„Gleißendes Glück“: Reden über Gott und Porno

Martina Gedeck
Martina Gedeck(c) imago/Future Image (imago stock&people)
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Eine misshandelte Ehefrau trifft auf einen pornosüchtigen Psychologen: Martina Gedeck hat wieder einmal in eine ungewöhnlich starke Rolle gefunden.

Es ist ein kleines, amüsiertes Schmunzeln, das sich Martina Gedeck auf die Frage erlaubt, ob ihre neue Rolle auf der Schauspielskala eher unter „schwierig“ einzuordnen sei. „Ja, schon“, meint sie dann. Dabei ist es nicht sie, die in der Verfilmung „Gleißendes Glück“ nach dem Roman der Schottin A. L. Kennedy all die obszönen Dinge sagen muss. Das obliegt ihrem Filmpartner Ulrich Tukur.

Martina Gedeck spricht in ihrer Rolle als Hausfrau Helene Brindel nicht nur nicht obszön, sondern über weite Strecken gar nicht. „Sie ist eine Frau, die nicht gerade das Herz auf der Zunge trägt“, sagt Gedeck im Gespräch an einem Montagvormittag, den sie anlässlich des Filmstarts im Wiener Hotel Altstadt mit Interviews verbringt. „Man muss viel über die Körpersprache erzählen, über die Mimik und das Empfinden. Auch der Widerstand, den die Figur später ihrem Mann bietet, ist schon zu Beginn in ihr drin.“

Doch zunächst ist ihre Figur äußerlich fügsam. Sie leidet unter Schlaflosigkeit, presst ihrem Mann (verzweifelt brutal: Johannes Krisch) mitten in der Nacht Orangensaft, bereitet ihm Frühstück und Jause, lässt sich schlagen und grausam niedermachen. Bis sie eines Tages nicht mehr kann und heimlich eine gewagte Reise unternimmt, um einen Ratgeberautor zu treffen, den sie im Radio gehört hat. Professor Eduard Gluck verspricht das Glück – man müsse nur sein Gehirn richtig nutzen. Ihm offenbart sie, was sie quält, und das ist nicht ihr prügelnder Ehemann, sondern ihr Glaube an Gott, der ihr abhanden gekommen ist.

Nun glaubt zwar Gluck auch nicht an Gott, aber immerhin, er hört ihr zu. Und revanchiert sich im Lauf der Geschichte mit seinem eigenen Geständnis. „Ein atemberaubender Moment“, sagt Gedeck über die Szene, in der Ulrich Tukur als gefeierter Psychologe mitten in der Nacht plötzlich am Telefon ist. „Wie soll man denn darüber sprechen, dass man nicht in der Lage ist, normal mit einer Frau zusammenzusein? Er kann ja nicht sagen: Übrigens, ich bin sexsüchtig. Er macht es, indem er sie anruft. Er mutet sich ihr mit seiner Krankheit, dem, was ihn nicht nett macht, zu.“

Nackt und verletzlich

„Gleißendes Glück“ ist ein Film, in dem in einer alltäglichen Welt viele heikle Themen aufgegriffen werden – und in der Martina Gedeck, die man aus „Das Leben der Anderen“ oder der Marlen-Haushofer-Verfilmung „Die Wand“ kennt, wieder einmal ihr Können zeigen kann.

Mit der Sucht nach pornografischen Bildern, der Gier nach Erniedrigung hat sie sich dabei „wohlweislich nicht beschäftigt, das liegt mir nicht so. Aber es ist auch nicht das Thema der Helene Brindel. Ihr Thema ist, plötzlich damit konfrontiert zu werden und schockiert zu sein.“

An einer Stelle legt die 55-Jährige „den eigenwilligsten Striptease der deutschen Kinogeschichte hin“, schrieb ein deutsches Blatt. Dabei ist es vor allem ein Seelenstriptease, wenngleich das natürlich ein böses Wort ist. Vielmehr geht es um zwei Menschen, die sich voreinander nackt und verletzlich zeigen mit ihren jeweiligen Schwächen und Sehnsüchten.

Glück ist hier, „wenn einem jemand die Hand reicht, an einem Punkt, an dem man sich verlassen fühlt“, sagt Gedeck. „Das mündet in die wirkliche Begegnung.“ Dass im Vorfeld des Films viel von SM-Sex und „extremen Szenen“ zu lesen war, ist da geradezu irreführend. Für den pornosüchtigen Professor gehe es darum, „sich vom Trugbild zu lösen, den Sprung zu schaffen zur wirklichen Person, zum Menschen aus Fleisch und Blut.“ Das Entblößen sei da eine fantastische Szene, „in der sie sich darauf einlässt, sich ihm wirklich zu zeigen“.

Einen Rückzugsort im Kopf, für ihre jüngste Filmfigur ist es ein Dachboden, den habe sie freilich auch. „Bei mir war es immer die Wiese“, erzählt Gedeck, die dafür bekannt ist, wenig Persönliches preiszugeben. „Weil ich als Kind, als die anderen noch geschlafen haben, bei meiner Großmutter morgens gleich rausgelaufen bin. Die Wiese war meistens, so habe ich es in Erinnerung, voll mit Gänseblümchen.“

Und ihr Glück? Das sei ihr Beruf, das fast tägliche Spielen. Und es habe „mit den Beziehungen zu tun, mit den Menschen, mit denen ich verbunden bin. Was mich trägt, sind die Bezüge zu meinen geliebten Menschen.“

ZUR PERSON

Martina Gedeck. Die 55-jährige gebürtige Münchnerin ist eine der profiliertesten Schauspielerinnen Deutschlands. Einem breiten Publikum wurde sie 2001 mit der Rolle der Gourmetköchin Martha im Kinofilm „Bella Martha“ bekannt. Zu ihren weiteren Erfolgsfilmen zählen unter anderem „Das Leben der Anderen“, „Der Baader Meinhof Komplex“, „Meine schöne Bescherung“ und „Das Tagebuch der Anne Frank“. Ihr aktueller Kinofilm „Gleißendes Glück“ läuft seit gestern im Kino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2016)

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