lang überdacht: „Ich stehe an der Spitze, es fühlt sich richtig an.“

Es war ein Knalleffekt: Nico Rosberg erklärte völlig überraschend Freitagnachmittag in Wien seinen Rücktritt. Der Deutsche, der erst am vergangenen Sonntag in Abu Dhabi erstmals die Formel-1-WM gewonnen hat, beendet mit sofortiger Wirkung seine Karriere. Den Gedanken an so ein Manöver habe er schon länger in sich spazieren getragen, den Entschluss habe er letztlich Montagabend, im Beisein seiner Familie, getroffen. Der 31-Jährige will nicht mehr, er müsse auch nicht mehr – er habe ja das höchste Ziel in diesem Sport nun erreicht.

Man hätte hellhörig werden können bzw. müssen, als Mercedes-Sportchef Toto Wolff das anberaumte Frühstück in der Albertina anlässlich des F1-Triples Freitagvormittag kurzfristig absagte. Doch es war keineswegs dem Show-Zwist mit Lewis Hamilton, dessen eigenwilligem Fahrstil oder anderen PR-Pflichten geschuldet, sondern geschah nur wegen Rosbergs Abschied. Nichts sollte, nichts durfte durchsickern. Der Deutsche sollte seinen Abschied selbst verkünden, vor den in der Hofburg anlässlich der FIA-Gala auf ihn wartenden Journalisten. „Ich folge meinem Herzen. Es fühlt sich einfach richtig an“, sagte Rosberg und hielt inne. „Es ist sehr einfach, weil ich erreicht habe, was ich erreichen wollte. Es ist eine große Last von mir abgefallen.“

So verwunderlich diese Aktion im ersten Augenblick erscheinen mag, sie ist nachvollziehbar. Rosberg ist seit seinem sechsten Lebensjahr im Motorsport unterwegs, er fuhr zehn Jahre lang in der Formel 1; erst für Williams, dann für Mercedes. Er hat das Kunststück der Familie Hill wiederholt, auch er wurde Weltmeister wie sein Vater Keke (1982). Er steigt als Champion und Millionär, vor allem aber als gesunder Mensch aus.

„Vater und Ehemann sein“

206 Grand Prix, 23 Siege, 21 Rennwochenenden, PR-Termine, Reisen, Reibereien mit seinem Jugendfreund Hamilton – all das nerve irgendwann. Just bei seiner WM-Party in Abu Dhabi war dieser Punkt für ihn erreicht: „Aus, ich will nicht mehr. Mein nächster Schritt ist es, nun Vater und Ehemann zu sein.“

In Wahrheit ist der Abschied eines Profisportlers, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt ist, der für ihn beste Augenblick. Er zerstört damit weder die Erwartungen noch seinen Glanz. Er geht seiner Wege und der größte Rivale bleibt zurück, ohne die Chance, ihn noch einmal in dieser Rennserie zu schlagen. Rosberg wird auch nie wieder verlieren, Motorschäden haben nun die anderen. Er sagt, dass er für das Leben in der Formel 1 vieles opfern musste; Zeit mit der Familie, Freunden, sein Privatleben. All das wolle er zurück. Er nimmt es sich, unbekümmert wie ein Rennfahrer.

Geld hat Rosberg seit seiner Geburt genug, er lebt mit Frau und Tochter in Monte Carlo – in dieser Großgeldsiedlung ist ihm auch die Anonymität gewiss. Auf Facebook schrieb er, wenngleich mit viel Pathos: „Jetzt habe ich den Berg erklommen, bin an der Spitze angekommen – und es fühlt sich richtig an. Ich fühle eine tiefe Dankbarkeit für alle.“

Wer steigt bei Mercedes ein?

Toto Wolff verstand Rosbergs Entscheidung, er unternahm deshalb auch keinen Anlauf, ihn umzustimmen. „Er hat uns klargemacht, dass es das Ende für ihn ist. Es ist sehr mutig, auf eine gewisse Art und Weise bewundere ich ihn für diese Entscheidung.“ Damit aber kommt zugleich Bewegung in das Fahrerkarussell, wer folgt Rosberg bei Mercedes (Wehrlein, Alonso – Bottas?) nach? Wolff zuckte mit den Achseln – der Wiener scheint es bereits zu ahnen. Er schweigt aber, aus Rücksicht, aus Liebe zum Spiel.

Man müsse „alle Optionen prüfen, nachdenken“. Dass Rallye-Weltmeister Sebastien Ogier in diesem Augenblick unter schallendem Gelächter prompt die Hand hob und seine Dienste offerierte – nach dem Rückzug von VW aus der WM ist das nicht völlig undenkbar – verdeutlicht auch, wie schnelllebig diese Branche ist. Wolff schwieg, Rosberg umarmte ihn, der Deutsche war befreit. Er hatte seinen Abschied – im Rampenlicht.

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